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Raff - So lang der alte Peter... (Seite 66)
In der Pfandhausstraße liegen einander gegenüber zwei Kirchen, die an schwere Zeiten gemahnen.
Die Karmeliterkirche, jetzt Studienkirche, an der Ecke der Pfandhausstraße, führt ihr Entstehen auf den dreißigjährigen Krieg zurück. Herzog (später Kurfürst) Maximilian I. hatte sich eigens für den böhmischen Feldzug des Jahres 1620 vom Papst Paul V. als geistlichen Führer den General der Barfüßer-Karmeliten, Pater Dominicus a Jesu Maria erbeten. Der schon 60 jährige Ordensmann, ein Spanier von Geburt, weissagte vom Augenblick des Eintreffens an den Sieg. In der Schlacht „am weißen Berge" ritt er auf einem Schimmel, das Kruzifix in der Hand, mitten unter den Streitern und begeisterte sie durch seine feurigen Worte dermaßen, daß ein großes Verdienst um den Sieg ihm zugeschrieben ward. Der Herzog tat daraufhin das Gelübde, den Barfüßer-Karmeliten in München ein Kloster zu erbauen, wie es schon sein Vater geplant hatte. Aber die Zeiten waren der Erfüllung dieses Gelübdes nicht günstig: die ersten Karmeliter, die neun Jahre später nach München kamen, mußten als Wohnung mit der Herzog Maxburg vorlieb nehmen und ihre gottesdienstlichen Handlungen in der ihnen zugewiesenen zweiten Nikolauskirche ausüben. (Das erste Nikolauskirchlein mit dem Beinamen „zum Haberfeld" stand bei dem „Konradshof," einer Besitzung des Klosters Schäftlarn und gehörte zu den Bauten, die dem monumentalen Bau der St. Michaelskirche hatten weichen müssen. Vor jener alten Kirche hatte ehemals, zum Entzücken der Kinder, die „Niklodult", gleich dem jetzigen Kripperl- und Christkindlmarkt, stattgefunden.)
Erst im Jahre des westfälischen Friedens waren die Karmeliter durch verschiedene ihnen zugeflossene Schenkungen im Stande, ein eigenes Gebäude gegen den Kreuzplatz (die heutige Pfandhausstraße) hin zu erwerben, und erst unter Kurfürst Ferdinand Maria konnte der Bau einer Kirche begonnen werden, die 1660 eingeweiht ward. Ihr Baumeister war Hans Konrad Asper aus Konstanz.
Am Hochaltare der Kirche befand sich ein großes Gemälde vom Hofmaler Pfleger, das oben die heilige Dreifaltigkeit mit der Gottesmutter und vielen Heiligen, unten den Kurfürsten Max mit seinem Hofe und dem berühmten Pater Dominicus zeigte. Darunter stand folgender Vers:
Der große Geist des Dominic obsieget,
Als dem der Feinde Stolz und Hochmut unterlieget.
Des Dominic Gebet, des Herzogs Heldenwaffen,
Die Beide nur allein so können Wunder schaffen.
Das kriegerische Auftreten des Karmeliterpaters, der in München eine so populäre Gestalt geworden war, wie später in Tirol der Kapuziner Joachim Haspinger, veranschaulicht auch ein Wandgemälde im alten Nationalmuseum und ein Bilderzyelus der sich heute in der Münchner Taubstummenanstalt befindet.
Das Kloster der Karmeliter erstreckte sich schließlich durch die ganze Karmelitenstraße und westlich bis in die heutige Pfandhausstraße. Ein sehr beliebtes Brauhaus gehörte dazu und die Apotheke des Klosters. Nach der Säkularisation wurde diese auf den Promenadeplatz verlegt, wo sie heute noch unter dem Namen „Karmelitenapotheke" besteht.
