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1785.
zu leben, schien ihr unmöglich. Sie beschloß zu sterben. Aber ihr Tod sollte den Abscheu der Welt und den Fluch des Himmels auf die Häupter der Verräther bringen! So entwarf sie den schaudervollen Plan.
Von diesem Augenblicke an sprach sie nicht mehr. Aber Nachbarn hatten bemerkt, daß sie die Nacht hindurch geschrieben, öfters vom Stuhle aufgestanden und mit schnellen Schritten durch das Zimmer gegangen, und bis an den Morgen bei Licht aufgewesen sei.
Am folgenden Morgen kleidete sie sich schwarz an, und ging in tiefer Trauer in die Kirche zu U. l. Frau. Wer sie gehen sah, blieb stehen und verfolgte mit seinen Blicken die hohe und zarte Gestalt, die mit gesenkten Augen durch die Straßen ging, und nichts von allem zu bemerken schien, was um sie geschah. Ihr blondes Haar war aufgelöset und floß, von zarten Perlenschnüren um die Schlafe gehalten, wie ein goldener Schleier über den Nacken hinab, und warf seinen leichten Schatten auf ihr blasses Angesicht, das durch die tiefe Traurigkeit noch verschönert ward. Viele verließen ihren Weg und folgten ihr nach, um sie beten zu sehen. Sie trat in die Frauenkirche, und warf sich vor einem Altare auf die Kniee. Lange lag sie so da, in tiefem Gebete versunken, aber ihre Lippen bewegten sich nicht, und sie hätte ein Steinbild geschienen, wäre nicht bisweilen ein flüchtiges Roth über ihre Stirn und Wangen gegangen. — Endlich stand sie auf, nahm ihren Weg gegen das große hintere Kirchenthor zu, und verschwand durch die Thüre, welche auf den südlichen Frauenthurm führt; mit hastigen Schritten sah man sie die ersten Stufen hinaufeilen.