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Die Baukunst Alt-Münchens

II. Abschnitt: Baugeschichtliche und bautechnische Erläuterungen zu den Stadtbildern.

Abb. 21: Das Rathaus und das Talburgtor

Der Rathausturm, früher das Talburgtor (auch Talbruckertor) geheißen, is der einzige Tir turm des ersten Mauerringes, der uns wenigstens an seinem Standort und wahrscheinlich auch in seiner Grundform erhalten ist. Als ich diese Tour Türme in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts baufällig zeigten, wurden sie abgebrochen und neu aufgebaut (siehe auch S. 37: „Das Innere Sendlinger Tor“); nördlich und südlich des Turmes schloß sich das Rathaus an; beide Teile standen durch den Turm in Verbindung miteinander. In dem südlichen Teil befanden sich die Schreibstuben46), im nördlichen der Ratssaal. Als letzterer im Jahre 1460 wiederum von einem Brand zerstört wurde, er baute im Jahre 1470 Jörg Ganghofer, der damals gerade die neue Frauenkirche begonnen hatte, im Auftrag der Stadt einen neuen Saal, der sich bis heute erhalten hat. Der Saal diente nicht nur zu Sitzungen,- in ihm wurden die Wahlen zum inneren und äußeren Rat abgehalten, die Stadtsteuer und die Kriegszüge beraten, die, Kammerrechnungen von Stadtkämmerer vorgelegt,- sondern auch zu Festlichkeiten, zu Hochzeiten von Fürstlichkeiten und Patriziern, zur Abhaltung von Bällen und anderen Lustbarkeiten47) (daher auch öfters das „Tanzhaus“ genannt); auch die berühmten 16 Tänzerfiguren von Erasmus Grasser, von denen noch 10 erhalten sind, weisen deutlich auf diese Bestimmung des Baues hin.

Die Architektur des Saalbaues wie des Turmes hat öfters gewechselt; leider ist auch hier das Modell Sandners später verstümmelt worden und zeigt eine Ausbildung der Giebel, die an das Bild aus Baumgartners Polizeiübersicht von 1805 (siehe „München und seine Bauten“, S. 175) erinnert, auch der Turmhelm ist nach Ansicht Dr. K. Trautmann nicht mehr der alte. In unserem Bilde ist der Turmhelm beibehalten und anklingend an diese Stilperiode sind die Giebelformen durchgebildert.

Zwischen Rathausturm und Marienplatz sehen wir die Verkaufsstände des Kräutlmarktes; im Vordergrund das Dach der Heiliggeistkirche mit dem angebauten Weiberbau des Spitals. Zwischen diesem Bau und den Häusern am Fuß des Petersbergl stand, die jetzige freie Straße zum Viktualienmarkt überquerend, die sogenannte untere Fleischbank;es werden aber wohl Durchgänge zur „Roßschwemme“ und zum „Senefeldbogen“ bestanden haben.

 Am Kräutlmarkt, der ein jetzt nicht mehr bestehendes Zwischenglied zwischen dem „Marktplatz“48) und Rathaustor bildete, sehen wir rechts die Häuser auf Bögen aufgebaut. Wir können letztere wohl noch zu den sogeannten „hellen Bögen“ rechnen, die sich unter den Häusern der Nordseite des Marienplatzes hinzogen, während die gegenüberliegenden Bögen die „finsteren Bögen“ genannt wurden.Die Bezeichnung „helle und finstere Bögen“ rührt offenbar davon her,daß die einen, die hellen, nach Süden gewandt waren, während die anderen nördliche Richtung hatten.

Arkadengäne finden wir im alten München eigentlich nur am Marienplatz und am Kräutlmarkt, dem Mittelpunkt des geschäftlichen Lebens;den Häusern und Spaziergängern sollte Schutz vor den Unbilden der Witterung geboten werden.


46) München und seine Bauten, S. 73-75.
47) München in gauter alter Zeit, S. XIV u. XV.
48) Später auch „Schrannenplatz“ geheißen, wegen der dort an Markttagen aufgespeicherten Gedreidesäcke, wie wir auf dem Kupferstich von Michael Wening aus dem Jahre 1701 ersehen können.

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