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10. Der Gregori.
Der Pabst Gregor IV., ein Freund der Jugend und der Schulen, stiftete im Jahre 830 ein Fest für die Schulkinder, welches in älteren Zeiten am Gregoriustage (12. März), wohin zugleich der Schluß der Winterschule siel, gefeiert ward. Es wurden hiezu aus den Schulkindern drei Knaben gewählt, von denen iner den Bischof, die andern beide seine Pfarrer, die übrigen Knaben aber verschiedene Stände, als Handwerker u. dgl. vorstellten. Am Festtage selbst erschienen die Knaben, nach ihren angenommenen Würden und Ständen gekleidet, in der Schule und zogen von da, ihren Bischof in der Mitte, in die Kirche, wo eine Predigt mit Hochamt abgehalten wurde. Nach der Predigt wurde von den Kindern das Gregoriuslied: „Hört, ihr Aeltern, Christus spricht", gesungen, worauf der kleine Bischof eine ihm einstudirte Rede in Versen hielt. Nach geendetem Gottesdienste zog der kleine Bischof, statt des Krumstabes eine große Bretzel auf einer Stange tragend, mit feinen Gefährten durch die Stadt, wobei sie von allen Seiten Kuchen und anderes Backwerk geschenkt erhielten.
Noch in der Münchener-Schuelmaister-Ordnung vom Jahre 1563 heißt es: „mit dem Gregori oder Umgehen zu St. Gregortentag soll es hinfüran noch wie vor Alters her gehalten werden, und ein jeder Schulmeister mit seinen Kindern denselben zu einer Freud und Ergötzung züchtig umgehen. Aber zu der Mahlzeit, so nach dem Umgehen gehalten worden, soll hinfür Niemand verbunden sein, seine Kinder zu schicken, sondern in eines Jedweden freien Willen stehen, ob er seine Kinder bei dem Schulmeister will essen und zehren lassen oder nicht."
Im Verlaufe der Zeit aber änderte sich dieser Gebrauch als veraltet und unpassend gänzlich, und gestaltete sich eine Art Maifest daraus. Beiläusig vierzehn Tage vor Jakobi, an einem schönen Tage, erschienen die Schulkinder, Knaben und Mädchen, nachdem sie Morgens einem Gottesdienste beigewohnt hatten, feierlich gekleidet Nachmittags mit ihren Aeltern und Lehrern auf der ehemaligen Schießstätte vor dem Karlsthore, wo sie sich mit verschiedenen Spielen belustigten und mit Speise und Trank bewirthet wurden.
Der alte biedere Westenrieder fand an dieser löblichen Einrichtung noch feine herzliche Freude, indem, wie er in seiner Beschreibung von München bemerkt, es richtig und schön ist, die Kinder zur Freude zu versammeln, und kein Anblick herrlicher sei, als etliche hundert Kinder auf einem Platze in verschiedenen Freudengruppen zu sehen.
Bei unserer vorgeschrittenen Erziehungsweise, die anstatt fröhliche Kinder so rasch als möglich altkluge Treibhausgewächse heranzubilden sucht, sind auch in München diese harmlosen Kinderbelustigungen seit ungefähr 50 Jahren verschwunden; nur hin und wieder auf dem Lande wird der Kinder-Gregori noch gefeiert.