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Bautechnischer Führer durch München 1876

Vorwort

Als man sich in der Berathung über die Art der Festschrift dem Entschlüsse zuneigte, als solche den G sten ein Buch anzubieten, welches ihnen in der zur Festversamm- lung erw hlten Stadt selbst, wie nachher zur Erinnerung an dieselbe, f rderlich w re, konnte noch nicht von vorneherein feststehen, in welcher Weise dasselbe angelegt sein solle. Namentlich musste es erwogen werden, ob eine rein geschichtlich-kritische Darstellung der Münchener Bauth tigkeit gegeben , oder mehr die Gestalt eines Führers gew hlt werden sollte. Es war nicht zu übersehen, dass der erstere Weg mehr zu einem eigentlichen Buche Gelegenheit geboten h tte, welches das Gepr ge der Einheitlichkeit und den Vortheil einer zusammenh ngenden Lesbarkeit gehabt h tte. Allein anderseits schien der Vortheil wesentlicher, die Darstellung der vorhandenen Baudenkm ler gegenst ndlich zu gruppiren, so dass das Einzelne, wie das der inneren Gleichartigkeit und dem Zwecke nach Zusammengeh rige leicht gefunden werden k nnte. H tte übrigens auf dem ersten Wege das Ganze in Eine Hand gelegt werden müssen, welche voraussichtlich nicht blos den beiden Hauptgebieten, dem Architektur - und Ingenieurfache , sondern auch den einzelnen Unterabtheilungen nicht gleichm ssig gewachsen sein konnte, so erschien es bei Gruppirung nach Gegenst nden selbstverst ndlich, gerade für die wichtigsten Zweige der modernen Bau- und Ingenieurth tig- kcit Specialkr fte heranzuziehen, welche gr sstentheils in ihrer besonderen Amtssph re sich beth tigend der Darstellung eine Art von authentischem Charakter zu verleihen vermochten. Diese selbst aber boten ihre Arbeit als Gastgeschenk dar und Vorwortverdienten sich dadurch gewiss den besonderen Dank der Versammlung’. Weniger freilich den Dank der Redaction, welche durch diese Arbeiten , da ihrerseits h chstens noch erg nzend dabei vorgegangen werden konnto, um den Rest von Verdienst gebracht worden ist, zumal diese Beitr ge auch die von der Redaction selbst ndig ausgeführten Abschnitte ganz in Schatten gestellt haben.

Es lag übrigens für den Unterzeichneten ein besonderer Reiz in dem Beschlüsse der die Festschrift berathenden Versammlung, die Vortheile einer geschichtlich geordneten Darstellung mit den überwiegenden einer führerartig gereihten Aufz hlung dadurch zu verbinden, dass der letzteren eine einleitende Baugeschichte, in der Gestalt einer gedr ngten Ueber- sicht der architektonischen Entwicklung Münchens von der frühesten Zeit bis auf unsere Tage, vorangestellt werden sollte. Für die früheren Zeiten fehlte es hiezu nicht an trefflichen Vorarbeiten, docli schien es nicht blos die Gestalt der wesentlich neuen Stadt zu verbieten, der Baugeschichte der früheren Jahrhunderte eine eingehendere Behandlung zu widmen, sondern es war aucli durch das aufgestellte Programm geradezu verlangt, den Schwerpunkt auf das neuere München zu legen. Dem Verfasser ist nun durch frühere Arbeiten nicht unbekannt geblieben, welche Misslichkeiten es mit sich führt, geschichtlich, d. h. auch kritisch in die neueste Zeit hereinzugreifen, und er bittet daher um Entschuldigung, wenn er gegen seinen Willen auch diesmal wieder irgend Jemand verletzt hat. So lange es keine absolute Wahrheit gibt — und wie schwer ist im Urtheil über die Zeitgenossen, deren Th tigkeit uns noch allzu nahe steht, die reine Wahrheit und vollkommene Objectivit t zu erreichen — muss der Kunsthistoriker den Ersatz dafür in jener subjectiven Wahrheit suchen , die man Ueberzcugung nennt. M ge man aber diese Haltung ebenso als berechtigt erachten, wie es der Unterzeichnete für vollkommen berechtigt h lt, wenn der Eine oder Andere den künstlerischen Standpunkt des Unterzeichneten als verfehlt bezeichnen zu müssen glaubt. Wir bewegen uns eben immer, so lange wir von Gleichzeitigem sprechen, in Anschauungen, und diese werden so lange controvers bleiben, bis sie der Vergangenheit und der (icschichte angeh ren.

