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Münchener Stadtbuch

XXXVI. Die Ordensschwester Clara Hortusana im Kloster am Anger.

1680.

was dieses ungewöhnliche Läuten bedeute, indem er furchtete, es möchte eine oder mehrere Schwestern in den letzten Zügen liegen, oder sonst ein großes Unglück dem Kloster zugestoßen sein. Weil aber der Beichtvater keine Schwestern erblickte, fing er ebenfalls an einer Glocke stark zu läuten an, worauf endlich mehrere Schwestern herbei kamen. Während aber Niemand aus dem Lärmen klug werden konnte, bemerkte man einen Brand geruch, und als man diesem nachging, zeigte sich, daß die Handhabe an der Glocke angebrannt sei. Auch wurden zunächst an der Winde zwei tief eingebrannte Menschentritte gefunden. Als der Pater Beichtvater hiervon in Kenntniß gesetzt wurde, vermuthete er gleich ganz richtig, es müsse eine arme Seele da Hilfe gesucht haben, und die Brandflecken daher vom Fegefeuer herrühren. Man beschloß deshalb, alsbald die Schwester Hortulana kommen zu lassen, als die in diesen Dingen erfahrenste Person; aber Niemand wußte, wo sie war! Endlich wurde sie von einer Schwester in der St. Anna-Kapelle gefunden. Als sie eine Schwester hörte und sah, vermeinte sie, sie sehe und höre einen Engel; sie stand gleich auf, ging zu dem Beichtvater und erzählte ihm den ganzen Verlauf. Hierauf befahl der Beichtvater der Schwester Hortulana, sie solle alsbald in den Chor gehen und die armen Seelen fragen, ob eine aus ihnen ihrem geistlichen Vater geläutet habe, wer diese arme Seele bei Lebzeiten gewesen sei, und ob selbige die zwei Menschentritte eingebrannt habe, und warum? Hortulana war hurtig gehorsam, ging, obgleich äußerst schwach und kraftlos, in den Chor hinein und dankte Gott für die erhaltene Viotori. Unterdessen kamen etliche arme

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