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Münchener Stadtbuch

XLVIII. Die Beterin an der Mariensäule.

Während desselben schien ein Strahl des Glückes auf unsere Adelheid herableuchten zu wollen. Ihr Martin lag mit der bayerischen Besatzung in Kufstein. Da ergriff sie eine unnennbare Sehnsucht der Liebe und trieb sie, nach so langer Zeit ihren Geliebten wieder zu sehen. Mit Erlaubniß ihrer Dienstherrschaft trat sie die Reise nach Kufstein zu Fuß an. Müde rastete sie unterwegs unweit der Grenze an einem sogenannten Marlersteine, und verrichtete an demselben, welcher das Bild der heiligen Mutter Gottes trug, ihr Gebet. Als sie sich dann an der Säule aufrichtete, löste sich aus derselben ein Stein ab, es zeigte sich eine kleine Höhlung, in der ein Kästchen lag. Verwundert nahm es Adelheid heraus, und mit noch größerem Erstaunen erblickte sie in demselben eine Menge Goldstücke sammt einem Zettel, auf welchem stand, daß ein Tvroler im Jahre 1805 hieher sein Vermögen rettete, und, falls er im Kriege umkomme, der einstige Finder es zu christlichen Werken verwenden solle.

Froh über diesen Fund eilte sie hinein nach Kufstein, und bald lag sie mit Freudenthränen am Halse ihres Geliebten. Nachdem der erste Freudenrausch vorüber war, beschlossen beide, daß Adelheid mit dem gefundenen Gelde, das nahezu 1800 Gulden betrug, nach München zurückkehre, ihr Kind, den kleinen Max, zur Erziehung zu sich nehme und daß sie beide nach geendigtem Kriege dann die Erlaubniß zu ihrer Verehelichung zu erhalten suchen wollten. Froh über diese Hoffnung kommender glücklicher Tage eilte Adelheid wieder nach München zurück, woselbst sie der getroffenen Verabredung gemäß eine kleine Wohnung bezog und ihren Max zu sich nahm.

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