Münchner Sagen & Geschichten

Der große Bürgeraufruhr in München. 1397 - 1403

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Wir begegnen einer traurigen Epoche verhängnißvoller Zwistigkeiten und Wirren sowohl unter den bayerischen Fürsten, als auch unter der Bürgerschaft von München, die während einer Reihe von mehreren Jahren nicht nur über das ganze Land, sondern insbesondere auch über die Stadt München großes Unglück und unsägliches Unheil brachten.

Von verderblichen Folgen für das Land Bayern waren in älteren Zeiten, wo die Grundsätze der fürstlichen Erbfolge noch schwankend und das Recht der Erstgeburt noch ganz unbekannt war, die Ländertheilungen unter den Söhnen des verstorbenen Herzoges, gewöhnlich Nutztheilungen genannt; denn diese fortwährende Zersplitterung des Landes hindere das Aufkommen Bayerns zu einem großen und mächtigen Staate.

Schon im Jahre 1255, wie wir bereits gesehen haben, geschah die erste Nutztheilung zwischen Herzog Ludwig dem Strengen und seinem Bruder Heinrich, wodurch 

die Rheinpfalz vom Stammlande Bayern abgerissen wurde. Kaiser Ludwig, die üblen Folgen dieser Zersplitterungen wohl einsehen, hatte daher schon durch seine weise Haussatzung von Pavia – 4. August 1329 – die Untheilbarkeit Bayerns festgestellt, und ferner im Jahre 1341 ernst ausgesprochen; „das Ober= und Niederland Bayern solle fürdaß nur ein Land sein, und ungetheilt einem Herrn verbleiben ewiglich. Könnte dieß aber doch nicht geschehen, so soll in Bayern doch zwanzig Jahre nach des Kaisers Tode keine Theilung statt finden und der Sohn, der diese väterliche Satzung umstiße, sollte verstoßen sein von seinem Erbe.“ Dessen ungeachtet aber theilten bald nach der Kaisers Tode dessen Söhne das Land unter sich und die traurige Folge davon war, daß in kürzester Zeit Tyrol, die Mark Brandenburg, Hennegau, Holland und Friesland, welche Länder unter dem großen Kaiser alle zu Bayern gehört hatten, wieder abgerissen wurden und verloren gingen, und somit die bayerische Macht zerfiel.

Einem solchen Kampfe um die Theilung der bayerischen Lande begegnen wir nun jetzt wieder.

Wie wir in einem vorangehenden Bilde erfahren, regierten nach dem Tode des Herzoges Stephan mit der Haft seine drei Söhne Friedrich, Stephan der Knäusel und Johann fünfzehn Jahre lang gemeinschaftlich. In der That aber führten nur die beiden Brüder Stephan und Friedrich die Regierung; denn ihr jüngerer Bruder, Herzog Hohann, genügsam und sparsam den Ergötzlichkeiten der Jagd fast ausschließlich sich hingebend, bekümmerte sich wenig um die Regierungsangelegenheiten. Andern Sinnes aber wurde er, nachdem er sich mit Katharina von Görz, des Grafen Meinhards Tochter, welche ihm zwei Söhne, Ernst und Wilhelm gebar, vermählt hatte. Sei es nun, daß etwa seine Gemahlin in ihrem Ehrgeize sich an seiner bisherigen bescheidenen Zurückziehung und einfachen Hofhaltung nicht mehr gefiel, und auf ihren Gemahl aufregend einwirkte, oder daß Herzog Johann, von Schulden gedrückt, gezwungen war, eine Verbesserung seiner Lage anzustreben, oder daß die Bürger von München, welche im Herzen geheimen Groll gegen die beiden Fürsten Stephan und Friedrich wegen des in einem der vorigen Bilder erzählten Vorfalles mit Hans Impler und ihrer nachgefolgten Demüthigung trugen, und dagegen dem Herzog Hohann anhingen, ihn aufreireizten, und ihm ihre Hilfe und ihren Beistand zusagten. Letzterer begehrte deshalb von nun an an der Mitregierung wirklich Theil nehmen zu dürfen und seinen beiden Brüdern an Gewalt und Nutzen gleich zu stehen. Diese aber, nicht gewillt, ihre bisher geübte Gewalt und Herrlichkeit mindern zu lassen, weigerten sich dessen. Da beschloß Herzog  Johann, sich durch einen Gewaltstreich in seine verlorenen Rechte zu setzten, eilte daher heimlich nach München, und mit Hilfe der Bürger überfiel er plötzlich im Jahre 1392 die aalte Veste in München und nahm sie und damit die Stadt in Besitz. Als seine Brüder, beide eben abwesend, solches erfuhren, wagten sie bei dem Abfalle der Münchener Bürger nicht offene Fehde; vielmehr kamen sie nach vielen Differenzen endlich dahin überein, in Weise der Altvorderen das Land wieder zu theilen. Diese neuerliche unheilvolle Landestheilung, die viele Kriege veranlasste, kam am 

24. November 1392 zu stande. Herzog Johann bekam München sammt Zugehör zwischen der Isar und dem Lechrain, und vom Fuße des Gebirges bis Regensburg, Herzog Stephan Ingolstadt und alles was dazu gehörte, und Herzog Friedrich erhielt Landshut und Niederbayern, den größten und schönsten Theil. Durch diese Theilung entstanden die drei Linien, Bayern=München, Bayern=Ingolstadt und Landshut=Niederbayern.

Nicht lange überlebte Herzog Friedrich von Landshhut diese Theilung, er starb am 4. Dezember 1393 und hinterließ zwei Kinder Heinrich, erst sieben Jahre alt, nunmehr Herzog von Landshut=Niederbayern, und Elisabeth, welche später an den Burggrafen Friedrich von Nürnberg verheiraet wurde und den Kaiser Sigmund zum Markgrafen von Brandenburg machte. Friedrichs Tod war der erste Anlaß zu Misshelligkeiten zwischen den Herzogen von Ingolstadt und München. Herzog Stephan war mit seinen in der Theilung von 1392 erhaltenen unzusammenhängenden Landestheilen sehr wenig zufrieden, und wähnte sich durch diese Theilung sehr verkürzt. Zugleich aber maßte er sich, als ältester Fürst des Hauses, die Vormundschaft des minderjährigen Heinrich an, worin er von der ihm geneigten Ritterschaft von Niederbayern unterstützt wurde. Diese Gährung der Fürsten brach bald in offenbare Thätlichkeiten aus, und die Herzoge von Ingolstadt und München befehdeten sich wechselseitig einander. Man kam allerseits zur Einsicht, daß die Landestheilung von 1392 unhaltbar und die Quelle aller entstandenen Misshelligkeiten sei, und beschloß sie aufzuheben. Durch einen Ausspruch der gewählten und in Landshuat am 

25. September 1395 versammelten zehn Mittelsmänner wurde entschieden, daß die Theilung aufgehoben werde. Oberland und Niederland Bayern wieder zusammen geworfen ein Gut sein, und von den drei Fürsten Stephan, Johann und Heinrich gemeinschaftlich regiert werden solle, so dass also z.B. München in gleicher Weise sowohl den Herzog Stephan und seinem Sohne Ludwig dem Gebarteten, als auch Ingolstadt dem Herzog Johann und seinen beiden Söhnen Ernst und Wilhelm gemeinschaftlich angehörte. Über diesen Ausspruch wurde im Monate November desselben Jahres auf einem Landtage zu Ingolstadt Urkunde errichtet, und die Fürsten empfingen von den Ständen neue Huldigung. Diese gemeinschaftliche Regierung währte anfangs ruhig und friedlich; aber bald sollten wieder neue stürmische Tage kommen.

Herzog Johann von Bayern=München starb am 8. August 1397  und hinterließ drei Kinder, die Herzoge Ernst, und Wilhelm und eine Tochter, Sophia, seit 1393 zweite Gemahling des Königes Wenzel von Böhmen.

Kaum hatte Herzog Johann die Augen geschlossen, so brach die lang verhaltenen Feindschaft zwischen dessen Söhnen Ernst und Wilhelm einerseits, und dem Herzoge Stephan von Ingolstadt und dessen Sohn Ludwig dem Gebarteten anderseits aus. Herzog Stephan, der einst zu seinem Schwiegervater, dem Herzoge Galeazzo von Mailand mit Recht sangen durfte: „Wir haben zu den Unsern in unsern Landen ein solches Trauen, daß kleiner ist, in dessen Schooß wir nicht eine Nacht ohne Sorge schlafen dürften,“ und sein Sohn blickten mit neidischen Augen auf die schöne Stadt München und die geräumige Burg, welche die beiden Söhne Herzog Johanns bewohnten, und sie verhehlten ihren heißen Wunsch nicht, dieselbe allein zu besitzen und als ihren Wohnsitz zu haben. Denn das Haus, welches sie in München am Eingange der Sendlingergasse, - das ehemalige Ruffinihaus, - besaßen, genügte ihrem Ehrgeize nicht. Anderseits aber hegten auch die Herzoge Ernst und Wilhelm gegen ihre Vettern von Ingolstadt große Erbitterung im Herzen, denn Herzog Stephan beanspruchte, als ältester Fürst des Hauses, und auch dem vom verlegten Herzoge Johann  auf seinem Sterbebette geäußerten Wunsche gemäß, die Oberleitung der gemeinschaftlichen Staatsverwaltung, wogegen die Herzoge Ernst und Wilhelm eine solche Unterordnung unter ihren gehassten Vetter sich nicht gefallen lassen wollten. Mit um so größerem Unwillen ersahen daher die beiden Herzoge Ernst und Wilhelm wie ihre beiden Ingolstädter Vettern sich durch herablassendes und einschmeichelndes Wesen die Gunst der Münchener Bürger auf jede Weise zu gewinnen trachteten, wie Herzog Stephan mit den Bürgerinnen und ihren Töchtern freundlich verkehrte, oder wie der gewandte und am französischen Hofe sein geschulte Ludwig der Gebartete mit den Münchener Bürgern gerne beim Weine saß, sich mit ihnen in leutseligen Gesprächen erging, und ihre Frauen und Töchter zum Tanze führte. Darum hingen auch die Bürger in München den Ingolstadter Herzogen sehr an und hätten sie lieber zu ihren Fürsten gehabt, als die beiden Herzoge Ernst und Wilhelm. Die Patrizier aber und die Herrn des Rathes, die in dieser Verhätschelung des gemeinen Bürgers nur Schädigung und Minderung ihres eigenen 

Ansehens ersahen, hielten standhaft zu den Herzogen Ernst und Wilhelm. Wie die Herzoge, so war auch die Bürgerschaft Münchens in zwei feindliche Lager getheilt, und es bedurfte nur eines Funkens, um die Zwietracht zum Ausbruche kommen zu lassen. Und es kam auch dazu. Die ersten Unruhen gingen aber von der Bürgerschaft aus und zwar in einer Richtung, die anfänglich mit dem Zwiste der Herzoge in gar keiner Verbindung stand.

