Münchner Sagen & Geschichten

Rings in der Altstadt

Kloster und Kirche der Theatiner

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 61)


Von dem Kurfürsten Ferdinand Maria und seiner Gemahlin Henriette Adelheid von Savoyen wurden infolge eines Gelübdes
Kloster und Kirche des heiligen Kajetan erbaut, sowie auch die ersten Theatinermönche nach München berufen. An der Stelle, wo in den Jahren 1665 — 1675 der gottgeweihte Bau sich erhob, stand zuvor, hart am Stadtwall, neben dem Zeughaus, der kurfürstliche Hundezwinger und Falkenhof. Der Plan der TheatinerKirche stammt von dem Hofarchitekten Agostino Barelli oder Barella; die Türme hat später Enrico Zuccali, die Fassade Franz Cuvilliés vollendet.

Es war die erste große BarockKirche Münchens: der Entwurf traf ganz den italienisch-französischen Geschmack der Kurfürstin, wogegen der Theatiner P. Pepe vergeblich einwandte, daß ein so prunkvoller Bau dem Ordensgelübde der Armut nicht entspräche. Fast gleichzeitig mit der Kirche entstand das Kloster, erbaut von Lorenzo Petri aus Como.

Die Ordensregel der Theatinermönche schloß in sich die Verpflichtung zu strenger, apostolischer Armut. Sie durften bloß von Almosen leben und zwar von solchen, die ihnen unaufgefordert gespendet wurden. Nur wenn ihnen drei Tage lang gar keine Nahrung zuflöße und keine Hilfe sich zeigte, waren sie berechtigt, ihre Not nach außen kund zu tun. Deshalb gab es im Kloster eine eigens hierfür gegossene „Hungerglocke". Durch achtundfünfzig Jahre, von der Vollendung des Klosters 1669 bis zum Jahr 1727 sorgte jedoch der kurfürstliche Hof so treulich für die frommen Klosterinsassen, daß sie nicht in den Fall kamen, die Hungerglocke zu ziehen; und die übrigen mildtätigen Münchner verließen sich allmählich auf diese Fürsorge und dachten nicht mehr, ihr nachzuhelfen. Da geschah es eben in dem genannten Jahr, daß der Hofbedienstete, der für den Unterhalt des Klosters aufzukommen hatte, wegen Urlaub oder Krankheit durch einen anderen, lässigen vertreten wurde, und so ertönte plötzlich das bis dahin nie gehörte Läuten der Hungerglocke von St. Kajetan. Als die Leute in der Stadt erst herausgebracht hatten, welche Glocke das sei und was sie bedeute, entstand ein allgemeiner Wetteifer, die Theatiner, die getreulich ihre drei Hungertage durchlitten hatten, mit allem Nötigen zu versehen und zu erquicken. So waren sie durch die reichlichen Spenden vom Hof und von der Einwohnerschaft auf Wochen hinaus versorgt; und hernach soll es, solange das Kloster bestand, nämlich bis 1802, nur noch einmal geschehen sein, daß die Hungerglocke geläutet werden mußte.

Trotz ihrer Armut besaßen die Theatiner übrigens eine prachtvolle Bibliothek von gegen 10 000 Bänden, die sich im rückwärtigen Teil des Klosters gegen den Salvatorplatz hin befand, leider bei einem großen Brande im Jahre 1770 stark vermindert wurde.

Unter den Ordensangehörigen in München erlangte besonderen Ruhm Pater Ferdinand von Sterzinger, geboren zu Innsbruck, gestorben zu München 1786. Zuerst wirkte er in München als Professor der Philosophie von 1753 — 1756 und kehrte, nach dreijährigem Aufenthalte in Prag, an die Stätte seiner früheren Tätigkeit zurück, um sie nicht mehr zu verlassen. Er ward zum Superior der Theatiner und zum Mitglied der vom Kurfürsten Max III. Joseph neu gestifteten Akademie der Wissenschaften gewählt. In dieser hielt er 1766 seine, größtes Aufsehen erregende, auch im Druck erschienene Rede: „Von dem gemeinen Vorurteile der wirkenden und tätigen Hexerei."

In München, wie anderwärts, hatte im 16. und 17. Jahrhundert der Hexenwahn href='../../lexikon/d_lexikon.php?fw=Hexenwahn'>Hexenwahn schauerlich gewütet und blutige Opfer gefordert. Ein eigener Hexenturm href='../../lexikon/d_lexikon.php?fw=Hexenturm'>Hexenturm bestand zur Einkerkerung der Unglücklichen, die auf Zauberei peinlich verklagt waren. Seit 1682 war er mit dem Falkenturm, wo der Kriminalarrest sich befand, durch eine Galerie verbunden.

Die letzte Hexe in München ward erst 1701 öffentlich hingerichtet; darnach, im Jahre 1746, war nochmals ein ausführliches Gesetz erlassen worden, das die Zauberer, Teufelsbeschwörer usw. mit dem Tode bedrohte. Selbst Kreittmayrs Kriminalkodex vom Jahre 1751 setzte noch Strafen für diese Verbrechen fest. Also gehörte ein hohes Maß von Unerschrockenheit dazu, Das, was vielen geradezu geheiligte Wahrheit dünkte, so offen, wie Pater Sterzinger es tat, als Träumerei und Aberglauben zu brandmarken. Die zahllosen Angriffe, denen er dafür ausgesetzt war, entmutigten ihn nicht, vielmehr schlug er sie in Wort und Schrift tapfer zurück, bis ein Verbot des Kurfürsten der heftigen literarischen Fehde ein Ziel setzte. Aber Sterzingers Vorgehen gegen den Hexenwahn href='../../lexikon/d_lexikon.php?fw=Hexenwahn'>Hexenwahn hatte tiefen Eindruck gemacht und trug seine Früchte so gut, wie etwa das des edlen Jesuiten Friedrich von Spee oder inprotestantischen Landen das des Thomasius.

In den Räumen des einstigen Klosters befindet sich heute das Ministerium des Innern. Die Kirche von St. Kajetan ward nach der Aufhebung des Klosters Hof- und StiftsKirche. Sie enthält die dritte der bayerischen Fürftengrüfte. Von 1779 an sind die Regenten des wittelsbachischen Hauses hier bestattet worden, mit Ausnahme Ludwigs I., der seine Ruhestätte in der von ihm gestifteten Basilika des hl. Bonifazius fand und Ludwigs II., der in St. Michael ruht, sowie des letzten Königspaares, das wieder in der FrauenKirche beigefeht ward. Noch verband ein seltsamer Münchner Volksglaube die St. KajetansKirche mit dem ehemaligen Herrschergeschlecht; es ging nämlich die Rede: wenn die Theatineruhr still stehe, zeige das jedesmal einen Todesfall im Königshaus an.

Literatur

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Stadtmodell von Sandtner