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Münchener Stadtbuch

Die große Judenverfolgung in München im Jahre 1285, und die Gruftkirche

Männer und Weiber, alle Länder durchzogen und ihre gräßlichen Bußthaten öffentlich zur Schau stellten. Wandernd durch Dörfer, Mörkte und Städte, mit bernnenden Kerzen und Kreuzbildern, nackt bis zum Gürtel, aber das Gesicht mit schwarzen Tüchern verhüllt, wilde Bußgesänge heulend, stellten sie sich angesichts des herbeigelaufenen Volkes in einen großen Kreis und schlugen sich die nackte Brust und Lenden mit Geißeln voller Knoten und Nägel, bis sie unter herabströmendem Blute ohnmächtig zu Boden fielen. Rasch aber hatte sich dieser Fanatismus gegen die Juden gewendet, welche nicht nur Reichthum, sondern auch durch ihren Glauben und durch den Kreuzestod des Herrn der Christen Abscheu waren, der durch diese  Geißler zur Wuth aufgestachelt wurde. Schon bei dem ersten verunglückten Kreuzzuge unter Peter dem Einsiedler glaubten die Schaaren ihren Beruf als Streiter Christi durch grausame Verfolgung der Juden zu bewähren, und es wurden in den Städten am Rheine viele tausend jüdische Familien niedergemetzelt und ihre Habe geplündert. In Mainz suchten die Juden sogar Schutz bei dem Erzbischof Rothart und vertrauten ihm ihre Personen und Schätze an, und dieser barg sie in dem oberen Stockwerk eines festen Hauses. Aber der wilde Graf Emicho von Leinigen stürmte mit einem Schwarm zusammengelaufener Kreuzfahrer das Haus; sie schoßen mit Pfeilen und Speren in dasselbe, sprengten die Schlößer und Thüren; und ermordeten im Hause des Bischofes siebenhundert Juden, Männer, Weiber und Kinder. Als die Juden keine Rettung vor den Mördern fanden, tödteten die Frauen ihre Kinder, die Männer ihre Weiber, und dann sich selbst!

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