Eine Gährung hatte sich im Laufe des 14. jahrundertes sowohl über die Reichs= als auch anderen Städte Deutschlands verbreitet, welche eine nothwendige Folge Ihrer fortschreitenden Entwicklung war, eine bewegung wie wir sie im alten Rom unter den Grachen gesehen. Wie wir bereits in einem frühren Abschnitte erfuhren, waren die Patrizier im Verlaufe der Zeit zu einer hervorragenden Klasse erwachsen, welches sich im ausschließenden Besitze aller  höheren städtischen Stellen und Würden befand und in deren Händen lediglich die Verwaltung des städtischen Vermögens lag, ohne der Gemeinde darüber zu einer Rechnungsablage verpflichtet zu sein. Die geringeren Bürger wurden von ihnen verachtet, ja oft mit empörender Härte behandelt, und von allen höheren Ämtern, insbesondere vom innern Rathe gänzlich ausgeschlossen. Allein nach und nach traten die Gebrechen dieser Verfassung immer greller zu Tage, ebenso unerschwingliche Auflagen und Lasten der Gemeinden und Vergeudung der städtischen Gelder, Die Gemeinen, erstarkt durch ihre Vereinigungen zu Zünften und Innungen, fühlten die Norhwendgkeit einer Abänderung, und wir sehen sie daher in diesem Zeitalter allenthalben in den Städten im 

Aufstande gegen die bevorrechteten Stadtaristokratie und gegen das stolze Patziziat, wir erblicken in Folge dessen blutige Kämpfe in den Städten mit rücksichtslosen Hinrichtungen, mit Vertreibung oder wenigstens Beschränkung der Patrizier in den höheren magistratischen Stellen; in den bisherigen Rath werden Handwerker aufgenommen, und eine gewisse Zahl von Rathsstellen mit ihnen besetzt, oder eine eigene Abtheilung derselben gebildet. So in den italienischen Städten, ferners in Köln, in Zürich (im J. 1335), in Straßburg, in Regensburg (im J. 1330), in Augsburg (im J. 1368).

Ähnliches geschah auch in München. Diese Stadt erhielt, wie früher bereits erwähnt, ihre Verfassung durch Herzog Rudolf im Jahre 1294, und diese Urkunde ist die eigentliche Magna Charta der Münchener, der die Bürgerschaft ihre Freiheit und ihren Wohlstand verdankte. Um diese ihre erworbenen Rechte und Freiheiten zu schirmen, hatten bereits im Jahre 1384 alle Räthe und die Gemeinde einen feierlichen Eid geschworen, „sich gegen jeden, der ihre guten Briefe, so sie von den Herrschaften haben, irren wolle, wechselseitig beizustehen.“ Um aber die Kraft der Gemeinde zu verstärken, musste schon bei Lebzeiten des Herzogs Johann auf Andringen der Bürger im Jahre 1396 dem inneren und äußeren Rathe ein Kollegium von dreihundert Geschworenen aus der Gemeinde beigegeben werden. Da tauchte im Jahre 1397 unter der Bürgerschaft deas Gerücht auf, daß von Seite des inneren Rathes, der bisher nur mit Patriziern besetzt war, das Gemeindegut gewissenlos verwaltet und vergeudet werde. Je größere Dimensionen dieses Gerücht gewann, desto schwieriger wurde die Bürgerschaft und wuchs die Aufregung. Der geschworene Rath der Dreihundert, seiner ganzen Stellung nach ohnehin schon die Opposition gegen den innern Rath bildend, nahm sich rasch der Sache an, und forderte vor Allem, daß man ihm gestatte, „zwei Redner zu haben.“ Bei der herrschenden leidenschaftlichen Erregtheit musste man ihm diese geben und es wurden als erste zwei Redner die Bürger Poschel und der Chrel, beide der demokratischen Partei angehörig, dem Rathe der Dreihundert beigegeben. Diese beiden im Vereine mit den Dreihundert begannen sogleich ihr Amt damit, dass sie vom inneren Rahte Rechenschaft verlangten, „wo der Stadt Gut hingekommen“, und forderten Rechnungsstellung vom Jahre 1390 an bis 1397. Vergebens weigerte sich dessen der innere Rath, indem er entgegnete, er sei Niemand Rechenschaft schuldig über die vergangenen Jahre, denn jährlich sei ein neur Rath und neue Stadtkämmerer und Steuereinnehmer gesetzt worden, welche bei ihem Austritte jederzeit Rechnung gelegt hätten und hierauf ganz und gar ledig gesagt wurden, oder, wie wir uns heut zu Tage ausdrücken, das Rechnungsabsolutorium erhalten hatten. Allein die Dreihundert, weit enrfernt, sich mit dieser Ausflucht zu beruhigen, bestanden auf ihrer Forderung, so daß der innere Rath endlich nachgeben und ihnen ihre Kammerrechnungen und Steuerbücher mit Zuziehung von Sechsen des Rathes, unter ihnen der Bürgermeister Georg Katzmaier, vorlegen musste. „Nachdem sie nun Wohl vierzehn Tage ob allen Kammer= und Steuerbüchern gesaßen und hin und her rechneten, da fanden sich Einnahmen und Ausgaben gleich, eines wie das andere.“

Dieses formelle Rechnungsergebniß genügte ihnen begreiflicherweise nicht, und sie beschlossen Auszüge aus den Büchern zu machen, und diese den Dreihundert und der Gemeinde behufs einer gütlichen Abgleichung vorzulegen, da sie sich zu einem Entscheid nicht für kompetent erachteten, - was ihnen auch der Rath zugestand.

Aber während diese Differenzen die Gemeinde in Aufregung und Spannung erhielten, brach der Zwist der Herzoge selbst aus.

Herzog Ernst richtete zunächst seinen Groll gegen die Räthe des Herzoges Stephan. Unter diesen waren die herovorragendsten dessen Günstling und Hofmeister Warmund von Pienzenau und Georg von Waldeck. Ersterer, Warmund von Pienzenau, aus altbayerischem Geschlechte, in der Gegend von Miesbach begütert, von großem Reichthume, und dessen Vorfahren als Bitzthum, Pfleger, und Räthe und Kriegshauptleute ihren Fürsten stets gedient hatten, war in München besonders thätig, den Stadtrath und die Bürger für seinen Herzog und dessen Sohn Ludwig den Gebarteten zu gewinnen, weswegen ihm Herzog Stephan hold war und ihm, der wegen eines Darlehens von ihm den Markt Kitzbühel als Pfand besaß, statt dieses ortes das weit einträglichere Rattenberg gab. Darüber trug Herzog Ernst große Feindschaft gegen den Pienzenauer. Gegen Georg von Waldeck scheint aber der Groll des Herzoges Ernst noch größer gewesen zu sein und seine Feindschaft gegen denselben noch tiefer gewurzelt zu haben, obwohl der Waldecker noch im Jahre 1395 der Vermittler des Herzoges Ernst bei seiner Werbung um die Hand der 

Prinzessin Elisabeth Galeazzo von Mailand war. Wir kennen zwar die Ursache dieses Grolles des Herzoges Ernst.nicht, allein Ernst hatte bereits scharfe Drohworte gegen den Waldecker ausgesprochen, so daß dessen Sicherheit als sehr gefährdet erschien. Es wurden daher Vermittlungs=Versuche gemacht, deren Hergang der Bürgermeister Georg Katzmair in seiner handschriftlichen Denkschrift sehr lebhaft schildert und die wir daher nachfolgend unsern Lesern vorführen.

Die Ungelt=Einnehmer von Wasserburg, welche Stadt dem herzog Stephan gehörte, hatten nämlich Münchener Bürgern gehöriges Vieh wegen einer Differenz über das zu zahlende Ungelt aufgehalten. Zur Schlichtung dieser Angelegenheit wurde Bürgermeister Georg Katzmair und der Stadtschreiber Peter Krümbel einige Tage vor Weihnachten 1397 an den Herzog Stephan, der bereits im 68. Lebensjahr stand, abgeordnet. Diesen trafen sie im Gasthause der Adelheid Schimmel in der Burggasse, wo er in Gesellschaft des Herzoges Wilhelm eben aß. An einem anderen Tische saßen Herr Warmund von Pienzenau und Albrecht von Thanheim. Nachdem nun Georg Katzmair seinem Auftrage entsprochen hatte, sprach Warmund von Pienzenau zu ihm: „Lieber Bürgemeister! ihr sollt uns doch erfragen, ob der Waldecker sicher sei von Herzog Ernst oder nit, der Herzog hat gar heftiglich geredet.“ Der Herzog Stephan trat diesem Gesuche bei und sprach: „Lieber Katzmair, das verscht uns!“ Nur ungern und unter Weigern unterzog sich Katzmair diesem Auftrage; erst auf wiederholter Andringen des Herzoges Stephan begaben er und Peter Krümbel sich in die Alte Veste, wo sie von dem 

herzoglichen Hofmeister Albrecht dem Türnl in die Kapelle gewiesen wurden. Dortselbst trafen sie den Herzog Ernst. Bürgermeister Katzmair hob an und sprach: „Gnädiger Herr! wir sind von unseren Bürgern wegen bei Herrn Herzog Stephan gewesen. Der bat uns darnach zu Euch zu gehen, weil er hörte von harten Worten, die Ihr sollt geredet haben gegen den Rath meines Herrn Herzoges Stephan und hat uns daher gebeten, Euer Gnaden zu fragen, so daß Ihr mit meines Herrn Herzogs Stephan Räthen und Dienern nichts zu schaffen sollet haben, Ihr sagt ihnen denn ab, so wie auch mein Herr Herzog Stephan desgleichen mit Eueren Räthen und Dienern.“

Darauf antwortete Herzog Ernst: „Gehet zu meinen Vettern und sprecht: Ich wolle meine Ehre um Niemand geben. Däucht aber dem Waldecker oder einem Andern, daß er etwas wider mich habe gethan, der widerrufe es, oder hüte sich vor mir sehr!“

Mit dieser Antwort kamen die beiden Abgesandten wieder zurück in das Gasthaus der Schimmlin und richteten dem Herzoge Stephan diese Worte aus. Allein diesem schien diese Antwort zweifelhaft, er drang daher in den Bürgermeister, nochmals sich zu Herzog Ernst zu begeben, um deutlichere und bestimmtere Auskunft zu erholen. Georg Katzmair weigerte sich dessen, indem er sagte: „Gnädiger Herr! es ziemt sich für uns nicht, uns weiter mit solchen Dingen zu befassen, da man es uns von Raths wegen nicht befohlen hat.“ Ihm entgegnete aber Herzog Stephan: „Solches ziemt sich für Niemand besser 

denn für Euch, denn Ihr habt es getaidiget zwischen Uns und Unseren Vettern mitsammt dem Bitzthum.“ Diesem Begehren endlich nach längerem Widerstreben entsprechend, begaben sich Georg Katzmair und Peter Krümbel wiederholt in die Kapelle des alten Hofes und mit ihnen Albrecht von Danheim. Auf ihre wiederholt vorgebrachte Frage erwiederte ihnen Herzog Ernst: „Sagt meinem Vetter, ich wolle meine Ehre weder um den Waldecker noch um ihrer einen Anderen geben, und auch um die Kapelle voll Goldes nicht. Hat aber der Waldecker oder Jemand Anderer etwas wider mich gethan, der möge sich vor mir sehr hüten.“

Mit diesem Bescheide kamen sie zu Herzog Stehan zurück, wurden von diesem noch ein drittes mal zu Herzog Ernst gesendet, und erhielten auch zum drittenmale dieselbe Abfertigung. Sofort sandte Herzog Stephan nach dem Waldecker, und setzte ihn in der großen Stube bei der Schimmlin von dem so eben Geschehenen in Kenntniß. Es war offenbar für die Sicherheit des Waldeckers kein Heil mehr. Deshalb ritt sogleich Herzog Stephan fort nach Wasserburg und führte den Herrn von Wakdeck mit sich.