Im Jahre 1802 ward das Kloster aufgehoben. Die bisherigen Klosterräume wurden zum Teil als Lyzeum und Gymnasium eingerichtet. An Stelle des bald darnach abgebrochenen Bräuhauses erstand der Neubau für das gregorianische Seminar, welches zuvor in der Neuhauserstraße seine Stätte gehabt hatte. 1808 wurde das neue Studentenseminar eröffnet; aus ihm ward nachmals das Kgl. Erziehungsinstitut für Studierende, das nach seinem Leiter, dem berühmten Pädagogen Benedikt Holland (geb. 1775, gest. 1855), einem ehemaligen Benediktiner, auch die Bezeichnung „Hollandeum" oder „holländisches" Seminar erhielt. Ebenfalls aus jener Zeit schreibt sich der Name Studienkirche, den die Kirche heute noch führt.
Im Jahre 1840 wurde das ganze Erziehungsinstitut der Leitung des Benediktinerordens unterstellt und zwei Jahre später auch das Ludwigsgymnasium, das den noch übrigen Teil der Klosterbauten einnahm, dem Orden übertragen. Bis 1855 haben die Patres der Abtei Metten, von da an die der neu gegründeten Benediktiner-Abtei St. Bonifaz in München achtunddreißig Jahre lang die vereinigten Erziehungsanstalten geleitet; darnach war das wegen Überbürdung der Ordensgeistlichen nicht mehr möglich. Heute sind beide Institute getrennt.
Als ehemals bei der Aufhebung des Klosters die Grüfte geräumt wurden, trat kein Geringerer als Lorenz von Westenrieder dafür ein, daß die Räumung nicht mit gewohnter fahrläsiiger Eile, sondern mit einiger Sorgfalt geschähe. Denn unter diesen Grabstätten befanden sich geschichtlich merkwürdige, wie die des kurfürstlichen Kanzlers Johann Adlzreiter, des bayerischen Geschichtsschreibers, sowie der Fürsten und Grafen von Porzia, denen das gleichnamige schöne Palais in der Promenadestraße (jetzt der Museumsgesellschaft zu eigen) gehörte. Auch zwei Erinnerungen an den Türkenkrieg hatten Kirche und Totenreich aufzuweisen. In die Kirche hatte 1664 der kurfürstliche Rittmeister Pendler von Penfelden eine Standarte und Votivtafel nebst einer Jahresmesse gestiftet, zum Andenken an das Treffen mit den Türken bei St. Gotthart am Fluße Rabenitz in Ungarn. Ein zweites Überbleibsel jener Zeit war ein Gerippe ohne Kopf, das sich bei der Räumung der Grüfte vorfand. Es war der Leichnam eines Obersten aus einer gräflichen Münchner Familie, der bei der Erstürmung von Belgrad gefallen war und dessen abgeschnittenen Kopf die Türken nach Konstantinopel geschickt hatten, während der Leichnam der trauernden Familie übergeben worden.
Schräg gegenüber vom Karmeliterkloster mündet als Fortsetzung des Rochusberges die Rochusstraße.
