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So lang der alte Peter …

Geschichtliches und Sagenhaftes vom Münchner Dom

Der Teufelstritt unter der Orgel

Als der Dom zu unserer lieben Frauen nahezu fertig, aber noch nicht geweiht war, überdachte der leidige Teufel den Schaden, der ihm und seinem Reich aus solchem Bau erwachsen würde. Also beschloß er, die Kirche zu zerstören und tat sich mit dem Sturmwind zusammen, daß sie das Werk mit Gewalt angreifen wollten, der Teufel von innen und der Wind von außen her.

Der Teufel hupfte in den Dom hinein und sah sich um, an welcher Stelle er beginnen möchte, ihn niederzureißen. Er war aber fust an einen Ort zu stehen gekommen, von wo aus in der ganzen Kirche kein einziges Fenster zu sehen war. Vermeinte also, daß sie deren wirklich keine hätte und trat voll Vergnügen den Boden, hohnlachend ob der einfältigen Bauleute, die da wähnten, in solch ein blindes Gebäu irgend eine Menschenseele hineinzubringen. Drum ließ er den Bau unangefochten und fuhr wieder hinaus; nur die Spur seines Fußes blieb dem Steinboden tief eingedrückt.

Andere behaupten: der fromme Meister Jörg selber, dem der Teufel während des Bauens erschienen sei, ihn mit Zerstörung der Kirche bedräuend, habe den bösen Feind geschickt an die Statt geführt, von da aus der Pfeiler wegen kein einziges Fenster zu sehen war. Wie dem auch gewesen — in jedem Fall erkannte der Teufel zu spät, daß er geirrt hatte, und daß es dem Dom weder an Fenstern noch an Gläubigen gebrach, die von früh bis spät hineinströmten. Nun geriet er in Helle Wut und hätte gern Rache genommen; aber da die Kirche schon geweiht war, konnte er ihr nichts mehr anhaben. Der Wind war, scheints, zäher oder begriffstütziger; denn der hat nicht nachgelassen und all die vielhundert Jahre lang, seit die LiebFrauenkirche steht, um sie herumgepfiffen. Niederwehen hat er sie freilich nicht können; aber an den Leuten, die hineingehen oder auch nur vorübergehen, läßt er seinen Zorn aus, bläst ihnen in die Ohren, verrauft ihnen das Gewand oder weht ihnen den Hut vom Kopf. Das ist der Grund, warum es auf dem Frauenberg! alleweil so zieht. Die Legende wird noch so erzählt: Der Baumeister hätte einen Pakt mit dem Teufel gemacht, daß der ihn beim Kirchenbaucn unterstützen sollte, unter der Bedingung, daß man kein Fenster sähe. Als der Teufel nun zur bestimmten Frist gekommen wäre, die Seele des Baumeisters zu fordern, da hätte der Meister ihn auf jenen Fleck geführt, wo kein Fenster zu sehen. Voller Grimm hätte der überlistete Teufel den Boden gestampft und sich mit gräßlichem Geschrei aus dem Staub gemacht.

Der schwarze Tritt unter der Orgelempore ist höchst wahrscheinlich ein Handwerkcrscherz, wie der mit dem Balken unterm Dachstuhl. Zur Zeit, da Peter Candids Hochaltaraufbau noch gewaltig emporragte, war übrigens von der Stelle des „schwarzen Trittes" aus auch das Hochaltarfenster unsichtbar, das heute als einziges Fenster zu sehen ist.

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