Münchner Sagen & Geschichten

Die Jakobi-Dult. 1392

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Unser bayerischer Geschichtsschreiber Westenrieder führt in seiner Beschreibung von München, Seite 271, Folgendes an:

„Der Jakobimarkt ist bei Gelegenheit des Portiunkula-Ablasses erntstanden, welchen Pabst Bonifacius IX. im Jahre 1481 der Kirche zu St. Jakob auf dem Anger, wegen heil. Reiliquien, die man auf dem Berg Andechs gefunden, und in das Klarissinenkloster am Anger versetzt hat, verlieh, Da sich nun dieser Ablaß bis auf die Okrav St. Jakobs erstrecket, und sich dabei täglich eine unzählige Menge Volkes versammelt hat, so ist ein privilegirter Jahrmakt aufgerichtet worden, den man davon, weil selber vom Indulto angefangen, in deutscher Sprache die Jakobidult nennt.“

Diese Angabe des gelehrten und fleißigen Geschichtsforschers ist in den Volksmund als Sage übergegangen, ist aber großentheils unrichtig.

Nicht im Jahre 1481, sondern beiläufig um das Jahr 1390, also beinahe ein Jahrhundert früher, unter den drei Herzogen Friedrich, Stephan dem Knäufel und Johann geschah es, daß ein Minoritenbruder, Namens Jakob Dachauer, da er eben am Hochaltare der Kirche zu Andechs die hl. Messe las, eine Maus erblickte, welche aus einem Loche ein Pergamentblatt hervorschleppte. Als der Geistliche dieses Blatt ergriff, fand er, daß es ein Verzeichniß von 288 Reliquien und Heiligthümern enthalte, welche an dieser Stelle vergraben seien. Wirklich wurden diese aus dem Boden an das Tageslicht gebracht, und zur öffentlichen Verehrung ausgesetzt. Weil aber die Klosterkirche zu Andechs für die Menge der herbeiströmenden Gläubigen zu klein war, so ließ herzog Stephan diese Heiligthümer in das Kloster zu St. Jakob auf dem Anger in München überbringen, und auf seine Bitte verlieh der Segen-Pabst Bonifacius IX. (regierte von1389 bia1404, also nicht erst im Jahre 1481) der Stadt München ein Gnadenjahr mit der Bedingung, daß die Hälfte der geistlichen Einkünfte aus dieser Gnadenzeit dem heiligen Stuhle überlassen würden. Dieses grope Gnadenfest währte von Ostern bis zum Jakobitag 1392. Aus aallen deutschen Ländern strömten nun Tausende und aber Tausende von Andächtigen herbei; nach Angabe eines zeitgenossischen Geschichtschreibers betrugen deren Geldspenden an der Kirche Täglich einen Augsburger Metzen Regensburger Pfenninge; 40 Geistliche spendeten täglich die heiligen Sakramente. Natürlich zog eine solche Menschenmenge auch eine Menge anderer Leute, nicht nur für Speise und Trank, sondern auch zum Vergnügen herbei, als Kaufleute, Gaukler, Spielleute und selbst fahrende Fräulein.

Völlig irrig und unhaltbar ist aber die Meinung, daß von diesem Ablasse, zu lateinisch indultum, der Name Dult herrühre. Dieses Wort ist vielmehr ein altdeutsches, und kömmt zuerst, schon in der gothischen Bibelübersetzung der Ulphilas, - zu Ende des 4. Jahrhunderts, - vor, in welcher er die Stelle Lukas Kap. 2 V. 41: „zum Osterfeste“ mit al dulth paska, übersetzt. In der Uebersetzung der Regel des heil. Benedikt vom Mönche Kero von St. Gallen um das Jahr 720 ist „Fest“ mit „tult“, und in des Mönches Rotker von St. Gallen Psalmenübersetzung († im J. 1022) das Wort „Festtag“ mit tuldtag übersetzt.

Diese altdeutsche Bezeichnung der Bedeutung „Fest“ mit „Dult“ wurde später nicht auf Kirchenfeste allein beschränkt, sondern auch auf andere weltliche Feste, namentlich auf Jahrmärkte übertragen. In einer Münchener Stadt-Verordnung aus dem Anfange des 4. Jahrhundertes (sieh vo. Gutners Gew. Münchens in den historischen Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1813, Bd. II. S. 541) heißt es: „An Sant Jakobstag an dem Anger an dem rechten tultmarkt.“ Aus dieser letztern Stelle geht mit vollster Evidenz hervor, dass die Münchener Jakobi-Dult nicht erst durch den Ablaß der Jahres 1392 entstanden ist, sondern dass sie schon hundert Jahre früher an der St. Jakobskirche auf dem Anger abgehalten wurde und den Namen Dult trug. – Allein nicht nur in München, sondern auch an andern Orten kommt dieser Name schon weit früher vor, z. B. „Es soll auch der Richter um und um in einer Meile das Schenken verbieten auf dem Gäu, als allein nur auf den Tulden (Traunsteiner Stadtordnung vom Jahre 1375)., Im Jahre 1373 gibt Herzog Stephan der Stadt Landsberg eine freie Dult und einen zollfreien Jahrmarkt. (Lori Lechrain f. 72). Im Freisinger Stadtbuche, Manuscript vom Jahre 1359, heißt es: Daß kein Gewandhinschneider hier kein Gewand verschneiden soll, dann zu den rechten Dulten und Markten.“

Eine ganz ähnliche Umwandelung dieser Bezeichnung ging auch in anderen Sprachen vor. So ist aus dem lateinischen feriae, mittelallterlich – latein feria (Feiertag) als Benennung für Jahrmakt entstanden: im Spanischen feria, im Italienischen fiera, und im Französischen foire.

Die Münchener Jakobidult nahm daher wohl auf dem Anger vor der Kirche des hl. Jakob ihren Ursprung, aber keineswegs von jenem Ablaße im Jahr 1392, und ebenso wenig leitet sich das Wort Dult vom lateinischen indultum her.

Uebrigens heißt noch heut zu Tage ein Gässchen, welches vom alten Dultplatze auf dem Anger in die Sendlingergasse führt, das „Dultgäßchen“:


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