Auch im Rathe des Magistrates mögen diese Aeusserungen des Herzogs Ernst große Besorgnisse hervorgerufen haben, denn auf Vortrag des Bürgermeisters Katzmair hielten sie Tages darauf hierüber Berathung in der großen Rathsstube.

Ein Theil der Drohungen des Herzogs Ernst sollte bald wahr werden. Einige Tage später, am heil. Weihnachtsabende Morgens 10 Uhr, trafen Herzog Ernst und 

Warmund von Pienzenau im Gasthaus der Adelheid Schimmel zusammen. Bald entspann sich zwischen ihnen ein Wortwechsel, Herzog Ernst machte dem Piemzenauer wegen des Besitzes von Rattenberg bittere Vorwürfe und schalt ihn einen Schmarotzer des Herzogs Stephan und einen Vergeuder fürstlichen Gutes.

Der Pienzenauer entgegnete diesen Beschuldigungen nicht viel weniger heftig, so daß Herzog Ernst, im Zorne seiner nicht mehr mächtig, das Schwert zog und ihm eine Wunde hieb. Klagend eilte Herr Warmund sogleich zu den Herzogen nach Ingolstadt.

Rasch benützte Herzog Ludwig der Gebartete, der sich eben zur Zeit in dem hause seines Vaters am Ruffinithurme in der Sendlingergasse befand, diesen Vorfall, seinen lange gehegten Wunsch durch schnelles Handeln zu erreichen. Er ritt mit den Seinigen am nämlichen Tage in die neue Veste und nahm sie in Besitz.

Die Herzoge Ernst und Wilhelm aber, die sich wohl in München nicht mehr sicher fühlten mochten, begaben sich schleunigst aus der Stadt. Herzog Ernst ritt nach Wolfratshausen, Herzog Wilhelm aber zu seinem Vetter dem jungen Herzog Heinrich und dessen Mutter Frau Magdalena von Mailand, nach Landshut.

Im Stadtrathe war über diese That des Herzoges Ernst gegen Warmund von Pienzenau große Bestürzung und Besorgniß, denn Herzog Stephan und sein Sohn Ludwig beschuldigten die Stadt, deren ein Theil noch immer an den Herzogen Ernst und Wilhelm hing, geradezu als Mitwisser dieser That. Der Stadtrath mochte auch wohl gefühlt haben, daß er seine Pflicht, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, schlecht erfüllt habe, und er hatte deshalb allerdings den Unwillen des hitzigen und heftigen Herzogs Ludwig der Gebarteten zu befürchten. Denn es war unter Dazwischenkunft des Rathes von München und des Vicedomes von Oberbayern, Konrad des Preisingers, zwischen Stephan und Ernst ein förmlicher Vertrag abgeschlossen worden, daß keiner des Andern Räthe und Diener anders als auf vorausgegangenes ehrliches Absagen feindlich behandeln dürfe, und hatte sich dabei der Rath von München gewissermaßen verbürgt, mögliche Gewaltthätigkeiten zwischen den Herrn zu verhüten. Es wurde daher schleunigst eine Rathsversammlung gehalten und darin bescholssen, eine Deputation an Herzog Ludwig abzusenden, den Vorfall mit dem Pienzenauer zu entschuldigen und den Herzog zu besänftigen. Dieß geschah auch. Aus der getroffenen Wahl und Zusammmensetzung dieser Deputation ersehen wir, daß die aufrührerischen Bürger schon die Oberhand gewonnen hatten; diese Abgeordneten waren: Schrenck, Alrich Dichtl, Wilhelm jprgner, Loenhard Land, Mendelhauser, Pronhauser und nach sechs andere. Unter diesen nämlich benennt Georg Katzmair in seinem Gedentbuch den Dichtl, Jörgner, Lang und Mendelhauser als diejenrigen, welche die ersten Bösen gewesen, die den Lauf zu München allermeist trieben und angefangen haben. An deren Spitze musste Bürgermeister Georg Katzmair treten. Diese kamen nun vor den Herzog Ludwig und sprachen: „Gnädiger Herr! Wir sind bei unserem Volke gewesen, wir haben wahrlich nichts darum gewusst, und es ist uns treulich 

leid, und wir wollen auch gerne bazu thun.“ Lange weigerte sich der Herzog, ihre Entschuldigung wohlwollen aufzunehmen. Erst bei nochmaliger Botschaft erwiderte ihnen Ludwig: „Ich habe Euch zu danken, und will euch meine Feinde nennen. Doch will ich zuvor mich darüber wohl berathen, auf daß ich keine anderen vorbringe, als die rechten und man keinen unrechten ergreife. Und dankt mir dem Volke fleißig, denn ich sehe nun wohl, daß er Euch leid ist.“

Herzog Ludwig hatte indessen seinen Vater, Herzog Stephan, schleunigst von dem Vorgefallenen benachrichtiget, und dieser kam auch sogleich am zweiten Tage darnach, am St. Johannestage den  27. Dezember, von Wasserburg her nach München. Gleich des folgenden Tages, - Freitag den 28. Dezember, - trat Herzog Stephan vor die versammelte Gemeinde „mit großen Worten“, und forderte, daß diejenigen, „die solchen Zwilauf zwischen den Herrn und den Ihrigen anstifteten, die dadurch die Herrn hintereinander und in das verderben bringen,“ und von denen er sechs oder sieben nennen wolle, verhaftet, und in sein Gefängniß abgeführt werden sollen. Die Abgeordneten aber erklärten hierauf, daß sie die Schuldigen gerne sahen, aber nur in der Stadt eigenes Gefängniß legen wollen, nach der Stadt Rechten, aber ohne Recht wollten sie nichts mit ihnen schaffen lassen. Als der Herzog wiederhlot darauf bestand, die Schuldigen in sein Gefängniß zu legen, entgegneten die Abgeordneten standhaft und fest: „Herr! das ist weder unsere Gewohnheit noch Recht; wir wollen sie selbst behalten zum Recht so lang, als unser Stadt Recht ist, das ist vierzehn Tage.

Kommt ihnen dann innerhalb dieser Zeit mit dem Rechte Niemand nach, so sollen sie wieder ledig sein.“ Da willigte Herzog Stephan endlich ein, führte die Abgeordneten in die große Stube der neuen Veste, und benannte ihnen die sechs Schuldigen. Von diesen wurden nun verhaftet Gabriel Ridler und Ludwig Potschner, und ersterer auf den Taschenthurm und letzerer  auf den Raththurm gesetzt. Mathias Sendlinger und Hans Schluder waren ausgeritten nach Päl, und Ulrich Ebner befand sich schon seit Martini in Venedig, daher diese drei Personen nicht gefangen gesetzt werden konnten. Der sechste aber, Konrad Diener, war schwer erkrankt und dem Tode nahe. Ungeachtet zweimaliger Fürbitte des Rathes bei Herzog Stephan bestand dieser auf dessen Haftnahme, so dass auch er in das Gefängniß gelegt wurde, worin er am 13. Tage darnach starb.

Diese Verhaftungen geschahen noch am Freitag den 28. Dezember. Am folgenden Tage, Samstag den 29. Dezember, trat aber der Rath und die Gemeinde zusammen, um über diese unerhörten Vorfälle zu berathen. Einmüthiglich schwuren sie, daß sie weder den Verhafteten noch irgend jemand Anderem ohne Recht Übler zufügen lassen, und auf den Rechten der Stadt standhaft beharren wollten. Keine Verhandlungen sollten wegen der Gefangenen gepflogen werden, hätten diese etwas verschuldet, und würde solches mit Recht befunden, ginge es dann denselben an Leid oder an Gut, das sollten sie leiden.

Allein ungeachtet aller Bemühungen, die sich Herzog Stephan gab, Zeugen gegen die Verhafteten aufzubringen, konnte keine Schuld an ihnen ermittelt werden. Deshalb, 

am Freitag den 11. Januar 1398, als die vierzehn Tage verflossen waren, bestand die Gemeinde darauf, daß sie wieder der haft ledig gegeben würden. Das geschah auch, und die beiden Herzoge wurden wieder des Ridlers,  des Pötschners und des Ebners gnädige Herrn. „Aber noch kann Niemand hören, warum sie der Herr hat fahen lassen“, setzt Georg Katzmair in seinem Gedenkbuche dazu.

Die Fürsten befanden sich nun gegenseitig in offener Fehde, und es schien auch beinahe zum Kampfe kommen zu wollen, zumal Herzog Ernst schon zu Fastnacht 1398 mit fünfhundert Pferden von Landsberg kommend zu Aubing lag, angeblich, um wider den Waldecker, seinen erklärten Feind, zu ziehen gegen Taufkirchen, und auch anderseits Herzog Ludwig die Landschaft und die Bürger von München aufforderte, „zu ihm zu reiten und die Gäste aus dem Lande zu schlagen“. Die Münchener aber überlegten sich die Sache, und fanden es unpolitisch und gefährlich, am Streite der Herzoge thätigen Antheil zu nehmen. „Die Herren“, - sprach der Rath, - „müssen doch zuletzt wieder geeiniget wwerden. Laßt uns weise sein, und lasst uns gedenken, daß wir friedlich unter einander seien, und alle unsere inneren Irrungen abschneiden, ehe noch die Herren geeiniget werden; das ist unser aller Nutz und Frommen. Wir haben ohnehin noch Irrung und Zwiespalt wegen den Kammerbüchern und dem Rechnungsauszuge, der möcht´ uns wohl eines Tages zu großem Unfrieden und Schaden kommen, und geziemt uns allen, nicht dahinter zu stehen, denn es möchte´ eines Tages die 

Stadt davon verderben; denn es ist ein Lauf, der unbillig ist und ungerecht. Das bedenkt!“

Die Münchener „fassten daher still,“ ordneten aber im Verein mit denen von „Niederland“ – (Niederbayern) – an Herrn Fastnacht eine Botschaft nach Fürstenfeld, wo Herzog Ludwig mit seinen Leuten lagerte, ab und veranlassten ein versöhnendes Gespräch de beiderseitigen fürstlichen Räthe zu Pasing, das aber ohne Erfolg blieb.

