Münchner Sagen & Geschichten

Der große Christoph am Eiermarkt

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Dieses große Bild ist aber keineswegs das des heil. Christoph, sondern das des heil. Onuphrius.

Die Legende erzahlt Folgendes von ihm:

Es war einmal in uralten Zeiten ein König in Persien, dessen Gemahlin in gesegneten Umständen sich befand.

Da ergriff den König falsche Eifersucht; er hielt seine Gemahlin für untreu, und das zu erwartende Kindlein für das eines Buhlen. Er befahl daher, das Kindlein, sowie es zur Welt käme, sogleich in's Feuer zu werfen. Es geschah auch; aber sowie das Knäblein das Feuer berührte, erlosch dieses und also ward die Treue der Königin offenbar. Auf Befehl Gottes, durch einen Engel ihm geoffenbart, überbringt der König sein Söhnlein, das Onuphrius genannt wurde, nach Aegyptenlemd in das Kloster Hereti unweit Hermopolis, in welchem hundert Mönche in gottseliger Einhelligkeit lebten. Hier ließ der König sein Söhnlein zurück, wo es in großer Tugend und Frömmigkeit aufwuchs. Aber vom Geiste Gottes getrieben, verließ Onuphrius das Kloster, und begab sich ganz allein in eine wilde Wüstenei, um dort als Einsiedler zu leben. Sechzig Jahre brachte er hier im Gebete und frommer Betrachtung zu, ohne einen andern Menschen zu sehen. Hier lebte er von den Wurzeln des Waldes und von Quellwasser; weder die glühenden Strahlen der Sonne, noch die rauhen Nachtfröste schadeten ihm; seine Kopfhaare und Bart wuchsen ihm in solcher Menge und Fülle, daß sie ihm bis auf die Füße niederwallten und seinen Leib wie ein Kleid bedeckten. Da geschah es, daß der heilige Paphnutius vom Geiste in eben diese Wüste geführt wurde; dem begegnete ein Mensch von riesiger Größe, mehr einem 

wilden Thiere als einem Menschen gleichend, es war Onuphrius. Beide bewohnten nun mitsammen die Wildniß, und wurden taglich auf wunderthätige Weise von Gott mit Brod gespeiset. Als endlich St. Onuphrius starb, flog seine Seele als weiße Taube, vom ganzen himmlischen Heere begleitet, gegen Himmel; seinen Leichnam aber begruben zwei Löwen. Paphnutius begab sich hierauf zurück in das Kloster Hereti, um das Leben des heil. Onuphrius zu offenbaren. Da erhoben die Mönche seinen heiligen Leib.

Im ganzen christlichen Oriente stand von nun an der heilige Onuphrius in großer Verehrung, und man malte häufig sein Bild, auf welchem er nackt, mit Zweigen umgürtet, von riesiger Größe und einen Knotenstock in der Hand abgebildet wurde.

Jahrhunderte waren verfloßen, da kam Herzog Heinrich der Löwe auf seiner Pilgerfahrt in's heilige Land auch nach Aegypten und besuchte die Einsiedeleien der Wüste. Hier vernahm er die wunderbaren Erzählungen von dem Leben des heil.Onuphrius, von seinen Wunderthaten und seiner Fürbitte bei Gott. Herzog Heinrich erwählte ihn daher zu seinen besonderen Schutzpatron und erbat sich von den Mönchen des Klosters, wo der Leichnam ruhte, eine Abbildung desselben und einen Theil seiner Hirnschale.

Dort im Walde traf der Herzog auf einen Löwen, der im Kampfe mit einem feuerspeienden Drachen war. Der Herzog erschlug mit seinem guten Schwerte den Drachen, worauf der gerettete Löwe ihm dankbar folgte auf der 

Heimfahrt über die See. Davon erhielt Herzog Heinrich den Beinamen des Löwen.

Als nun Herzog Heinrich in München einzog, wurde ihm das Bild des heil. Onuphrius und dessen Reliquie vorgetragen, und daher entstand die Sage, der Heilige sei selbst so, wie er am Eiermarkt abgebildet ist, in die Stadt eingezogen.

Das ursprüngliche Bild ist wahrscheinlich bei dem großen Stadtbrande im Jahre 1327 mit der alten Burg zu Grunde gegangen, die Reliquie aber kam bereits im Jahre 1180 nach Braunschweig. Von diesem Bilde wurden mehrere Abbildungen gemacht; eine solche, welche als Wandgemälde in dem im Jahre 1857 in der Promenadestraße abgebrochenen Hause, das seiner Zeit dem Herzog Wilhelm V. zugehörte, aufgefunden wurde, besindet sich jetzt im bayerischen Nationalmuseum. Das am Marienplatze angebrachte Bildniß des Heiligen wurde im Jahre 1496 am Hause des Melbers Aichinger angemalt, und im Jahre 1735 sehr schlecht renovirt.


 Sehenswürdigkeit

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