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Ein Jahrhundert München

Die Franzosen und der Galerieraub

ihn, eingeschüchtert durch das brutale Vorgehen vonLecourbe, höflich empfing. Nach­ dem er diesen Herren dargetan hatte, daß sich der Sieger das Recht erworben habe, dem Besiegten das Gesetz zu diktieren, sollten sie mir befehlen, ihn kn unsere Museen, Bibliotheken und alle auf die Künste und Wissenschaften bezüglichen Sammlungen zu führen, damit er daraus wählen könne, was zur Vervollständigung und Bereicherung derer von Parks notwendig sek. Paris solle von nun an der gemeinsame Herd der Auf­ klärung und Erkenntnis sein, dessen Licht und wohltätige Strahlen sich über die gesamte Erde ausbreitcn und sie erleuchten werden. „Glauben Sie indes nicht, daß Sie die Republik durch dieses Opfer in die Finsternis der Unwissenheit stürzen will! Durch­ aus nicht! Sie ist damit einverstanden, daß ich nur unter dem Titel des Tausches in Ihren Sammlungen wähle, und wird Ihnen durch die Zentraldirektkon der französischen Museen für das, was ich Ihnen nehme, Ersatz bieten."

Nach Prüfung der von Lucken Bonaparte gezeichneten Vollmachten Neveus gaben diese Herren, die so triftigen Gründen nichts entgegenzusehen fanden, in sichtlicher Verlegenheit nach und erteilten mir in aller Form den Auftrag, Herrn Neveu in die Galerien und das Kabinett des Kurfürsten zu geleiten. Ich freute mich, wenn auch wehmütigen Herzens, meines Triumphes. Denn ich hatte vorausgesehen und dem Rate vorhergesagt, was uns nun begegnete. Schmerzlich gestimmt, ließ ich die Kaiscrzimmer auffchließen, wo noch alle Gemälde, mit Ausnahme der von Lecourbe entnommenen, an ihrem Platze hingen. Er war über ihre Schönheit verwundert und rief aus: „Wie zum Teufel haben es Ihre Herzöge von Bayern fertiggebracht, so reiche Schätze anzuhäufcn! Ich finde hier die verschwenderische Pracht unserer Könige."

Beim Betreten der Galerie machte ich ihn auf die Lücken aufmerksam, die Lecourbes brutales Vorgehen verursacht hatte. „Beschweren Sie sich darüber", sagte er zu mir. „Die Republik wird nicht billigen, daß er vor mir zu wählen gewagt hat,- sie wird ihn veranlassen, sie der Sammlung zurückzuerstatten, und Sie werden wieder auf Ihre Rechnung kommen." Bei diesen Worten ließ er sich eine Leiter herbeiholen und schrieb mit Kreide auf drei umfangreiche Gemälde in großen Lettern „Republkque Francakse". Es war ein Tintoretto, Roelant Savery und eine schöne Kopie von Rubens, die er für ein Original hielt. Als wir durch den Hofgarten nach der Galerie schritten, die ich geräumt zu finden hoffte, begegneten wir dem General Decaen, Richard und mehreren anderen, die mit ihren Frauen spazieren gingen. Sie wollten uns alle begleiten, um dem Kommissär beim Ausplündern behilflich zu sein. Wie groß war aber meine Überraschung, als ich sah, daß man kein einziges von den Bildern, die infolge der weisen Sparsamkeit unseres Rates zurückgeblieben waren, weder weggeschafft noch versteckt hatte. Dörner und Dkllis, ebenso vertrauensselig auf die französische Loyalität als der Rat, hatten sich diese Mühe erspart und gaben die Gemälde dadurch der Habgier des Feindes preis.

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