In der Woche vom Mitterfasten 1398 frug Herzog Ernst von Aubing aus in München an, ob man ihn mit 30 oder 40 Pferden in die Stadt wolle einlassen. Die Münchener ließen ihn zurück erklären, sie hätten mit der Herren Krieg nichts zu schaffen, es sei der als wohl ihr Herr als jener, Er möge daher wohl kommen mit 30 oder 40 Pferden, desgleichen Herzog Stephan und Ludwig auch. So kam Herzog Ernst wieder nach München, zum erstenmale, seit er den Pienzenauer geschlagen; sein Volk zog nach Taufkirchen, um auf dem Waldecker zu fahen. Die Münchener aber ritten fortwährend vermittelnd zwischen den Herzogen hin und her, und brachten es endlich so weit, daß man zu Ostern, am 21. März, zu München dahin übereinkam, die Schlichtung und Beendigung der Streitgkeiten zwischen den Fürsten einem Schiedsgerichte zu übertragen, bestehend aus zwanzig Männern der beiderseitigen Ladestheile, sohin zehn von jeder Seite und einem Obmann. Zugleich verpflichteten sich die Herzoge, dem Ausspruche dieses Schiedsgerichtes dergestalt folge zu leisten, daß derjenige Theil, welcher nur im Mindesten dagegen handle, die Stadt München oder Ingolstadt an die Gegenpartei verlieren 

sollte, Zugleich warb die Stadt München, an welcher beidenTheilen gelegen war, dem Vicedome Konrad dem Preisinger, einem Biedermanne, dem Jeder vertraute, in Verwahr gegeben.

Während aber auf diese Weise die Bürger von München löblicherweise trachten, die Fürsten, welche schon gegen einander das Schwert erhoben hatten, auf dem Wege friedlicher Verhandlung zu vergleichen und auszusöhnen, entbrannte dagegen im Innern der Stadt die Zwietracht und der Kampf wegen der Stadtkammerrechnungen und des Steuerbuchsauszuges erst recht und brach in volle Flammen und Aufruhr aus.

Seit Anfang des Jahres 1398 war der auf Seite der revolutionären Gemeinde stehende Ulrich Dichtl, einer „der ersten Bösen“, an der Stelle der gesetzmäßig abgetretenen Georg Kazmair Bürgermeister geworden.
Die vom Rathe, sowohl jene, welche, wie Katzmair, dabei ganz unbetheiliget waren, weil sie vor dem stritigen Jahre 1396 in dem Rahte saßen, suchten auch diese Sache gütlich zu beseitigen, indem sie vorstellten, man möchte wohl am besten thun, bei diesen gefährlichen Zeitläufen „das unfriedliche Ding mit dem Buche und dem Auszuge abzuschneiden.“ Allein die Gemeinde, an ihrer Spitze Leonhard Lang, - auch einer „der ersten Bösen“, - bestand auf durchgreifender Rechnungsablage und Revision.

Es wurde daher im Rathe beschlossen, die Sache an die Dreihundert zu bringen, Diese wurden auch auf Donnerstag in den Osterfeiertagen (11. April) auf das 

Rathhaus besendet. Allein diese hielten sich zur Entscheidung nicht für kompetent ohne die Gemeinde. Deshalb wurde nun diese auf den folgenden Tag Morgens auf das Rathhaus geladen. Nach vielseitigem Hin- und Herreden hielt sich die erschienene Gemeinde nicht für zahlreich genug und beschlossen daher, wiederholt nächsten Sonntag zusammen zu kommen.

Am Sonntag nach dem Ostertag Nachmittags kam nun die Gemeinde sehr zahlreich zusammen. Die Versammlung war äußerst stürmisch. Die Bürgerforderten vor Allem 33 aus dem Rathe vor, mit denen sie den Rechnungsauszug besprechen wollten. Allein statt ruhiger Verhandlung erfüllte wüstes Geschrei den Saal, jeder wollte nach seiner Weise sprechen, und es fielen harte und wilde Worte. Ein Schwertfeger rief: „ Wir sollten die Bösewichter drinnen in der Stube jetzt alle nehmen und ihnen die Köpfe abschlagen.“ Darüber wurde es spät Abends ohne daß ein Resultat erzielt wurde. Mit Mühe kam man endlich dahin überein, die streitige Sache durch einen Ausschuß von sechzig Männern in Vereinigung mit dem Rath prüfen zu lassen, wozu ihnen eine Zeit von acht Tagen vorgestreckt wurde. Aber weit entfernt, daß die gemeinschaftlichen Verhandlungen dieser acht Tage eine gütliche Abgleichung aller Rechnungsdifferenzen zu Stande brachten, wurde vielmehr die Kluft immer größer. Selbst dem einsichtsvollen und bei der Sache ganz unbetheilgten Georg Katzmair, der sich sogar, um so besser vermitteln zu können, den demokratischen Sechzigen anschloß, gelang es nicht, eine gütliche Ausgleichung herbei zu führen, vielmehr blieben die von der Gemeinde hartnäckig bei ihrem Begehren, daß der Stadt Gut wieder, wo sie verkürzt Worden, zurückersetzt werden müssen. Hiermit war der Bruch vollständig, und es musste eine Krisis eintreten, die auch nicht ausblieb. Am folgenden Samstag, den 20. April, weigerte sich der Rath, zur Nachmittags-Sitzung mit dem Sechziger Ausschuße auf dem Rathhause zu erscheinen. Die Gemeinde, hierüber aufgebracht, verlegte sogleich ihre Sitzung in den Saal des Augustinerklosters. Da verbreitete sich ein dunkles Gerücht, daß die Bürger auf Anstiften Einzelner heimlich beginnen, sich zu bewaffnen. Bestürzt hierüber sandte der Rath den Georg Katzmair hin zu den Augustinern, um nochmals bei der aufrührerischen Gemeinde Güte zu versuchen. Allein es war schon zu weit  gekommen. Auf  Antrag des Hans Ferber sendete die Gemeinde eine Deputation, bestehend aus Ulrich Dichtl, Jörgner, Menges, Glesein, Jörg von Nanhofen, harder und Katzmair zum Bürgermeister Karl Ligsalz, und ließ  demselben die Schlüssel zu den Stadtthoren und den Sturmglocken, und das Stadtbanner abfordern. Der in der Eile zusammengerufene erschrockene Stadtrath gehorchte und antwortete das Geforderte aus. Die Gemeinde setzte hierauf Sogleich den bisherigen Stadtrath ab, und dafür probisorische „Hauptleute“ ein, und übergab die Sturmglocken dem Ulrich Dichtl und Georg Katzmair, auf deren Befehl allein die Sturmglocken geläutet werden dürften. Das Stadtbanner empfahlen sie dem Mendelhauser, und gaben ihm noch achtzehn Männer dazu, die desselben warten sollten. Die Schlüssel zum Neuhauserthore wurden dem Wilhelm Jörgner, die zu Unseres Herrn- (Schwabinger-) Thore dem Franz Impler, die zum Thalburgthore (Raththurm) dem Konrad Poschel, 

Die zum Angerthore dem Dargreis, und die zu allen anderen dem Ulrich Dichtl ausgeantwortet.
Dieser ganze Umsturz des bisheringen Stadtregimentes war das Werk dieses Nachmittages. Die beiden Herzoge Stephan und Ernst, die sich eben in München befanden, wurden noch an selbem Nachmittage von dieser Veränderung in Kenntniß gesetzt.

Dieneuen demokratischen Gewalthaber beschlossen, die Sache wegen des Rechnungsauszuges nun schleunigst zu ordnen, und zu diesem Behuse sollte des Sechzigerausschuß mit den beim Auszuge Betheiligten die nächsten beiden Tage freundlich zusammentreten. Aber dieses ward vereitelt, denn die dabei betheilgten Hans Rudolf, Ulrich Ebner und Bartholomä Schrenk hatten sich bereits aus der Stadt geflüchtet und die Uebrigen kamen mit der Sache nicht zurecht, „denn des Auszug war ihnen ein gar fremddes Ding.“ Es wurde daher in dieser Sache neue Sitzung auf Dienstag anberaumt, und Utz Halbenberger den Flüchtigen nachgesendet, um sie zu beauftragen, zu erscheinen, oder ihr Leib und Gut wäre verfallen der Stadt. Da aber diese hierauf brieflich antworteten, sie wollten nur unter der Bedingniß des sicheren Geleites in die Stadt zurückkehren, so wurde all ihr Gut in der Stadt und auf dem Lande in ihrenHäusern mit Beschlag belegt und versiegelt, Utz Haldenberger aber in den Thurm gefangen gesetzt, weil es so lange bei den Flüchtigen verweilt und deren Brief zurückgebracht.

In Folge dieser Entweichung mussten am Philipp- und Jakobs-Abend, - 1 Mai, - alle diejenigen, die beim Rechnungsauszuge compromittiert waren, auf ihre 

Treue an Eidesstatt angeloben, daß sie mit Leib und Gut der Stadt unentfremdet bleiben, und sich dem, was durch Urtheil Rechtens über sie verfügt würde, unterwerfen wollten. An einem Maisonntage wurden sie hierauf einzeln vor die versammelte Gemeinde berufen, um nach den Bestimmungen des „Stadtrechtes“ gebüßt zu werden. Sechs Tage lang währte die Untersuchung über den Rechnungsauszug, wobei die Angeschuldigten durch ihren Vorspreche, den Rieslin von Weilheim, vertheidiget wurden. Dann wurden die Schuldigen, ungeauchtet der Abmahnungen des biederen und rechtlichen Georg Katzmair, der nur ungerne an diesen leidenschaftlichen Verhandlungen hatte theilnehmen müßen, verurtheilt und zwar die Handwerker in eine Geldstrafe von fünf Pfund Pfennigen, die Vornehmeren aber in bedeutend höhere Summen, und wer sich nicht auf solche Art wollt büßen lassen, mußte in den Thurm wandern.

Hierauf wurde von den aufrührerischen Bürgern ein neuer innerer und äusserer Rath und Ausschuß der Dreihundert eingesetzt. Ulrich Dichtl wurde Bürgermeister, und Georg Katzmair, den man, obgleich er sich in den Verhandlungen wegen des Rechnungsauszuges mit Ulrich Dichtl verfeindet hatte, wegen seiner Kenntnisse nicht leicht entbehren konnte, Andreas Dichtl und Franz Impler zu Stadtkämmerern ernannt.

Das Städtische Gemeinwesen war hiedurch wieder in gesetzliche Ordnung getreten, nur war durch diese Bürger-Revolution das Stadt-Regiment von den Patziziern jetzt in die Hände der Plebejer übergegangen.

Aber bald sollte die Stadt neuen Stürmen entgegengehen.

Wie wir oben gesehen haben, wurde am 21. März 1398 die Schlichtung der Streitigkeiten zwischen den Herzogen einem Schiedsgerichte übertragen. Dieses aber entschied sowohl auf den Tagen zu Augsburg als zu München nichts, und es wurde daher ein neuer Tag zu Göppingen im Würtembergischen auf Anfang des Monates Juli angesetzt. Dort versammelte sich das Schiedsgericht unter Vorsitz des Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz und des Grafen Eberhard von Würtemberg, und that am 4. Juli den Ausspruch, daß Ernst und Wilhelm rechtmäßige Erben ihres Vaters Johann und Mitregenten des Landes seien, daß sie  sogleich in Besitz ihrer Erbschaft in dem Maße, als ihr ater selbe „lebendiger und todter“ (am Tage da er starb) inne gehabt, gesetzt, die sie treffenden Einnhmen berechnet und ihnen überantwortet werden sollen.

