Münchner Sagen & Geschichten

Die Ordensschwester Clara Hortusana im Kloster am Anger. 1680

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Die Schwester Clara Hortusana, zugenannt „von den Zähren Christi," gebürtig zu Embach, trat in ihrem 18. Lebensjahre am 27. August 1680 in das St. Clara-Kloster am Anger in München. Bald nach ihrer Einweihung wurde sie von schweren und schmerzhaften Krankheiten befallen, in Folge deren sie stets schwächlich blieb. Von nun an verfiel sie in Verzückungen und bekam Anfälle und Erscheinungen, von denen uns Pater Barnabas Kirchhuber in seinem Buche: „Gnaden- und tugendreicher Anger, München 1701," seltsame Dinge berichtet. Häufig wurde sie von Teufeln, die ihr erschienen, innerlicher Anfechtungen zu geschweigen, geplagt und sogar auch körperlich mißhandelt. Hingegen aber hatte sie auch oft Erscheinungen der jungfräulichen Mutter Gottes und ihres göttlichen Kindes, von Heiligen und von Engeln, die ihr Trost zusprachen und sie. stärkten. Ihr innigster Wunsch und ihr inbrünstigstes Gebet war, aus Liebe zu Gott ihr Blut als Märtyrin vergießen zu können; endlich wurde sie auf folgende wunderliche Weise erhört.

Als Hortulana einstmals nach der Kollation aufden obern Chor gegangen, allda ihr Gebet zu verrichten, kam der Teufel und plagte sie mit heftiger Anfechtung, ist aber von ihr überwunden worden; doch versetzte er ihr einen Schlag an die Stirne, mit welchem er ihr ein Brandmal aufdrückte, das sie bis zu ihrem Tod behielt. Hierauf aber wurde sie ihrem heiligen Schutzengel übergeben, welcher, um sie nach ihrem Verlangen zur Märtyrin zu machen, Angesichts dreier andern Schwestern aus dem obern Chor in den untern Chor an ein Betpult warf, so daß sie am Schlafe eine große Wunde bekam, aus welcher Blut und nachher Wasser floß.

Häufig erschienen ihr arme Seelen, deren mehrere sie aus dem Fegefeuer erlösete, aber dafür auch von ihnen viele Gegendienste und kräftige Unterstützung gegen die teuflischen Anfalle erhielt. Für deren Erlösung betete sie Tag und Nacht, fastete vielfach streng, unterwarf sich harten Disciplinen, wachte ganze Nächte und erbettelte solche wohlthätige Handlungen auch von andern ihrer Mitschwestern.

Sehr wunderbar ist folgendes Ereigniß, das ihr zustieß, welches wir so viel als möglich aus dem klösterlichen Auszuge ihrer eigenen hinterlassenen Schriften hiemit geben.

