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Münchener Stadtbuch

XLIV. Fanny Zaloska.

1785.

verschmäht, das Du ihm nicht beust! Verbanne jede Besorgniß, süßes Weib, und wenn es nöthig ist, um die wachende Eifersucht einzuschläfern, mit der Liebe eines Kindes zu spielen, so glaube mir, daß die Peinlichkeit dieses Schmerzes durch nichts als das unbedingte Zutrauen belohnt werden kann, mit dem Du Dich meiner Zärtlichkeit ergibst."

Fanny las diese Zeilen zuerst nur mit den Augen und ohne Sinn; erst beim zweiten Lesen begriff sie den ganzen Verrath. Eine tiefe Betäubung folgte auf diese Entdeckung; dann erwachten Erinnerungen an vieles früher kaum Bemerkte, an überraschende Bewegungen und Blicke und an gewisse Veranstaltungen der Mutter während der letzten Abwesenheit ihres verstorbenen Gemahles; — alles dieß ging jetzt durch ihre Seele und eröffnete ihren Blicken einen Abgrund von Abscheulichkeit, vor dem ihr ganzes Wesen erbebte, und in den immer von neuem hinab zu schauen sie sich doch nicht enthalten konnte. Abscheu, tiefe Verachtung, bitterer Schmerz und eine dumpfe Verzweiflung stürmten zugleich auf sie ein. Ihr Stolz war auf das heftigste empört, ihr Herz zerrissen, ihre Hoffnungen waren vernichtet, das Leben lag vor ihr wie ein verheertes Land, aus dessen Boden Flammen der Verwüstung schlagen, während dunkle und unglücksschwangere Wolken über seine Oberfläche wogen und brausen. Ihr Beschützer war todt, ihre erste Liebe schändlich verrathen, und die, in deren Gewalt sie jetzt war, hatte sich aus einer Mutter in eine Nebenbuhlerin umgewandelt; die, die ihr als Vorbild der Tugend vorleuchten sollte, war zur niedrigen Buhlerin, zur Ehebrecherin herabgesunken! Unter solchen Gräueln

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