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Ein Jahrhundert München

Der Regierungswechsel 1825

Friederike von Schweden mit Sohn und Töchtern fanden sich ein. Obwohl ermüdet von den Gratulationen, war der König heiter und freundlich und spielte seine Partie Karten, fuhr aber, nachdem er nichts als ein Glas Zuckerwasser genossen, schon um halb zehn Uhr nachts nach Nymphenburg zurück. „Nicht wahr, ich halte Wort und komme früh nach Haus", sprach er zu seinen Leuten, „um halb sechs Uhr will ich morgen geweckt sein". Um die begehrte Stunde öffnete der Kammerdiener die Laden, fand den König, wie gewöhnlich beim Einschlafen, das Gesicht auf einer Hand ruhend, stellte ihm sein Selterswasser vors Bett, rief ihn dreimal an: „Majestät", faßte endlich die freie Hand — sie war kalt,- der Tod mußte den Schlafenden schnell, wahrscheinlich noch vor Mitternacht, ereilt haben.

Wie eine Bildsäule saß die Königin den ganzen Morgen bei der Leiche,- unfähig, an den Tod zu glauben, ließ sie dieselbe lang in warme Tücher einschlagen, wodurch nur Entstellung vor der Zeit bewirkt wurde. Alles, was die Nachricht erfuhr, stürzte ins Zimmer. Alles wollte ihn sehen, der für seine Umgebung immer so gütig gewesen. Prinz Karl lief bei der Kunde, ohne den Wagen abzuwarten, zu Fuß und hände- ringend aus der Residenz, wo er nach dem Balle geblieben, gen Nymphenburg. Außer Atem, in großer Trostlosigkeit jammernd: „Ich habe alles verloren", ward er von seinen Leuten im Wagen eingeholt und saß dann bei der Leiche, zu ihr sprechend, sie mit seinen Tränen benetzend. Prinzeß Marie wehklagte, daß sie auf dem Balle vielleicht getanzt habe, während ihr Vater aus dem Leben schied. Mir wurde die Nachricht am Morgen des 13. durch Wilhelm von Freyberg mit- geteilt, der in großer Aufregung bei uns sich einfand. Der Tod eines Herrschers hat immer etwas Erschütterndes, einmal im Hinblick auf den Geschiedenen, auf seine schwere Rechenschaft, auf das Gute, das man von ihm empfangen, sodann im Hin- blick auf die Zukunft,- wie nah meinem Herzen stand derjenige, in dessen Hände großen- teils die Zukunft des geliebten Vaterlandes gelegt war! Wird er die auf ihn ge- setzten Hoffnungen erfüllen? Wird er gewisse Klippen umschiffen, die bei aller Vor- trefflichkeit sein Charakter ihm bereitet? Wird er über einzelne Lücken und Irrtümer seiner in vielem wohlgeregeltenDenkweise hknauskommen? Hoffnungen und Sorgen — erschütternd wirken beide. Das ganze Land fühlte sich davon durchzuckt. Handelte sich's doch um einen völligen Umschwung der Regierungsgrundsätze. Allerdings hatte schon König Max zum Teil eingelenkt von dem Verfahren seiner ersten Herrscherzekt,- Kon- kordat und Tegernseer Religionsedikt bezeugen es. Aber Vieles stand doch beim Alten. „Zetzund", so jubelten die einen, so knirschten die andern, „jetzund wird wo nicht alles, so doch vieles umgekehrt werden".

Anders sieht Friedrich Thiersch in einem Brief an Jacobs das Ereignis an. Er schreibt: Des Königs Tod, den wir alle herzlich beklagen, ist der Anfang großer

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