Die beiden Parteien erfuhren im Grunde durch diesen Spruch um nichts mehr, als was sie wohl längst schon gewusst, nur daß etwa nun auch jeder Uebergewicht des Herzoges Stephan als Aeltesten förmlich abelehnt war. München blieb nach wie vor allen vier Herzogen gleich angehörig.

Es sollte nun in Folge des zu Göppingen erlassenen Spruches in Oberbayern den Gebrüdern Ernst und Wilhelm als Mitregenten geschworen werden. Diese Huldigung geschah auch von Seite der Stände von Bayern-München am 31 Juli zu München. Die Stadt München aber verweigerte den Huldigungseid. Auf Anstiften der aufrührerischen Mitglieder Ulrich Dichtl, Leonhard Lang, Johann Mörhammer und noch dreier verlangte nämlich der Rath, die Herzoge sollten ihnen die der Stadt München 

bis auf den heutigen Tag gegebenen Freiheitsbriefe bestätigen. Solches verweigerten die Herzoge Ernst und Wilhelm aus dem Grunde, weil möglicherweise die Herzoge Stephan und Ludwig in der letzten Zeit seit Herzog Johann´s Tod, und während der Dauer ihrer Gewaltherrschaft zu München bis Lichtmessen 1398 der Stadt könnten Freiheitsbriefe ertheilt haben, die ihnen unbekannt wären und vielleicht selbst ihre fürstlichen Rechte beeinträchtigen. Die Herzoge Ernst und Wilhelm blieben daher dabei stehen, daß sie die Freiheitsbriefe der Stadt von aller vergangenen Herrschaft her nur bis auf den Tag bestätigen wollen, da ihr Vater lebendig und todt war.

Vergeblich war alles wohlmeinende und versöhnende Bemühen und Zureden des einsichtsvollen Georg Katzmair, der in der ersten Versammlung des Rathes und der Gemeinde Donnerstags den 1. August 1398 zu diesen sprach: „Liebe Freunde! wie ich es als das Beste verstehe, so gehen wir mit Leuten aus den drei Räthen nochmals zu Herzoge Ernst und seinem Bruder, und rufen sie an und bitten sie, daß sie unsere ferneren willigen Dienste ansehen, und uns unsere Briefe alle bestätigen bis auf den heutigen Tag, wie das ehedemauch die anderen Fürsten gethan; denn die Herrn wollen öfter gebeten sein und angerufen.“ Ueber diesen wohlmeinenden Rath kam es an diesem Tage zu keinem Beschlusse; als aber des folgenden Tages der Rath und die Gemeinde wieder auf dem Rathhause zusammen kam, und Georg Katzmair wegen Unwohlseins abgetreten war, wurden von den Hitzköpfen alle gütlichen Verhandlungen verworfen und 

Beschlossen, nicht zu schwören, es würden ihnen denn die Herren alle ihre Briefe bestätigen bis auf den Tag.
Auf die Kunde von diesem Beschlusse entfernte sich Herzog Ernst sogleich noch am nämlichen Tage aus der Stadt. Dieses erregte unter den Bürgern große Aufregung und es scheint sogar, daß  man in  München einen Handstreich des Herzoges Ernt gegen die Stadt befürchtete, denn die Bürger wappneten sich; allein diese Vermuthung zeigt sich bald als ungegründet, denn der Herzog hatte sich nach Landsberg und in andere Städte begeben, um sich huldigen zu lassen.

Allein nun wendete sich der Unwille der neuen Gewalthaber auch gegen Georg Katzmair, bei politischen Umwälzungen führt nur Leidenschaftlichkeit die  Zügel, und die extremen Richtungen gewinnen ausschließend die Oberhand. Der gemäßigte Bürger ist dann verdächtig, ein Feind der neuen Ordnung der Dinge zu sein, und Georg Katzmaier hatte bei den Vorfällen jüngster Zeit zu oft den neuen Gewalthabern widersprochen, und versöhnlichere Mittelwege angerathen, als daß er nicht in den Verdacht kommen musste ein Anhänger der gehassten Herzoge Ernst und Wilhelm, und deshalb, - um die heut zu Tage gewöhnliche Bezeichnung zu gebrauchen, - ein Reaktionär zu sein. Insbesonders war er in den letzten Tagen mit Ulrich Dichtl und einigen Räthen zu harten Reden gekommen, und Ulrich Dichtl hatte zu ihm „ mit üppigen Worten gesprochen, so daß er wohl verstund, Dichtl hätte gerne gesehen, daß er ihm antworte.“ Zudem vernahm er von mehreren Personen, es 

sei das Gerücht verbreitet, er liege bereits in dem Thurm. Deß erschrak er „hart.“  Einen Schritt, den er wohl schon längere Zeit erwogen hatte, brachte er schnell zur Ausführung, er flüchtete sich nächsten Morgens, Samstag den 3. August, aus der Stadt, und ritt zunächst nach Tölz zu seinen Freunden. Hier erfuhr er, daß die Münchner, als seine Flucht ruchbar geworden, sogleich seine Güter in der Stadt mit Beschlag belegt hatten, Mit ihm wurden noch als Anhänger der Herzoge die ehemaligen Rathsherrn Konrad Schluder und Mathias Sendlinger aus der Stadt verbannt. Katzmair begab sich sofort zu Herzog Ernst, den er zu Wolfratshausen sand, um bei ihm über dies Gewaltthat Klage zu führen.

Herzog Ernst berief nach einer Beratschlagung, die er hierauf mit seinen Räthen zu Dachau pflog, auf Bartholomä (24. August) eine Landschaft nach Freising, welche beschloß, daß aus ihrer Mitte vierundzwanzig Männer, aus Rittern und Bürgern der Städte und Märkte bestehend, nach München gehen sollten, im nochmals zu versuchen, die Einwilligung derer von München in das Begehren des Herzoges zu erlangen. Am Freitag nach Andreas sollten sie dem Herzoge die Antwort bringen.

Während diese Vermittlung versucht wurde, geschah, wohl ohne Herzogs Ernst Vorwissen, eine Gewaltthat, die wohl nicht geeignet war, den Sinn der Gegenpartei günstiger umzustimmen. Münchner Kaufmannsgüter fuhren, vom Landshuter Markte nach München zurückkommen, auf der Straße gegen Freising; der alte Herzog Stephan selbst war heimlich von Freising weggeritten um ihnen mit siebzig Pferden das Geleit zu geben. Das erfuhr 

Der fürstliche Hauptmann zu Dachau. Sogleich zog dieser mit vierhundert Pferden aus, lauerte auf das Gut und überfiel den Zug. Da wurde Herzog Stephan „überrannt.“ Als man nun gewahr wurde, daß es der Herzog sei, ließ der Hauptmann ihn und die Seinigen sowie die Güter wieder frei, ausser sechs Münchener Bürger, die man als Feinde nach Dachau führte. Als aber Herzog Ernst dahin kam, wurden sogleich auch diese wieder in Freiheit gesetzt.

Dieser unangenehme Vorfall trug dazu bei, den Haß der Münchener gegen die Herzoge Ernst und Wilhelm, sowie ihre Besorgniß, von ihnen mit bewaffneter Hand angegriffen zu werden, zu verstärken. Die Münchener schlossen daher am 10. September 1398 mit Stephans Sohne, Ludwig dem Gebarteten, ein Bündniß, zusammen zu halten, und sich gegenseitig mit Gut und Blut gegen Jedermann zu vertheidigen.
Am festgesetzten Tage, Freitag, den 6. Dezember, kamen die vierundzwanzig von München wieder zurück nach Dachau mit dem Bescheide, daß ihre Unterhandlungen vergeblich waren, und die Münchener auf ihren Forderungen beharren.

Da erklärte Herzog Ernst mit den Seinigen der Stadt München offne Fehde, und ebenso erklärte Herzog Ludwig seinen Vettern den Krieg, Der Kampf begann.

Herzog Ludwig zog mit der Münchener Miliz vor Pfaffenhofen, nahm diese der Gemahlin Herzog Ernst pfandweise gehörige Stadt, und ließ sie ausplündern. Auch Dachau, Nanhofen, Pasing, Grünwald und andere Orte griff er an, und plünderte allenthalben.

Vergebens wendeten sich die Brüder Ernst und Wilhelm an den Kaiser Wenzel, vergebens an die in Ingolstadt versammelte Landschaft. Erst am 11. Jäner 1399 kam man auf Keiser Wenzels Friedgebot dahin überein, die Sache durch Friedensrichter schlichten zu lassen, und bis zur Entscheidung gegenseitig Frieden zu halten. Am 1. Mai 1399 erfolgte endlich ein Uebereinkommen, welches dießmal dadurch erleichtert wurde, dass Herzog Ernst eben ausser Landes war, und der mildere Wilhelm minderen Anstand nahm, in das Begehren der Münchener Bürgerschaft einzugehen. Nach Inhalt dieses Ausspruches verblieb es beim Göppinger Spruche, und sollte alles auf den Stand gesetzt werden, wie vor Anfang der Fehde es gewesen; neu entstehende Streitigkeiten soll Kurfürst Ruprecht von der Pfals als Obmann mit drei Beiständern von jeder Seite obthun. Den Münchenern wurde zugleich alle ihre bisherigen Freiheiten,  namentlich das Recht, ihre Mitbürger selbst zu strafen, bestätiget, und ihnen Vergessenheit alles Vergangenen zugesichert.

Auf dieses hin begaben sich die Herzoge Ernst und Wilhelm wieder nach München, und die Münchener Bürger leisteten ihnen nunmehr den Huldigungseid.

Es begann hiermit wider die gemeinschaftliche Regierung der vier Herzoge.

Er wäre nun denn wohl zu erwarten gewesen, daß Friede und Eintracht in die Stadt mÜnchen zurück kehre. Dem war aber nicht so. Die Erbitterung unter den Parteien der Münchener Bürger war gegenseitig zu groß, als daß sie sich geeiniget hätten. Namentlich erwuchsen aus dem den Bürgern zugestandenen Rechte, die Ihrigen selbst Zu strafen, neue Misshelligkeiten; denn die noch immer herrschende aufrührerische Partei übte dieses Recht in vollem Maaß gegen diejenigen, welche in Folge des oben angeführten Streitesüber den Rechnungsauszug aus der Stadt verbannt, oder die aus derselben eigenmächtig entwichen waren. Diese Verbannten waren: Gabriel Ridler, Rudolph Ligsalz, zwei von Hausen, Pötschner, Schluder, Sendlinger, Schrenk, Ebner, Georg Katzmair, Tulpeck, Andrä Resch, Hans Bart, Hans Pütrich, Hudl, Stran, Nogerlin und Spiegel. Die Güter und sämmtlichen Einkünfte dieser geächteten Bürger wurden gleich nach ihrer Entfernung eingezogen und zur städtischen Gemeindekasse verrechnet, und ihre Mobilien, sowie alles vorgefundene Getreide, Weine und dergl. wurden verkauft. Gegen die in München zurückgebliebenen weiblichen Familienglieder der Geächteten wurde von Seite der städtischen Machthaber mit der größten Härte und Unbilligkeit verfahren, und Georg Katzmair erzählt uns in seinem Gedenkbuche ausführlich, welche Unbarmherzigkeit und selbst Hohn gegen seine in der Stadt zurückgebliebene Mutter und Schwester ausgeübt wurde, wie man an diese die 250 fl. Gefordert, um welche Katzmair für den Ligsalz, vielleicht als die demselben vom Rechnungsauszug her zuerkannte Geldstrafe, Bürge geworden, und wie die Mutter endlich zu Michaeli aus der Stadt, die Schwester aber, der man gar den Backstein umzuhängen gedroht, zu der Herzogin in die Veste entwichen sei, von wo Herzog Ernst sie am Palmabend (10. April) 1400 zu Nacht endlich heimlich heraus geleitet habe. Ja, die von München gingen so weit, daß 

sie eine „Einigung“ dahin machten, gelobten und mit ihren Siegeln bekräftigen, daß alle Entwichenen oder Vertriebenen nie mehr in die Stadt kommen sollten.

