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Ein Jahrhundert München

Tod Karl Theodors und Regierungsantritt Max IV. Josephs

Lorenz Westenrieders Tagebuch, das dem bayerischen Geschichtsschreiber vielfach als Skizzenbuch für seine Aufsätze lind Studien diente, ist eine Quelle zuverlässigster, dabei von persönlicher Anschauung erfüllter Berichterstattung über Münchner Vor­ gänge und Begebenheiten. 2hm sindFie folgenden Ausschreibungen entnommen:

1799. Den 16. Hornung, welches ein Samstag war, wurde Vormittag der Kur­ fürst für merklich besser ausgegebcn, aber um halb zwei Uhr befiel ihn wiederholter Schlag, und er griff in die sogen, letzten Züge. Die Tore wurden sogleich wieder geschlossen. Die Ordonnanzen eilten durch die Gassen, und alle Einwohner kamen kn Bewegung. Alle Fenster wurden geöffnet, und es war eine allgemeine lautere Frage, ob es bald vorüber sein würde. Ich ging nach Hof und erwartete den Aus­ gang im Herkulessaal, durch welchen bereits alle Minister, Generale, Geheime Räte nach den inneren Zimmern eilten. 2m Herkulessaal befanden sich mehrere Personen, die noch, ehe die Residenz geschlossen wurde, hierher gekommen waren und unauf­ hörlich durcheinander liefen und unablässig sich einander fragten, wie es mit dem Kurfürsten stehe. Trat jemand aus den inneren Zimmern, so wurde er sogleich umrungen

und mit Fragen bestürmt. Es war ein seltsames und gräßliches Schauspiel. 2m Residenzhof standen.die Pferde der bayerischen Kuriere gesattelt, und vor dem Tor der Residenz saßen viele Ordonnanzen zu Pferd. Die Spannung, Unruhe und Erwartung machte jedem die Zeit länger, als sie war. Ich, der ich doch ganz still und einsiedlerisch in einem Winkel stand, wurde öfters gefragt, zu sagen, was ich wüßte, und öfters rannte man zu mir her und erzählte mir, wie es stehe, wobei sich die Person, die mich anredete, augenblicklich wieder entfernte. Endlich ein Viertel und sechs Minuten nach drei Uhr verschied Karl Theodor. Sogleich öffneten sich die großen Flügeltüren, und die Kuriere und mit ihnen eine Menge anderer Leute stürzten im wilden Lauf heraus. Niemand sprach etwas, aber man sah, was cs war. 2n diesem Augenblick fühlte ich mit Wehmut für den Verschiedenen,- er war zwar ein schlimmer Regent, aber doch auch ein Mensch, und seine bösen Ratgeber und höllischen Mannheimer­ tragen wahrlich auch einen großen, vielleicht den größten Teil der Sünden, die er wider uns Bayern begangen hat. Man läutete bei den Theatknern, und die ganze Stadt fing endlich an, frei zu atmen,- denn jedermann beklagte sich dieser Tage, daß man vor innerer Unruhe und vor Furcht und Kummer, daß es wieder besser gehen könnte, nicht essen, nicht schlafen und nichts denken könne.

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