Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Raff - So lang der alte Peter... (Seite 90)
Die Donau hinab gleitet ein Schiff, schwer beladen mit allerhand Kirchenschmuck, malerischem und bildnerischem. Die kunstreiche Fracht ist bestimmt für Kloster Weltenburg; einer der Künstler, die den Kirchenschmuck geschaffen, sitzt bei den Schiffern im Boot. Da geht ein Wind auf und erregt die Wasser; das Schiff, hin- und hergeworfen, läuft Gefahr, an den felsigen Ufern zu scheitern. Die Schiffer kämpfen und mühen sich schwer; der Mann im Boot hegt Bangen um das Schöngeschaffene, das er geleitet und um das schön zu Schaffende, das er in sich trägt. Rasch kreuzen sich die Gedanken, die ihm die Not eingibt; einer davon haftet an der unlängst vernommenen Kunde von der Heiligsprechung des Johann von Nepomuk, den der grausame König Wenzel in die Moldau stürzen ließ. Und Egid Quirin Asam ruft den neuen Heiligen um Hilfe an: „Heiliger Johann Nepomuk, hilf uns hindurch!" — Und wirklich! Das kunstbeladene Schiff kam glücklich nach Weltenburg. Aber Egid Quirin Asam erzählte seinem Bruder Cosmas Damian Asam von der Gefahr, die er bestanden und dem Notruf, den er ausgestoßen hatte. Da gelobten die Brüder, zum Dank dem Heiligen eine Kapelle in München zu bauen.
Es währte lange, bis die beiden von Arbeit überlasteten Künstler dazu kamen, ihr Gelübde zu lösen. Egid Quirin erkaufte dafür das Benefiziatenhaus der Armen Seelenbrüderschaft, das an das Wohnhaus der Brüder in der Sendlingerstraße stieß. Der fromme Plan fand den Beifall der Nachbarn so sehr, daß die von vielen Seiten zuströmenden Opfergaben gestatteten, den Bau der Kirche größer als gedacht anzulegen und noch ein Haus anzukaufen. Die beiden Häuser sanken rasch in Schutt, und auf der Stelle erhob sich die neue Kirche. Am 16. Mai 1733, vier Jahre nach Egid Asams Gelübde, ward der Grundstein gelegt. Die rastlose Arbeit der Asams ermöglichte, daß schon zur Weihnacht 1734 das Gotteshaus benediziert und das neue Priesterhaus bezogen werden konnte.
Was fast niemals zutrifft, vereinte sich hier: die beiden Brüder waren Stifter und Erbauer, Bauherren und Baumeister zu gleicher Zeit. Niemand redete ihnen drein; sie konnten in das von ihnen geschaffene Juwel geistlicher Rokokokunst ihre ganze Seele hineinlegen, ihre naive Kindergläubigkeil und ihr schwelgendes Schönheitsgefühl. Die Kirche ist andächtig und geheimnisvoll, dabei schimmernd und freudig; das Wort „gottselig" paßt auf diesen Raum, wie auf wenig andere. Der erste Eindruck ist unbeschreiblich; vergebens wäre der Versuch, solchen Stimmungszauber durch Worte zu schildern. Es währt eine ganze Weile, bis der Beschauer sich der Einzelheiten, die zu dieser wundersamen Einheit verschmolzen sind, überhaupt bewußt wird und den darauf gewandten Reichtum von Phantasie und Können bestaunt.
Auch Züge von einer gewissen Schalkheit fehlen nicht. Als Cosmas Damian Asam einst auf dem Gerüste saß und malte, an dem großen Deckengemälde, das des Kirchpatrons Leben und Leiden verherrlicht, da erfuhr er, was Künstler leicht erfahren: eine unberufene Kritik. Ein Hofstallbediensteter, der den Meister nicht bemerkte, obwohl er ihn persönlich kannte, kam herein und ließ sein Mundwerk in Betreff der einzelnen Bildfiguren wacker laufen. Cosmas Damian rief dem Kritiker vom Gerüst eine launige Drohung herab: ihn dafür zu verewigen. Und malte das nicht eben geschmeichelte Bild des Betroffenen auf das Deckengemälde mit hinauf. So wird das Histörchen erzählt.