Aufgebracht hierüber suchten sich die Geächteten an der Stadt und ihren Mitbürgern zu rächen, wo und wie sie nur konnten. Sie ließen die Güter der Münchener, wo sie selbe auf dem Lande antrafen, gleichfalls mit Arrest belegen oder bemächtigten sich derselben, sie machten alle Strassen unsicher, und legten den ganzen Handel der Stadt darnieder. Zu diesen Unternehmungen fanden und gewannen die Geächteten leicht überall Anhang. Anderseits aber, um sich gegen diese schädlichen Unternehmungen zu sichern, mussten die vom München nicht allein alle Güter ihrer Bürger durch bewaffnete Bedeckungen begleiten lassen, sondern auch durch Aussendung von Streifmannschaften die nächst gelegenen Landstrassen von feindlichen Ueberfällen zu bewahren und zu reinigen suchen. Die Stadt München befand sich dadurch in den beiden Jahren 1399 und 1400 in einem fortwährenden kleinen Kriege, der je länger je mehr an Ausdehnung und Erbitterung zunahm als auch die Herzoge daran theils einen mittelbaren theils unmittelbaren Antheil nahmen, wozu sowohl der Umstand, daß eben diese streitenden Theile zu ihren wechselseitigen Parteien gehörten, als auch die alte gegenseitige Unzufriedenheit beitrug, welche durch die Entscheidung von Göppingen, wie auch durch mehrere spätere Vergleichsversuche vom 8. Januar 1400 zu Heidelberg, am 20. April desselben Jahres zu Ingolstadt und zu Jakobi gleichen Jahres zu Landshut, die alle fruchtlos geblieben waren, keineswegs geschlichtet und gehoben wurden.

Die Herzoge Ernst und Wilhelm wohnten während dieser Zeit theilweise in der neuen Veste in München, zu welcher ein eigenes Thor führte, oder theilweise in Wolfratshausen, und die beiden Herzoge Stephan und Ludwig wohnten abwechslungsweise entweder in ihrem Hause in der Fürstenfeldergasse in München oder in Ingolstadt.

Zu Ende des Jahres trug sich wieder ein trauriges Ereigniß zu. Wie die Stadt München in verschiedene Fraktionen getheilt war, haben wir gesehen. Die bereits lange währenden inneren Unruhen, die Sperre aller Handels und die dadurch zugegangenen Verluste, die beträchtlichen Kriegsausgaben und Leistung persönlicher Kriegsdienste und dergl. mussten die innere Gährung immer mehr anfachen; die bestehenden Verhältnisse wurden für die Bürgerschaft immer unerträglicher, das städtische Regiment, wie es aus dem Umsturze des vorigen Rathes im Jahre 1398 hervorgegangen, stand auf unsicheren und schwankenden Stützen. Das Missvergnügen war ein allgemeines, und es ist natürlich, daß auch der ruhige Bürger sich wieder die Herstellung eines geordneten Zustandes wünschen musste. Bei solchen inneren Lagen geschieht es immer, daß endlich Mehrere sich vereinigen, um einen Umsturz des missliebigen Zustandes zu bewirken. So geschah es auch jetzt.

Am Allerheiligen 1400, als eben die beiden Herzoge Ernst und Wilhelm wieder nach München gekommen waren, verbanden sich drei dieser Missvergnügten, Konrad Triener, Thomas Haidfolk und Ulrich Stromair, zur Ausführung,Sie hielten zu diesem Zwecke heimliche Zusammenkünfte in der alten Veste, und suchten auch die 

Zünfte in ihre Interessen zu ziehen und zu einem allgemeinen Aufstand zu bewegen. Allein die Verschwörung wurde verrathen, die obigen drei Aufrührer gefänglich eingezogen und verurtheilt. Dieses gerichtliche Urtheil ist, nicht nur in Beziehung auf die Sache selbst, als auch bezüglich der damaligen Rechtsformen, zu merkwürdig, als daß es hier nicht vollständig aufgeführt werden sollte. Dasselbe befindet sich in dem städtischen Urkundenbuche aufbewahrt und lauter wörtlich wie folgt, nur mit dem nöthigen Abänderungen der Orthographie zum besseren Verständnisse der Leser.

„Ich Jörg Oettinger, zur Zeit Richter in München, bestätige von Gerichtswegen mit diesem offenen Briefe, daß vor mich kam mit Vorsprechen Ulrich Halmberger der Jüngere, zur Zeit Bürgermeister in München, und Konrad Angstlieb, zur Zeit des großen geschworenen Rathes, der dreihundert ist, Redner, beider Bürger von München, und klagten mir Vorsprechen, da ich saß an offenem Gerichte zu München in dem Rathhaus, und da bei dem Rechte gesessen ist der innere und äussere Rath, und auch der große geschworenen Rath der Dreihundert, und auch viele Führer aus den Handwerken, und klagten mir Vorsprechen über Thomas den Haidfolk, und über Konrad den Triener, und über Ulrich den Stromair, alle drei Bürger zu München, daß sie und andere Leute heimlich Rath gehabt haben in der alten Veste zu München, und haben daselbst gerathen, und vier Hauptleute zu ihnen Allen gegeben, die zu den Handwerken gegangen sind, welcherlei Sach sie anfingen, daß sie deß bei ihnen bleiben sollten, damit sie uns arm und reich, um Leib und Gut gebracht wollen haben. Deß wollten die Handwerke nicht bei ihnen bleiben, und das wieder unsere Stadt zu München Briefe, Freiheit, Recht und Gewohnheit, und wider unser Gesatz und Bot, das wir öffentlich beruft haben, gewesen ist; und wer oder welche die wären, die heimliche Räthe oder Bündnisse mit einander hätten, an irgend andern Stätten, dann in dem offnen Rathhaus, daß der oder dieselben der Stadt mit Leib und Gut verfallen, und haben auch dieß einbekannt vor dem geschworenen Richter und vor den geschworenen Bürgern, daß sie solche heimliche Räthe und Büdniß gehabt haben. Und nach ihren Geständnissen sind sie der Stadt verfallen mit Leib und mit Gut, und baten mich vorgenannten Richter der Rechtens zu fragen, welchen Tod sie verdient hätten; Also warich ehegenannter Richter des Rechtens nicht geweiset, ob ich billig über sie zu dem Tode richten solle in dem Rathhause vor den geschworenen Räthen. Also sprachen die vorgenannten zwei Ankläger mit Vorsprechen, ich möchte (dürfe) es wohl thun, und thäte das billig, da es unserer Stadt Recht zu München ist, und wir auch dessen guten Brief von unserer gnädigen Herrschaft zu Bayern haben, und die sie mich versiegelt ( mit den Siegeln versehen) sehen und hören ließen. Und nach desselben Briefes Laut und Sag´ und nach ihrer Stadt Recht und Freiheit fragte ich des Rechtens, wie ich es richten solle. Da ward geurtheilet auf den Eid von dem innern Rath und von dem äußern Rath, und von dem großen geschworenen Rath, der dreihundert ist, und von den Führern, die auch dabei waren, von den Handwerken, daß sie den Tod wohl verdient haben. Und das ward 

auch genehmiget mit Folg´ und mit Frag´ und mit rechtem Urtheil, ich ehegenannter Richter solle dem Freimann (Scharfrichter) zusprechen, welchen Tod sie verdient hätten. Und also sprach ich dem Freimann zu, welchen Tod sie verdient haben; der urtheilt auf seinen Eid, sie hätten nach der Anklag einen anderen Tod verdient, man soll aber mit dem Schwert hinter ihnen richten und sie enthaupten. Und nach dem vorgeschriebenen Urtheil Aller baten mich die vorgenannten zwei Ankläger mit Vorsprechen, zu fragen des Rechtens, ob Jemand wäre, immer Landes oder ausser Landes, wie er auch genannt wäre, Niemand ausgenommen noch hintangesetzt, der wider das genehmigte Recht etws redet oder thäte, mit welcherlei That das geschähe, es wäre wider unsere gnädige Herrschaft zu Bayern, oder wider unseren Richter, oder wider die Räthe und Gemeinde, gemeinlich der Stadt zu München, der (ein solcher) oder dieselben sind alles dessen schuldig und gebunden, und soll auch gegen sie gerichtet werden, wie man gethan hat gegen Thomas dem Heidfolk,, und gegen Konrad den Triener und gegen Ulrich dem Stromair. Und das beschlossen Rechtens alles begehrten die vorgenannten zwei Ankläger mir Vorsprechen des Gerichtsbriefes, den ich ihnen gebe von Gerichtwegen, versiegelt mit meinem eigenen anhangenden Insiegel, mir selbst und meinen Erben ohne Schaden. Das ist geschehen am Mondtag vor Sankt Martinstag, da man zählt nach Christi Geburt vierzehnhundert Jahr.“

Gemäß diesem Urtheile wurden diese drei genannten Bürger am 8. November auf öffentlichem Marktplatze enthauptet. Drei weitere Angeschuldigte lagen ein halbes 

Jahr lang gefangen, und mussten zur Strafe rothe Räder und Kreuze (wahrscheinlich auf dem Kleide), oder einen Strick um den Hals tragen, „auf daß man sollt sehen, daß sie bös wären.“ Mehrere andere Bürger, die bei der Verschwörung mitbetheiliget waren, entflohen aus der Stadt; unter diesen lief einer in die St. Peterskirche, tauschte mit einem dort betenden Priester die Kleider, und entrann in dieser Verkleidung, ein anderer sprang über die Stadtmauer, mehrere andere begruben und verdeckten sich in Mistwägen und wurden so aus der Stadt geführt.

Die Herzoge Ernst und Wilhelm hatten sich bei Endeckung dieser Verschwörung sogleich aus der Stadt begeben, kehrten aber nach geschehener Hinrichtung der Schuldigen wieder in ihre Residenz nach München zurück.

