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Münchener Stadtbuch

XLVI. Münchener Sagen

20. Maria Eich.

Es war einmal in München ein Herzog, der ritt eines Tages mit einem großen Gefolge von Hofherrn, Rittern und Jagern hinaus in den großen Wald, welcher sich gegen Starnberg und gegen Fürstenfeld hin erstreckte. Da erblickte der Herzog von ferne einen prächtigen Hirschen mit mächtigen Geweihen, wie ihm schon lange kein so schöner aufgestoßen war. Sogleich wurde Jagd auf ihn gemacht, die Hörner erklangen, die Meute der Jagdhunde verfolgte dessen Spuren, aber der Hirsch war in rascher Flucht immer den Jägern weit voraus. Da sah der Herzog zu seiner Verwunderung, daß der Hirsch plötzlich bei einem Eichbaume stehen blieb, und unverwandt in dessen Höhe hinauf schaute. Der Herzog vahte mit seinem Jagdgefolge heran, allein das edle Thier blieb immer ruhig stehen. Als sie aber an deni Eich baume ankamen, sahen sie oben an demselben ein Bild der allerseligsten Mutter Gottes angebracht, zu welcher offenbar der Hirsch seine Zuflucht genommen hatte. Der Herzog, durch dieses augenscheinliche Wunder gerührt, schenkte dem Hirschen Leben und Freiheit, und ließ an dieser Stätte ein Kirchlein mit einem Häuschen für einen Klausner erbauen. Der Eichbaum aber blieb in dem Kirchlein stehen. Zwar sind seine mächtigen Aeste, die mit ihrem Laube einst das Kirchlein überschatteten, längst verdorrt, aber der Stamm des Baumes blieb erhalten und ist noch heut zu Tage am Chore zu sehen. Auch das Muttergottesbild ist noch vorhanden. Dieses Kirchlein wurde bald eine berühmte Wallfahrt und viele Wunder sind daselbst durch die Fürbitte der allerseligsten Mutter Glottes geschehen, wovon eine Menge Votivtafeln, die im Kirchlein aufgehängt sind, Kunde geben.

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