Es musste übrigens als wesentlich betrachtet werden, das in der Gestalt eines Führers projectirte Buch unbedingt zum Feste selbst erscheinen zu lassen. Damit verkürzte sich der Termin zur Ausarbeitung und verengerte sich noch mehr durch den Umstand, dass die Frage wegen Verschiebung des Münchener Architekten- und Ingenieurtages auf 1877 einige Zeit in der Schwebe war, und selbstverst ndlich l hmend auf den Betrieb derselben wirkte. In der That ist es auch h chlich zu bedauern , dass einige im Programme vorgesehene Abschnitte dadurch verkümmern oder ganz in Wegfall kommen mussten, weil es einigen Betheiligten aus dienstlichen Gründen unm glich war, die knappe Frist einzuhalton. Im Uebrignn hat sich die Redaction verpflichtet gesehen, die vom Comite festgestellte Anordnung unver ndert einzuhalten, ist mithin in dieser Beziehung unverantwortlich und ebenso ohne Verdienst wie ohne Schuld. Immerhin aber darf der Hotthung Raum gegeben werden, dass die kleine Gabe den verehrten G sten nicht ganz unwillkommen sein und denselben wenn nicht alle gewünschten so doch viele Aufschlüsse über die Stadt, welche die Festver- sammlung aufzunehmen die Ehre hat, geben werde. Auch werden die Illustrationen, zum Theil sehr schwer erreichbar, wenigstens den n chstliegenden Zwecken genügen, und in einigen mangelhaften F llen ihre Entschuldigung in dem Uebelstande finden, dass sie bei nicht immer vollkommen genügendem Materiale der knappen Zeit urngeu in verschiedenen xylogra- phischen Ateliers ausgeführt werden mussten, was mancherlei Ungleichheit, manches Missverst ndniss und gelegentliche Ungenauigkeit herbeiführte, wie auch der Umstand, dass die Textausführung wie die Illustration nicht immer unter einer Leitung stehen konnte und gew hnlich die Illustrationsherstellung der Textbearbeitung vorausgehen musste, in der Bezifferung und Zeichenbehandlung einige Missst nde im Gefolge hatte. Der Redaction, welche mit der Ausstattung schweren gegeben, konnte hierin nur die Erw gung zum Tr ste gereichen, dass solche M ngel don meisten mit zahlreichen xylographi- schen Illustrationen versehenen Werken ankleben, und dass sie nur demjenigen sich unerquicklich aufdr ngen werden, welcher sioh sehr eingehend der Lecture des vorliegenden Luches widmen würde. Die festliche Stimmung der Festzeit wie die ernstliche Occupation der Versammlung wird aber hiezu keinen Raum gew hren, und die Befriedigung über die anderen Resultate auch zur Nachsicht gegen dieses geneigt machen. M ge daher sonst der deutsche Architekten- und Ingenieur- Vereinstag die Erwartungen Aller erfüllen, und ein erfreuliches Andenken an unsere allezeit gastliche Stadt zuri'icklasscn, dann dürfte auch die kleine (labe nicht blos der wohlwollenden Aufnahme gewiss sein, sondern auch, weil mit erfreulichen Erinnerungen verknüpft, den Empf ngern sp terhin eine angenehme Erinnerung an unsere Stadt bleiben.

Franz Reber.

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