Das Jahr 1401 verlief im Ganzen für München ruhig. Sowohl die Herzoge als auch die ausgewanderten oder verbannten Münchener wandten sich an den neuen römischen König Ruprecht mit unablässigen Klagen und Bitten, ihnen Recht zu verschafften. In Folge dessen wurden auch mehrere Kongresse ausgeschrieben, auf Georgi 1401 zu Nürnberb, dann zu Heidelberg, auf Maria Geburt im September zu Augsburg und endlich zu Amberg. Aber eine Ausgleichung kam auf keinem dieser Tage zu Stande, „es war nichts“, wie Georg Katzmair in seinem Bericht sagt, „da ward viel geredt und nichts geendt“.

Und trotz dieser Wirren sehen wir doch in diesem Jahre die feindseligen Fürsten und die Bürger mehrmals zu München zu Ergötzlichkeiten und Festlichkeiten vereiniget. Im Monat Juni 1401 was daselbst eine große Feierlichkeit:

Der 72 Jahre alte Herzog Stephan hielt Hochzeit mit Elisabeth, der Tochter des Grafen Adolf von Cleve und Wittwe Rainalds von Ravenstein; rüstig sprand der alte Herr mit seiner jungen Frau in der Sonnenwende auf dem Markte zu München über das lodernde Johannesfeuer und tanzte mit den Bürgersfrauen und Jungfrauen um dasselbe. Bei Gelegenheit dieser Hochzeit war auch in München „in der Woche vor Antoni“ ein großes Turnier gehalte.

Zu Ende des Monates September in diesem Jahre zog König Ruprecht mit einem Kriegsheere durch Bayern und Tirol gegen den Herzog Visconti von Mailand, welcher weder ihn noch den Pabst anerkennen wollte. Mit ihm zog Herzog Ludwig der Gebartete.

Während Ruprechts und Ludwigs Abwesenheit kamen die Herzoge Ernst und Stephan zu Wasserburg zusammen und setzten da auf Sonntag nach Ostern, - 1. April 1402 – einen Tag fest nach Landshut, um dort die Sache gänzlich zu enden. An diesem Tage erschienen in Landshut die beiden Herzoge Ernst und Stephan mit vielen Rittern und Räthen, dann als Abgeordneter des römischen Königes dessen Rath, der Staufer, ferner die Abgeordneten der Stadt München Ulrich Dichtl und Leonhard Lang, und die geächteten Münchener Bürger Mathias Sendlinger, Hans Rudolf, Bartholomä Schrenk, Georg Katzmair, Franz Dichtl, Finsinger der Schneider, Gebhart der Schuster, Heintz der Goldschmid und Hans Offing.

Zuerst versuchte vor allem des Königes Rath, der Staufer, die streitige Sache der Herzoge zu schlichten.

Aber des Herzoges Stephan Halsstörigkeit vereitelte jede Ausgleichung, indem er auf dem Besitze der Stadt München fest beharrte. Es kam dabei zu harten Worten. Die Ritter der Herzoges Ernst sprachen: „Herzog Stephan fasst mit viel Dingen zu, ob es sich dessen nicht schäme!“ und ein Ritter rief: „Wahrlich, Herr! Gebt ihr Eueren Vettern jetzt nicht ein Ende, wie ihr es öffentlich geredet und geschrieben habt, so seid Ihr zu einem Fürsten desto untheurer und müsst sicherlich des Teufels sein!“

Hierauf wurden die Geächteten und die Abgesandten der Stadt München mit ihren Anklagen gegen einander verhört. Die Verbannten forderten die Aufhebung ihrer Verbannung, die Erlaubniß zur Rückkehr nach München und die Wiedererstattung aller ihrer eingeogenen Güter. Schwere Vorwürfe erfolgten gegenseitig, selbst des Herzoges Ernst wurde von denen von München nicht geschont und schriftliche Klagen auf einem Zettel gegen ihn vorgebracht.

Da schieden die Herren ungeeiniget und unversöhnter als ehevor.

Im Herzen aber blieben die Münchener dem Herzoge Stephan am meisten zugethan. Dieser suchte auch auf jede mögliche Weise sich einen Anhang in der Stadt zu machen und sich in der Gunst der Münchener Bürgerschaft zu erhalten. Er gelobte daher auch in einer Urkunde, gegeben zu München am Sonntag nach Georgi 1402, den Münchenern, denen er erst kurz zuvor ein Darlehen von 10000 ungarischen Goldgulden gegen Verpfändung der Steuergefälle schuldig geworden war, daß er die Stadt München in Niemands Hand oder Gewalt übergeben, sondern sie mit Theilung oder Urtheilsspruch zu seinen Handen bringen wolle; 

worauf die Stadt München in einer zweiten Urkunde von nämlichen Tage versprach; daß „wenn das ist und geschieht, also daß sie von den hochgeborenen Fürsten Herzog Ernst und Herzog Wilhelm Gebrüder der Eide, die sie ihnen zu ihrem Theile geschworen haben, ledig gesagt werden, sie dann dem obgenannten HerzogeStephan allein, dieweilen er lebt, getreulich beigeständig, beholfen, und unterthänig sein wollen.“

Am 2. Mai 1402 kam König Rupert mit Herzog Ludwig dem Gebarteten aus Italien zurück und trafen in München ein. Die Herzoge Ernst und Wilhelm bestürmten den König mit Klagen über die Umtriebe der Herzog Stephan und der Uneinigkeiten, die der Münchener wegen entstanden seien. Der König mußte nach dem bisherigen Erfahrungen wohl einsehen, daß eine gemeinschaftliche Regierung unter den Herzogen eine Unmöglichkeit sei, und durch eine solche nie eine dauerhafte Ruhe zu Stande kommen werde, indem schon der gemeinschaftliche Genuß der Einkünfte stets Anlaß zu Zwistigkeiten gab, wozu noch der beiderseitige Aufwand während der vorgängigen Streitigkeiten und Kriege, in Folge dessen die vielfältigen wechselseitigen Anweisungen auf die Einkünfte der gemeinschaftlichen Städte und Schlösser, dann die Verschiedenheit der Charaktere der Fürsten und ihre tiefgegründete Abneigung gegen einander kam. Der König als nächster Anverwandter des bayerischen Hause, fand es für nothwendig die Stelle eines Vermittlers zu übernehmen, und dabei unter den vorliegenden Umständen eine Theilung der Lande Bayerns vorzuschlagen, wie sie ehedem bestand. Der König lud daher die Herzoge 

Ernst und Wilhelm auf eine Tag nach Ingolstadt zu den Herzogen Stephan und Ludwig. Aber auch dieser Sühnetag war wieder ohne Erfolg, denn die Herzoge Stephan und Ludwig wollten durchaus zu ihrem Theile München haben und den Herogen Ernst und Wilhelm dagegen Ingolstadt geben, „und etwas kleines dazu, da München um 8000 Gulden Geldes (Einkünfte) mehr denn Ingolstadt“ ertrage.

Nach diesem abermals gescheiterten ersuche wurden die Neckereien und Fehden gegenseitig wieder fortgesetzt. Herzog Ludwig nahm den Patrizier Rudolf, einen der von Herzog Ernst hochgehaltenen Münchener Verbannten, gefangen, und führte ihn nach seiner Veste Baierbrunn. Die beiden Verbannten Schluder und Schrenk, auf welche Herzog Stephan einen Preis von 80 Gulden gesetzt hatte, konnten nur mit Mühe, der Gefangennahme entgehen. Die Herzoge Ernst und Wilhelm nahmen diese Gewaltthat höchst übel auf, und übten als Repressalie Feindseligkeiten gegen Land und Leute aus, welche den Herzogen Stephan und Ludwig gehörten. Herzog Ernst nahm am Sonntag nach Michaeli 1402 die Stadt und Veste Wasserburg ein, Herzog Wilhelm eroberte Aichach, beide Städte und Vesten des Herzoges Stephan.

Unterdessen trat doch eine bessere Wendung der Dinge ein. König Rupert sendete im Monat August 1402 den Herzog Ludwig den Gebarteten als seinen Großbotschaften nach Paris; dortselbst sollte er durch seine Schwester, die Königin Isabella, bewirken, daß Frankreich die dem Geleazo Visconti von Mailand geleistete Hilfe, welche hauptsächlich den italienischen Feldzug scheitern machte, zurückziehe.

Herzog Ludwig, der sich in Paris mit Anna, Tochter des Herzogs Johann von Boubon und Wittwe des Don Peter von Montpensier, die ihm als Brautschatz eine Summe on 95,000 Turonen zugebracht, verheiratete, kam erst um Georgi 1403 wieder nach München zurück.

Diese lange Abwesenheit des heißblütigen und unversöhnlichen Herzoges wurde benüßt, um den verderblichen Zwistigkeiten der Herzoge endlich ein Ende zu machen. Am Sonntag nach Michaeli, - 1. Oktober 1402, - kamen die Herzoge Ernst, Wilhelm und Stephan, dann die Abgesandten des innern Rathes derer von München, sowie der Vertriebenen, zuerst in Ingolstadt zusammen. Schiedsrichter für Herzog Stephan war Johannes I, Dechant und Bischof zu Regensburg, ein natürlicher Sohn Stephans; Schiedsrichter für die beiden Herzoge Ernst und Wilhelm waren Arnold von Chamer und Mächselrainer. Obmann war Burggraf Friedrich von Nürnberg. Obwohl nun auch hier eine Vereinigung noch nicht zu Stande kam, so gedieh doch die Sachs so weit, daß zur definitiven Entscheidung der Streitigkeiten auf Mondtag vor Martini, - 6. November 1402,- ein Landtag nach Freising festgesetzt wurde.

Dahin kamen auch die Herrn. Wenn auch hier nach vierwöchentlichem Bemühen bei dem Widerstreben des Herzoges Stephan der Streit noch nicht geschlichtet ward, so kam man doch überein, die beantragte Landestheilung gänzlich dem Ausspruche von Vierundzwanzigen aus der Landschaft unterzustellen, und zwar mit der Bestimmung, daß, falls eine Partei dem Ausspruche sich nicht 

Unterwerden würde, die Landschaft befugt und verpflichtet sei, den widerstrebenden Theil zur Verfolgung des Spruches anzuhalten. Zur Fassung dieses Spruches ward ein weiterer Tag auf Sonntag vor dem Christtag 1402, - 17. Dezember, - nach Ingolstadt festgesetzt.

An diesem Tage, - wobei jedoch die Abgesandten des inneren Rathes von München nicht erschienen, - erfolgte die Entscheidung der vierundzwanzig Schiedsrichter dahin, daß die bisherige gemeinschaftliche Regierung des Landes, welche der Zunder alles Uebels sei, aufgehoben und die Theilung vomJahre 1392 wieder hergestellt werde. Demgemäß erhielt Herzog Stephan den Antheil von Bayern-Ingolstadt, den er ehemals besaß, und die Herzoge Ernst und Wilhelm bekamen Bayern-München. In einer nochmaligen Zusammenkunft am 6. Jänner 1403 wurde festgesetzt, daß im Falle die Hauptstädte der beiden Theile, München und Ingolstadt, diesem Beschlusse widerstreben würden, derselbe mit Waffengewalt in Vollzug gesetzt werden sollte.
Somit war nun der langjährige Kampt zwischen den bayerischen Fürsten geendet, und die gemeinschaftliche Regierung, die in Oberbayern seit dem Jahre 1395 eingeführt war, wieder abgethan. Alle bayerischen Fürsten, mit Ausnahme des in Frankreichbefindlichen Herzogs Ludwig, unterwarfen sich diesem Spruche, und selbst Herzog Stephan erklärte in einer öffentlichen Urkunde, daß er die zwischen ihm und den übrigen Fürsten gepflogene Theilung gänzlich anerkenne und bekräftige.

