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Ein Jahrhundert München

König Max I. und Montgelas

König alsbald mündlich dazu jemand vorschlug, von dem er wußte, daß er dem König über alles zuwider war. Indem nun der König sich mit allen Verwünschungen und Beteuerungen dagegen erklärte, rückte der Minister mit einem neuen, nicht minder mißfälligen Bewerber hervor und endlich, nachdem auch dieser verworfen war, und gleichsam nach langem Besinnen mit seinem eigenen Kandidaten, an dem aber der Minister selbst tausend jEinwürfc und Ausstellungen machte,- dann rief der König, froh die anderen Schreckensmänner abgewiesen zu haben, gewöhnlich triumphierend aus: „Nein! Nein! Den will Ich gerade haben, und Sie werden nun meinen Befehl zu vollziehen wissen/ An der Tafel rühmte er sich dann: „Heute bin ich

dem Patron, dem Montgelas, wieder recht durch den Sinn gefahren. Der hat mir zwei saubere Burschen einschwärzen wollen, aber ich habe ihn schon von weitem schleichen sehen und habe meinen Kopf aufgesetzt."

Der Graf Montgelas, von den günstigsten Umständen bei seinem Emporkommen geleitet, war anfänglich Privatsekretär des Zweibrücker Prinzen, dann dessen Ratgeber und Gefährte bei allem Mangel und Unglück und stieg endlich beim Sonnenschein zur Zeit des plötzlich seinem Herrn angefallencn Kurfürstentums ohne Schwierigkeit zum Posten eines allgewaltigen Ministers empor. Wirklich hätte auch das Glück dem Könige nicht leicht einen verständigeren und ergebeneren Diener zuführen können. Er war ein Mann, wie ich mir einen Mazarin oder Richelieu denke. Seinen Plänen, seinen Unterhandlungen, seinem richtigen Ergreifen des Augenblicks hat Bayern seine Erhebung zu einer größeren selbständigen Macht und selbst den äußerlichen Schmuck

einer königlichen Krone zu verdanken . . . Seine Bildung und sein ganzes Außere waren altfranzösisch. Ein stark gepuderter Kopf, hell von Verstände, sprühende Augen, eine lange, hervorstehende, krumme Nase, ein großer, etwas spöttischer Mund gaben ihm ein mephistophelisches Ansehen, obgleich die kurzen Beinkleider und die gala­ mäßigen, weißsckdenen Strümpfe, anders erschien er nie, keinen Pferdefuß zu ver­ stecken hatten. Kein Feind der sinnlichen Freuden und Genüsse, liebte er auch die Scherze und Gespräche der Tafel, weshalb er immer auch seine Gäste mit aus dem Künstler- und Gelehrtenstande wählte.

Der bayerischen Geschichte widmete er eine besondere Aufmerksamkeit, obwohl er sie im Ganzen für unerfreulich und überhaupt München — ich gebrauche seinen eigenen Ausdruck — noch für eine sehr rohe Stadt hielt. 2m Arbeiten wußte er ein Maß zu finden, haßte das pendantksche Treiben und behandelte das Ministerium des Innern und der Finanzen, wo er aufrichtig gesagt, nicht viel leistete, zu diplomatisch, das ist, er pausierte, lauerte und schlich auch hier und ließ darin den lieben Gott zu viel walten. Für Audienzen und Sollizitationen war er nicht alle Zeit gut zu erwischen, im Ganzen aber für die Staatsdiener mild und nachsehend, ost bis ins Weite. Der Bescheid: Ich kann nichts tun, cs dependiert alles von Seiner Majestät,

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