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Münchener Stadtbuch

L. Alte Gebräuche und Sitten

15. Am Himmelfahrtstage.

Am fürstlichen Hofe zu München befand sich damals ein lustiger Schalk, der allerlei Schwanke und Kurzweil trieb, Namens Liendl (Leonhard) Lautenschlaher. Da war wieder einstmals das Fest Christi Himmelfahrt gekommen, und als der Liendl sah, daß nach dem Vormittagsgottesoienst alle Leute zum Essen heimgegangen waren und die Frauenkirche ganz leer stand, nahm der arge Schalk den „Herrgott" aus der Kirche weg, trug ihn unter seinem Mantel in das Wirthshaus, in dem er sonst täglich zechte, setzte ihn hinter den Tisch, ließ ihm vom Wirthe Wein auftragen und trank ihm zu, uin ihm vor seiner Himmelfahrt noch Liebes zu erweisen, auf daß, wenn er selbst einst nach Jahren in den Himmel nachkomme, ihn der Herr auch wieder bediene. Der Wirth, der die Schalkhaftigkeit des Liendl wohl kannte, trug fleißig Wein auf und lachte zu dem Schwank, Derweilen war aber die Stunde der Nachmittagsvesper gekommen und das Volk eilte wieder zur Kirche. Da fehlte zum Schrecken des Volkes der Herrgott, der nun gegen Himmel fahren sollte. Aber Einer hatte den Liendl im Wirthshaus gesehen, der sagte es dem Meßner und dieser lief eilig in die Herberge, wo er den Herrgott hinter dem Tische fand; eine Kanne Wein hatte ihm der Liendl um den Hals gehängt. Der Herrgott wurde vom Meßner in die Frauenkirche zurück gebracht, und wie üblich, dann zur Himmelfahrt durch das Kirchengewölb gezogen. Aber der Spatz wäre dem Liendl bald theuer zu stehen gekommen, denn er wurde vom Kirchenprobste dieses Frevels wegen beim Herzoge verklagt und von diesem scharf angelassen. Liendl verantwortete sich jedoch herzhaft und meinte kein Arg gethan zu haben, denn er habe ja nur die „Letz" getrunken mit dem, der gegen Himmel fuhr, auf daß ihm der Heiland nach Jahren wieder „schenken" und ihn freihalten müsse. Der Herzog aber sprach: mit dem Teufel könne man wohl Schwank treiben, mit unserm Herrgott aber sei nicht zu scherzen. Das versprach der Liendl künftig getreulich zu befolgen.

Das Jahr verging und der Himmelfahrtstag kam wieder. Am Vorabende desselben bestand in München noch ein anderer sonderbarer Brauch. Ein sogenannter Bachant, — einer jener Pickelheringe, die in damaliger Zeit zur Stillung ihres Hungers und Durstes das Handwerk der öffentlichen Spaßmacher und Witzbolde betrieben, — verkleidete sich als Teufel und wurde in dieser gräßlichen Hülle von vermummten Druden, mit Krücken und Ofengabeln bewaffnet, durch die Straßen der Stadt unter dem Halloh und Geschrei der lieben füßen Jugend und des schaulustigen Volkes gejagt, in die damals noch vor vielen Häusern befindlichen Misthaufen gesprengt, und so bis in die Hofburg gehetzt, wo man ihm zu trinken gab. Hierauf wurde er entpuppt, seine Hülle mit Stroh und Heu ausgestopft, und dann diese Teufelsfigur an einem langen Stricke zu einem Fenster des Frauenkirchthurmes .herausgehängt, wo sie über Nacht verblieb. Am folgenden Tage fand dann mit dieser Puppe, wie vorhin erzählt, der Himmelsturz in der Frauenkirche und das Verbrennen auf dem Gasteige statt.

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