Alle Städte huldigten nun ihren Fürsten, nur nicht München. Die Bürger von München verweigerten den 

Herzogen Ernst und Wilhelm die Huldigung aus dem Grunde, weil sie ihnen ihre Freiheiten und Rechte in dem von ihnen gewünschten Umfange nicht bestätigen wollten. Schleunigst schickten die von München Botschafter an Herzog Ludwig nach Frankreich, um ihn nach Bayern zurückzurufen und sich zugleich bei ihm Raths zu erholen, was in dieser Lage für sie zu thun wäre. Zugleich aber beschlossen sie, sich zur Wehre zu setzten, da sie nach den Bestimmungen des Beschlusses vom 6. Jänner 1403 militärische Erekution zu befürchten hatten. Es wurde daher die Brücke, die in die neue Veste führte, abgeworfen und zwischen dieser und der Stadt Verschanzugen und Palisaden (eine „große Tüll“ nennt sie Georg Katzmair in seinem Gedenkbuche) errichtet, in die Stadtgräben wurde Wasser eingeleitet, die Thürme und Brustwehre wurden mit den damals schon im Gebrauch befindlichen Donnerbüchsen oder kleinen Kanonen besetzt, das Angerthor wurde geschossen und vermauert, *) und die Bürgerschaft bewaffnete sich.

Aber die Herzoge Ernst und Wilhelm riefen vertragsmäßig die Erekution der Landschaft an; rasch trat das ganze Land Bayern, selbst das Niederland untern Anführung des Herzoge Heinrich von Landshut und Johann von Straubing unter die Waffen. Mitten im Winter, im Monat Februar, rückten zwei Kriegsheere gegen die Stadt München heran, das eine unter Anführung 

Der Herzoge Ernst und Wilhelm mit tausend Pferden gegen Mosach, und unter Herzog Johann mit tausend Pferden gegen Feldmoching, das andere Heer unter Anführung des jungen kriegslustigen Herzogs Heinrich von Landshut über Erding an den Gasteigberg. Am Mondtag den 26. Februar 1403 gelangte die Armee vor München, stürmte die Isarbrücken und schnitt der Stadt das Wasser in den Kanälen ab. Sechshundert Münchener Bürger machten dagegen einen Ausfall aus den Thoren, wurden aber zurückgeschlagen und mussten sich wieder in die Stadt flüchten. Am Aschermittwoch – 28. Februar – zogen die Heere abermals vor München, ohne daß jedoch diesmal die Münchner einen Ausfall machten, nur vier Büchsenschüße fielen in die Stadt. Ein Kampf fand an diesem Tage nicht statt, hingegen aber verbrannten die Belagerer alle Häuser und alle Mühlen um die Stadt, sowie alle aufgeschichteten Holzvorräthe. – Herzog Johann von Straubing zog nach einigen Tagen jedoch über die Isar wieder heim, ohne daß und die Ursache dieses Rückzuges bekannt ist.

Die Belagerung Münchens durch die anderen drei Herzoge, Ernst, Wilhelm und Heinrich dauerte bis zur Zurückkunft Herzogs Ludwig aus Frankreich im Monate April 1403 fort, jedoch ist über die näheren Umstände dieser Belagerung sowie deren Verteidigung keine sichere Kunde auf unsere Zeiten gelangt; jedenfalls scheint sich die Stadt München, obwohl von den Herzogen hart gedrängt und vom alten Stephan ihrem Schicksale überlassen,durch eigenen Kraft gehalten zu haben.

Herzog Ludwig genehmigte mittelst Urkunde, gegeben 

Zu Aichach am 22. April 1403, die in seiner Abwesenheit gepflogene Landestheilung. Durch eine weitere Urkunde aber, gegeben zu München am nächsten Freitag nach St. Georgi 1403, erneuerte Ludwig mit der Stadt das alte Bündniß und verpflichtete sich auf eine eben so worttreue als ritterliche Weise, der Stadt beizustehen und sie zu vertheidigen, bis ihre wechselseitigen Streitigkeiten mit den Herzogen Ernst und Wilhelm entweder im Wege der Güte oder des Rechtes entschieden sein würden. Zugleich leitete Herzog Ludwig gütliche Unterhandlungen ein, und es wurde Burggraf Friedrich von Nürnberg von beiden Parteien als Schiedsrichter gewählt und aufgestellt.

Zu Freising am 31. Mai 1403 erfolgte sein Spruch: Alles, was zwischen den beiden Herzogen und er Stadt München in Kriegsweise vorgefallen, soll wechselseitig verziehen und dergestalt vergessen sein, daß keinem der Münchner Bürger diese Sache wegen von Seite der Herzoge je das geringste Leid widerfahre; würden die Herzoge diese Artikel nicht halten, so haben die Münchner das Recht, mit vereinter Kraft zu widerstehen. Die bisherigen Freiheiten der Stadt werden von den Herzogen bestätiget, namentlich das Recht, ihre Mitbürger selbst zu richten und zu strafen, und dieselben werden nur in der Stadt auf dem Rathhause von den eigenen Stadtrichtern gerichtet. Den bisher von dem Rathe bestraften und aus der Stadt verbannten Bürger soll ihre Strafe nachgelassen und sie in Gnade wieder aufgenommen werden; aber auch bürgern, welche in der Stadt nicht verbleiben wollen soll die Auswanderung an andere Orte nicht verwehrt werden.

Weiters sollen die Gefangenen losgegeben, die Schatzungen aufgehoben, die Eroberungen zurückgestellt, und die Befestigung der Stadt niedergerissen werden. Die Bürger von München entsagen ihrem bisherigen feindlichen Vereine gegen die Herzoge und erkennen dieselben als ihre gnädige Obrigkeit.

Diesem Spruche unterwarfen sich alle Theile.

Noch am nämlichen Tage – 31. Mai – sagten die Herzoge Stephan und sein Sohn Ludwig, jeder in einer besonderen Urkunde, die Stadt von ihren ihnen geleisteten Eiden los. Diese merkwürdige Urkunde lautet:

„Wir Ludwig von Gottes Gnaden, Herzog in Bayern ec. entbieten den Bürgern gemeiniglich, reichen und armen, der Stadt zu München unsern Gruß und Förderung. Liebe Getreue! wir lassen euch wissen von solcher Theilung wegen als unser lieber Vater Herzog Stephan und unsere lieben Vettern Herzog Ernst und Herzog Wilhelm unser Land jetzt miteinander getheilt haben. Nun ist München, und was dazu gehört, denselben unsern Vettern mit Theil angefallen nach der alten Theilbriefe Sag. Davon schaffen wir mit euch, und meinen auch ernstlich, daß ihr den obengenannten unsern Vettern und ihren Erben huldiget, schwört und gelobt, unterthänig, gehorsam und gewärtig zu sein als euern rechten Erbherrn, und wenn ihr das also thut und gethan habt, so sagen wir euch, euere Erbe und Nachkommen, euerer treuen Eide und Gelöbniß, der ihr uns vor dieser Theilung schuldig seid gewesen, für Uns und Unsere Erben gänzlich ledig und los mit gegenwärtigem Briefe, der gegeben und mit Unserem Insiegel  versiegelt ist zu Freising am Sankt 

Petronellen Tag anno Domini millesiomo quadringentesimo tertio.“

Die Entlassungs-Urkunde des Herzogs Stephan ist gleichlautend mit dieser.

An gleiem Tage bestätigten auch die Herzoge Ernst und Wilhelm von Freising aus den Bürger von München alle ihre bisherigen Freiheiten, Rechte, Gesetzte, gut Gewohnheiten, insbesondere das Rechtsbuch, den Brandbrief und alle anderen Briefe, „die sie von aller vergangenen Herrschaft, wie die genannt ist, also auch von den Herzogen Stephan und Ludwig bis auf den heutigen Tag gehabt haben.“

Am folgenden Tage, den 1. Juni 1403, ritten die Herzoge Ernst und Wilhelm in Begleitung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg und des Herzoges Heinrich von Landshut in die Stadt München ein und empfingen den Huldigungseid von Seite der Bürger. Die Herzoge erhielten dabei nach Sitte der damaligen Zeit von dem Rathe das übliche Huldigungs-Geschenk, und es findet sich daher in den Stadtkammerrechnungen eine Ausgabe verzeichnet „um Wein und um Fisch, das man Herzog Ernsten, Herzogen Wilhelm, HerzogenHeinrich, dem Burggrafen von Nürnberg, und Herzog Ernsts Hausfrau schankt, da sie  all miteinander von Freising nach München kamen.“

Bei so veränderter Sachlage konnte nicht fehlen, daß bald die Reaktion im Stadtregimente eintrat, und die alte Ordnung der Dinge wiederhergestellt wurde. Schon nach wenigen Tagen, am 15. Juni 1403, wurden neue Rathswahlen vorgenommen, wobei sämmtliche Vertriebene, unter 

Ihnen auch Georg Katzmair, wieder in ihre Stellen eingesetzt wurden. Jene Männer, welche in diesen vergangenen unruhvollen Zeiten die Hauptfiguren gespielt hatten, die Dichtl, Jörgner, Lang, Mendelhauser, Poschel, Haldenberger ec. Und die bisher im innern Rathe saßen, mussten nicht nur abtreten, sondern es wurden besonders jene, welche die Gemeindekasse zu verwalten gehabt hatten, zur Verantwortung gezogen, und da es sich zeigte, daß die Stadt unter ihrer Verwaltung in große Schuldenlast gerathen war, wurden sie nicht nur zum Schadenersatze, sondern auch in Geld- und Gefägnißstrafen verurtheilt. Es zeigte sich selbst die Nothwendigkeit, die ganze städtische Verfassung einer gründlichen Revision zu unterwerfen, welche auch erfolgte und von den Herzogen Ernst und Wilhelm mittelst einer eigenen Urkunde unter dem Namen des sogenannten Wahlbriefes am Dinstage von St. Bartholomä 1403 – 21 August – bestätiget wurde. In dieser neuen magistratischen Verfassung ist von den etwas demokratischen geschworenen der Dreihundert gar keine Rede mehr, und die Redner der Gemeinde werden ausdrücklich abgethan.


So war endlich der Bürgeraufruhr in München, der sechs volle Jahre gewährt hatte, geendet; es war wieder Ruhe in München und für Bayern zurückgekehrt, aber die beiden Linien, Bayern-München und Bayern-Ingolstadt, blieben von nun an getrennt.

 

 


*) Das Angerthor blieb auch nach wiederhergestelltem Frieden zugemauert, und wurde erst wider eröffnet nach vier hundert Jahren am 25. Oktober 1806


Denkmal an Gerd Müller