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Münchener Stadtbuch

XXXIX. Der ewige Jude in München.

1721.

ewige Jude, Ahasverus mit Namen, ein Schuster aus Jerusalem, und es sei die Sage, daß er Christum den Herrn verhöhnet und Ihm eine kurze Rast auf der Steinbank vor feinem Hause verweigert, und er deshalb zur Strafe auf der Erde bis zum Ende der Welt herumwandern müße, vollkommen wahr, und er habe bereits schon siebenmal die Erde ganz durchwandert. Er erzählte ferner die genauesten und ganz unbekannte Data von dem Leiden und von der Kreuzigung des Herrn, die ihm freilich Niemand widerlegen konnte; er berichtete von den Wundern Christi und der Apostel, die er alle selbst sehr gut gekannt habe, erzählte ferner von der damaligen Judenschaft in Jerusalem, und daß allen Nachkommen jener Juden, welche Christo den Backenstreich gegeben, die rechte Hand zweimal länger als die linke sei, daß aber die aus jenem Geschlechte, welche Jesum angespieen, sich jederzeit beim Ausspucken bis auf den heutigen Tag selbst anspeien. Alle diese albernen Mährchen fanden bei der Menge des zugelaufenen Volkes unbedingten Glauben, so daß dieser Mann bei seinem Handelsgeschäfte eine gute Spekulation machte, indem fast Jedermann von dem „ewigen Juden" etwas besitzen wollte.

Auf dem Gasteigberge betrachtete er lang und genau das Kruzifix, das noch gegenwärtig daselbst aufgestellt ist, und von dem Hofbildhauer Gabriel Luidl zu München verfertigt worden war und betete mit großer Andacht vor demselben. Deshalb befragt, gab er zur Antwort, diese sei allein die rechte Abbildung unseres Herrn, das Gesicht und die Länge des Körpers sei ihm vollkommen gleich.
 

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