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Ein Jahrhundert München

Der Maskenball im Hoftheater

Der Maskenball im Hoftheater

Der Fasching fängt in den ersten Wochen des Januar an. Da rennen am Abend schon neckende Masken lärmend durch die Straßen. In allen Familien beginnt die Sorge und die Arbeit der notwendigen Kleider und Maskenanzüge für den an- gebrochenen Fasching. Alles hat eine neue, belebende, aber auch nur diese einzige Beziehung erhalten. Die junge weibliche Welt treibt sich schon hüpfend in den Läden der Kaufleute herum, überall sieht man geheimnisvolle Mitteilungen, je geheimnis- voller, desto unwahrer, denn Betrug und Neckerei ist schon jetzt das herrschende Gesetz des Tages und der Nacht geworden. Alles fragt, alles beratet, alles hinter- geht sich. Wahrer nur sind die Verabredungen zwischen beiden Geschlechtern, denn wie wichtig soll nicht beiden vereint die Maske werden! Wie vieles soll sie nicht verheimlichen und verbergen! Wie vieles ward nur bis hieher verschoben, was früher ohne Fasching nicht sein konnte! Wie viele Hoffnungen, wie viele heimliche Freuden sind nicht an die Maske geknüpft! Das goldene Zeitalter scheint, wenigstens für die Putzmacherinnen, wirklich zurückgekommen,- nie hören sie mehr Beschwörungen, nie müssen sie mehr versprechen. Die zahlreichen Maskenverleiher öffnen in allen Straßen ihre bunten Läden. Gräßliche und liebliche Wachsgesichter schauen durch die Fenster, im Innern glänzen hundert Farben, Folie, Schmelz, Flitter und Tressen, hier die streng verhüllende Kapuze neben dem verräterischen Tirolerkleidchen, dort der stolze Helmbusch und Harnisch neben dem scheckigen pulicinell und dem drollig-gravitätischen Türkenhabit. Täglich mehren sich die Masken auf den Straßen. Der erste Masken- ball im Hoftheater gibt endlich das Signal zum Losbruch des allgemeinen Jubels, für den alles Bisherige nur Einleitung war.

Wo soll ich aber anfangen, um meinen Lesern und Leserinnen das tausendfache Leben eines solchen Balls zu beschreiben? In Norddeutschland kennt man nichts Ähnliches. Wer davon sprechen will, dem ergeht es, wie dem Homer mit seinen Schlachtenbeschreibungen: immer malt der alte Sänger nur einzelne Kämpfe. Auch ich kann nur im einzelnen zeichnen,- das große bunte, lebenerfüllte Ganze muß ge- sehen, mit freudigem Auge gesehen werden.

Der weite, durch Kronleuchter und tausend Logenkerzen taghell gelichtete Saal, strotzt von freudelustigen Menschen. Alles muß maskiert sein, so lange der Hof in seinen Logen gegenwärtig ist. Seine Teilnahme am Feste steigert den Frohsinn und das lustige Treiben. Ungeachtet, daß die Menge sich kaum in ruhigem Schritte nebeneinander bewegen und nur in schraubenförmigen Windungen forthelfen kann, so

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