Münchner Sagen & Geschichten

Herzog Sigmunds Denk- und Wahrstein

Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 83)


Herzog Sigmund erbaute, wie Jeder weiß, den Lieb-Frauen-Dom.

Nun ließ er seiner Zeit zwei Stein-Tafeln links und rechts neben dem Kirchthor unter der großen Sonnenuhr anheften. Auf der links steht eingegraben:
Anno dm. m ecce jm Irvm jar ist d´ pau angefangen acht tag nach unser lieben frauen tag zw liechtmeß Anno 1488 ward der Bau vollendet.

Auf des Baumeisters Grabstein in der südlichen Frauenthurmhalle steht geschrieben:
Ao. Dom. 1488 an montag nach sant michelstag starb
maister Jörg (Gankoffen) von Halsbach maurer dies Gothhaus
unser lieben frawen, der mit der hilf goß und seiner hant
den erstn den mittln und den löstn stain hat vollfuert an
diesem pau. der lait hie pegraben und Margret sein eliche
hausfrau. den got genadig sei.

Zur Rechten unter besagtem Kirchthor, geradeüber vom Denkstein des Kirchanfanges, ließ Herzog Sigmund in die Mauer einen Denkstein für sich selbst einsetzen. Auf demselben ist er in knieender Figur zu sehen, und unten die längere, lateinische Inschrift spricht seine Andacht zu Gott und seine Verehrung für die Jungfrau Maria aus, weshalb er gelübdeweise den Dom gestiftet und auferbaut habe.
Zu oberst sprechen zwei lateinische Verse:
Clam fortuna ruit fragili pede, tempus et hora,
Nostraque sunt semper facta dolenda nimis.
von der Flüchtigkeit des Glückes, der Beklagenswürdigkeit und der Werthlosigkeit aller irdischen Thaten.

Als sich besagter Herzog diesen Sinnspruch ausersah, war er 29 Jahre alt und soll etliche Jahre früher von großer Liebe für eine bürgerliche Jungfrau erfüllt gewesen sein, so daß er sich zu allen Opfern bereit erklärt habe, um sie zu seiner Gemahlin zu gewinnen. Er überließ dann auch bekanntlich das Regiment an seinen Bruder, Albrecht den Weisen. Nun klingt es da und dort an, als sei jene schöne Jungfrau einem Anderen zum Altar gefolgt; andererseits weiß Jeber, daß der Herzog sein Leben lang unverehelicht blieb, und so könnte es wohl sein, daß die zwei Zeilen einen noch besonders tiefen Sinn enthielten. Nämlich daß der Herzog in ihnen einen leisen Klageruf seines, in Liebe verunglückten Herzen, nebst der Vergeblichkeit seiner Entsagung auf das Regiment verewigen wollte. Insoweit könnte die obere Schrift ja wohl als ein geheimes Wahrzeichen gelten.

Jedenfalls scheint sich aber Herzog Sigmund später doch mehr getröstet zu haben, wie es denn geschrieben steht, er habe seine Zeit im Schlosse Blutenburg, nicht all zu weit von München, fromm-fröhlich zugebracht und viel Sinn gehabt für schöne Frauen, gute Cantores vel Singer und allerlei bunte Vögel.

Näheres darüber kann hierorts nicht ergehen.


 Dom

 Sigmund Herzog von Bayern

I.M. Mayer Kgl. Hofsattler und Kutschenfabrikant