Die Kirche des Hl. Johann Nepomuk ist eine, aus der Geschichten und Legenden wie von selbst wachsen müssen. Von der Kaiserin Amalie, der Gattin Kaiser Karl VII., deren Liebling das Kirchlein war, heißt es, daß als ihr Töchterlein, Maria Antonia, die nachmalige Kurfürstin von Sachsen, auf den Tod krank lag, die trostlose Mutter hierher eilte und inbrünstig um ihres Kindes Genesung betete. Noch während sie kniete, kam ein Bote, um ihr anzusagen, daß eine Krisis eingetreten und die Gefahr glücklich vorüber sei. Von Stund an ging es täglich besser, und die kleine Prinzessin genas.
Eine andere Geschichte, freilich eine von traurigem Klang, knüpft sich an die prachtvolle Monstranz, die zu den Kleinodien des Kirchenschatzes gehört und ganz aus dem geschenkten Geschmeide frommer Stifter und Stifterinnen gefertigt ist. Einmal waren in der Sendlingergasse zwei junge Leute miteinander versprochen, Sohn und Tochter aus angesehenen wohlhabenden Bürgerfamilien. Die Brautleute waren so schön als brav und hatten einander von Herzen lieb. Am Vorabend ihrer Hochzeit empfingen sie gemeinsam in der JohannisKirche das heilige Abendmahl. Darnach ging der Bräutigam heim und half Bierfässer in den Keller hinablassen. Da riß das Seil und ein schweres Faß, das gerade auf den jungen Mann herrollte, drückte ihm die Brust ein. Der Jammer der Seinigen, vor allem aber der Braut, war unbeschreiblich. Sie tröstete sich auch nachmals nicht, sondern kränkelte und siechte dahin und folgte ihrem Bräutigam bald im Tode nach. Den Brautschmuck aber, den sie von ihm empfangen hatte, die goldene Kette samt den Ohrgehängen, sowie den schweren silbernen Brautgürtel, vergabte sie der JohannisKirche, wo sie ihren Liebsten zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Das war das erste Opfer zu jener wertvollen Monstranz.
Als während der Ära Monlgelas alles Kirchensilber zum Einschmelzen in die Münze gebracht werden mußte, war auch diese Monstranz schon dorthin abgeliefert. Das reute aber die Pfarrkinder der JohannisKirche so sehr, daß mehrere Wohlhabende sich zusammentaten, die Monstranz wieder auslösten und sie der Kirche zurückgaben. Wie dies damals noch mit vielem Anderen, so mit St. Bennos silbernem Brustbild in der FrauenKirche geschah.
Von dem berühmten Salva Guardia-Bild der Ridlernonnen, das heutzutage die JohannisKirche ziert, ist schon die Rede gewesen. Aber ehe all das kostbare Gut hineinkam, und ehe so vieler Menschen innerstes Erleben an die Kirche sich knüpfte, mußte noch lange Zeit vergehen. Verstrichen doch schon zwölf Jahre zwischen dem Tage, da sie benediziert worden und dem der endlichen Vollendung und Einweihung. Als es soweit war, da lebte von den kunstreichen Brüdern Asam nur einer noch. Der feurige stattliche Cosmas Damian war während der inneren Ausgestaltung des Baues gestorben — 1739 — und seiner früh vorangegangenen Gattin, der lieblichen Marianne Mörl, gefolgt. Noch auf dem Sterbebette hatte er nach Papier und Zeichenkohle verlangt. Der zärtere Egid, die Seele des Kirchenbaues, empfand das Fehlen des brüderlichen Genossen wohl nie schmerzlicher, als da er allein der feierlichen Einweihung — 1746 — beiwohnte. Im Jahr darnach starb auch er zu Mannheim, gleichfalls schöpferisch bis zuletzt. — Keiner der Brüder ruht in der Kirche, der sie die Hauptkrasft ihrer letzten Jahre weihten. Nur der Grabstein von Egids Gattin, ohne Datum und nähere Bezeichnung, ist darin gefunden worden.
Am Portal der St. Johann-NepomuksKirche, der das Asamhaus — heutiges Priesterhaus - sich als reizvollste Fortsetzung und Ergänzung anschmiegt, sind zu beiden Seiten große Felsstücke angebracht. Die sollen auf jene Felswände am Donauufer hindeuten, wo einst das Schiff der Künstler dem Untergang entrann.