Die Dreifaltigkeitskirche, welche die Ecke der Rochusstraße bildet, leitet ihr Entstehen von den schweren Schicksalsschlägen her, die zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts über Bayern hereinbrachen. Als nach der unglücklichen Schlacht am Schellenberg, 2. Juli 1704, die österreichischen Truppen gegen München vordrangen, herrschte in München Verstörung und Entsetzen. Jedermann dachte an Flucht, die Stadt ward von Vielen für verloren gehalten, weil Mord, Brand und Plünderung besorgt wurden. Eine fromme Jungfrau, mit Namen Maria Anna Lindmayr, die von frühem Alter an Visionen gehabt hatte, erklärte damals aus innerer Eingebung, daß nichts geschehen werde, wenn die ganze Gemeinde Gott das Gelübde machen wollte, zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit eine Kirche zu bauen. Die Dame, zu der sie dies gesagt, eilte alsbald zu der Kurfürstin Theresia Kunigunde und hinterbrachte ihr die tröstlichen Worte. Binnen wenig Tagen ward in ganz München davon gesprochen und zuletzt beschlossen, daß die drei Stände: Geistlichkeit, Adel und Bürgerschaft, das Gelübde machen wollten. Dies geschah am 17. Juli desselben Jahres auf dem Rathause „mit solchem Eifer, Inbrunst und Zustimmung aller gegenwärtigen Bürger, daß alle reichliche Zähren vergossen und das Versprechen gaben, sie wollten nach Maß ihrer Hantierung dazu beitragen." Das Gelübde ward hernach in der Liebfrauenkirche vor ausgesetztem Allerheiligsten beim feierlichen Gottesdienst vorgelesen. Es wurde darin die göttliche Allmacht angefleht, sie wolle „bei diesen gefährlichen bevorstehenden Kriegsläufen die wohlverdiente Strafe barmherzig aufheben und alle anscheinende feindliche Gefahren, Brennen, Not und Drangsale, sowie auch Krankheiten gnädiglich abwenden und hievon die hiesige Haupt- und Residenzstadt und gesamtes Vaterland befreien, mithin den erwünschten lieben Frieden und Ruhestand angedeihen lassen, hauptsächlich auch unseren gnädigen Chur-Landesfürsten und Herren, nebst dem ganzen durchlauchtigsten Churhaus mildreichst protegiren und konserviren." Hiergegen gelobten die drei Stände, zur untertänigst schuldigen größeren Verehrung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit eine Kirche erbauen zu lassen und außerdem „die Sünden und Laster, welche leider bisher allzusehr überhandgenommen haben, nach besten Kräften abzulegen und zu vermeiden."
Sieben Jahre stand es an, bis mit Erfüllung des Gelübdes begonnen und der Grundstein der Kirche gelegt ward. Fast gleichzeitig mit ihr entstand ein Kloster der unbeschuhten Karmelitinnen, auf dem Boden eines Hauses, das ehemals dem Kloster Altomünster gehört und in dem Maria Anna Lindmayr ihre Jugend verbracht hatte. Beim Sammeln der freiwilligen Beiträge für Kirche und Kloster bewährte sich Maria Annas unerschütterliche Werbekraft; dem letzteren kam außerdem die Verlassenschaft des kurz vorher verstorbenen herzoglichen Paares Max Philipp und Mauritia Febronia (Onkel und Tante Max Emanuels) zugute. Fast wie Ironie berührt es, daß Graf Löwenstein, der kaiserliche Administrator, den Grundstein zu der Kirche legte — trotzdem diese, dem Wortlaut des Gelübdes nach, in patriotischen Schmerzen und Wünschen ihren Ursprung hatte, und trotzdem zur Zeit jener Grundsteinlegung Solche, die den inzwischen niedergeworfenen bayerischen Aufstand aus Patriotismus gefördert hatten, noch in grausamer Gefangenschaft schmachteten.
Der kurfürstliche Hofbaumeister Viscardi hatte die Pläne der Kirche entworfen und leitete persönlich den Bau; nach seinem Tode ward dieser durch den Karmeliter-Pater Dominikus a Sancta Euphrosina vollendet. 1718 war die Einweihung. Das Kloster, gegen das zu Anfang einiger Widerstand des Stadtrats sich erhoben hatte, ward durch den gleichen Pater Dominikus erbaut und schon 1714 eingeweiht; in ihm nahm Maria Anna Lindmayr selbst den Schleier. Sie erlebte den endgültigen Frieden und die Rückkehr des rechtmäßigen Landesfürsten, starb im Rufe der Heiligkeit 1726.
An den Innenwänden der Kirche, zu beiden Seiten des Portals, sind zwei Marmortafeln angebracht, die in lateinischer und in deutscher Sprache die Ursache und den Hergang des frommen Baues berichten. Die deutsche Inschrift schließt mit den Versen:
„Die Stadt läg in dem Grund,
Wann diese Kirch nit stund."