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Münchener Stadtbuch

XXIV. Die Frauenkirche

1468-1488

eingeweiht. Dieser neue Tempel war ein gothischer Bau von ansehnlicher Größe, was wir daraus,mit Bestimmtheit entnehmen können, weil um diese Zeit der frühere romanische Baustyl schon überall dem gothischen Platz gemacht hatte, und die neue Pfarrkirche im Chore drei Altäre, den Fron-, Annen- und Kreuzaltar, im Ganzen aber achtzehn, ja später einundzwanzig Altäre , enthielt. So viele Altäre hätten in einer kleinen romanischen Kirche nicht Raum gehabt. Wir kennen die Anzahl und die Namen der Altäre aus den noch vorhandenen Urkunden genau, denn sie wurden von den Herzogen, den Patriziern und andern vermöglichen Bürgern der Stadt fortwährend mit reichen Stiftungen von Meßbenesizien, ewigen Lichtern und Wachsstiftungen dotirt.

Die alte romanische Marienkapelle wurde aber in Folge des neuen Pfarrkirchenbaues keineswegs abgebrochen. Es wurde dieselbe vielmehr nun als Gottesackerkirche verwendet, da die neue Pfarrei auch eine Sepultur erhalten hatte. Da diese Freithofkapellen gewöhnlich dem heil. Michael, als dem Patrone der Sterbenden, geweiht waren, so erscheint das bisherige Marienkirchlein von nun an als St. Michaelskapelle bei U. L. Frau.

Ueber die Lage dieser St. Michaelskapelle haben sich in neuerer Zeit vielfältige Untersuchungen, Zweifel und irrige Ansichten ergeben. Der fleißige Forscher der Topographie der Stadt München, Dr. Nagler, sprach die Meinung aus, dieselbe sei an dem Platze gestanden, wo in der heutigen Frauenkirche sich die Fürstengruft befindet, und diese Gruft sei eben die Krypta der St. Michaels-Todtenkapelle gewesen. Herr Dr. Sighart, der

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