Anno 168S den 27. August, ungefähr um 10 Uhr Nachts, ist die gottselige Schwester Clara Hortulana auf die in dem Kloster also genannte St. Anna Kapelle gegangen, allda ihr Gebet zu verrichten. Gleich darauf, als sie zu beten anfangen wollte, sind etliche Seelen aus dem Fegefeuer zu ihr gekommen und sagten: Hortulana! es steht dir ein großer Kampf bevor, streite, überwinde, und schenke uns deine Verdienste! Nach diesen Worten verschwanden sie wieder. Hortulana wollte fortfahren zu beten, konnte aber nicht, indem alsbald eine große Anzahl Teufel zu ihr kamen, mit großem Grimme, als wenn sie sie in Stücke zerreissen wollten, und ihr zuriefen: Du mußt mit uns, du mußt mit uns!! Mit diesen Worten eröffneten die Teufel ihr die Hölle und zeigten ihr in derselben einen entsetzlichen Ort, ihr zurufend: dieser Sitz gehört für dich! Sodann setzten ihr die Teufel mit allen möglichen Versuchungen so zu, daß sie meinte, sie müße verzweifeln. Aber sie wendete sich zu den Teufeln und redete sie also an: Jhr vermaledeiten Teufel! weichet von mir, mein allerliebster Jesus hat für meine Sünden genug gethan, also hoffe ich auf seine unendliche Barmherzigkeit! Auf diese Worte singen die Teufel an „entsetzlich zu plärren," verschwanden mit großem Grimme, und überließen der heroischen Heldin den Sieg. Während dieses Streites aber, welcher drei Stunden lang wahrte, kam eine arme Seele hinauf zu der oberen Winde, und hat mit der Ordinari-Glocke (welches sonsten niemals geschieht, auch in der größten Noth nicht, weil in solchem Falle die Schwestern ein anderes kleines Glöckchen zu läuten pflegen), hinaus zu ihrem geistlichen Vater geläutet, und zwar sechsmal, so daß der Beichtvater sich hierüber sehr entsetzet, und hin und her gelaufen, um zu fragen, was dieses ungewöhnliche Läuten bedeute, indem er furchtete, es möchte eine oder mehrere Schwestern in den letzten Zügen liegen, oder sonst ein großes Unglück dem Kloster zugestoßen sein. Weil aber der Beichtvater keine Schwestern erblickte, fing er ebenfalls an einer Glocke stark zu läuten an, worauf endlich mehrere Schwestern herbei kamen. Während aber Niemand aus dem Lärmen klug werden konnte, bemerkte man einen Brand geruch, und als man diesem nachging, zeigte sich, daß die Handhabe an der Glocke angebrannt sei. Auch wurden zunächst an der Winde zwei tief eingebrannte Menschentritte gefunden. Als der Pater Beichtvater hiervon in Kenntniß gesetzt wurde, vermuthete er gleich ganz richtig, es müsse eine arme Seele da Hilfe gesucht haben, und die Brandflecken daher vom Fegefeuer herrühren. Man beschloß deshalb, alsbald die Schwester Hortulana kommen zu lassen, als die in diesen Dingen erfahrenste Person; aber Niemand wußte, wo sie war! Endlich wurde sie von einer Schwester in der St. Anna-Kapelle gefunden. Als sie eine Schwester hörte und sah, vermeinte sie, sie sehe und höre einen Engel; sie stand gleich auf, ging zu dem Beichtvater und erzählte ihm den ganzen Verlauf. Hierauf befahl der Beichtvater der Schwester Hortulana, sie solle alsbald in den Chor gehen und die armen Seelen fragen, ob eine aus ihnen ihrem geistlichen Vater geläutet habe, wer diese arme Seele bei Lebzeiten gewesen sei, und ob selbige die zwei Menschentritte eingebrannt habe, und warum? Hortulana war hurtig gehorsam, ging, obgleich äußerst schwach und kraftlos, in den Chor hinein und dankte Gott für die erhaltene Viotori. Unterdessen kamen etliche arme Seelen aus dem Fegefeuer zu ihr, und sagten einstimmig: wir haben Gott für Dich gebeten, jetzt bitte Du Gott für uns, und erlöse uns von unserer Pein! Als hierauf Hortulana sie um dasjenige, was ihr von dem Beichtvater anbefohlen war, fragte, antwortete gleich eine aus diesen Seelen, sagend: „Jch bin diejenige, die dem geistlichen Vater geläutet, ich habe die zwei Fußtritte eingebrannt, und zwar darum aus sonderbaren Gnaden Gottes diesesZeichen hinterlassen, auf daß Du glaubest, daß ich Dir beigestanden und Dir geholfen; hilf mir nun auch, und schenke mir eine heilige Communion." Hortulana fragte die Seele weiters, wer sie wäre? Diese antwortete aber: „Es sei ihr noch nicht erlaubt, sich zu nennen. Hortulana solle für sie beten und die heilige Communion für sie verrichten." Hortulana referirte dies ihrem Beichtvater, welcher ihr erlaubte, noch an selbigem Tage ausnahmsweise zu beichten und zu communieiren, und das, was die arme Seele gebeten, zu verrichten. Nachdem dieses alles geschehen, kam die Seele wieder zur Schwester Hortulana, und dankte ihr für die Erfüllung ihrer Bitten. Den Auftrag ihres geistlichen Vaters befolgend, fragte Hortulana noch einmal: wenn es zur größeren Ehre Gottes sei, solle sie entdecken, wer sie sei? Hierauf sagte dieselbe: „Jch bin Berthold ein Bischof von Freising. Liebe und lobe Gott." Nach welchen Worten er ganz glorwürdig in den Himmel gefahren. Ist also Bertholdus, ein Bischof zu Freising, welcher gegen kanonische Wahl auf krummen Wegen den Stuhl des heiligen Korbinian bestiegen hatte, und auf 

dem Schweinemarkt zu Freising vier Wiener Bürger unschuldig enthaupten ließ, deshalb wohl in das Fegefeuer gekommen, aber durch das Gebet und die Verdienste der gottseligen Schwester Clara Hortulana den 28.August aouo 1689 wieder aus dem Fegefeuer erlöset worden. 

Schwester Clara Hortulana starb am 24.October 1689, ihres Alters im 27. Jahre.


 Hortusana Clara

Stadtmodell von Sandtner