Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Titel | Ein Wochenende in München |
Untertitel | Kunst, Propaganda und Terror im Dritten Reich |
Autor:in | Wistrich Robert S. |
Verlag | Insel |
Erscheinung | 1996 |
Seiten | 176 |
ISBN/B3Kat | 3458167692 |
Kategorie | Nationalsozialismus |
Suchbegriff | Nationalsozialismus Drittes Reich |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
»Deutsche« Kunst, Kultur und Ästhetik im Dritten Reich, die Faszination und Selbstdarstellung des Systems, die »Inszenierung« der Macht und Nazi-Propaganda: der »Tag der Deutschen Kunst« 1939.
Dieses Buch gibt einen einzigartigen Einblick in die Mythen, Illusionen und politischen Mystifizierungen, die die trügerische Fassade des Nazismus gestützt haben - mit Bildern, die bislang noch nicht zu sehen waren.
Den »Tag der Deutschen Kunst« in München am Wochenende vom 14. bis lö.Juli 1939 hielt ein talentierter Amateurfilmer in einem — erst kürzlich entdeckten — Farbfilm fest, mit Bildern, die nie zuvor zu sehen waren. Die Zeit des Nationalsozialismus ist vor allem in Schwarzweißbildern dokumentiert. So ist die Kraft, die diesen Farbbildern innewohnt, zutiefst beunruhigend.
Sie beschwören eine Vergangenheit herauf, die sorglos und froh scheint, voll von Hoffnung und gewissermaßen unschuldig. Die bunten Kostüme und Banner, der blaue bayerische Himmel und die braunen Hemden verschmelzen in verführerischer Harmonie, an die sich die heute noch lebenden Teilnehmer und die Beobachter der Parade erinnern. Die satten Farben des Münchner Amateurfilms machen die dunkle Seite des Nazismus nur um so deutlicher. Die Bilder lassen die Personen in einem harten, modernen Relief erscheinen, die Wochenschau hat plötzlich die Dringlichkeit der neuesten Nachrichten angenommen. Zur Zeit des Films war Hitler auf dem Gipfel seiner Macht, nur sechs Wochen vor der Invasion in Polen. Während er den »Tag der Deutschen Kunst« zelebrierte, wurde der Boden bereitet für Hitlers Pakt mit Stalin. Nahezu die ganze Nazi-Hierarchie war in München anwesend und wurde in einer ungewöhnlich inoffiziellen, fast legeren Atmosphäre auf den Film gebannt. Die Banalität ihrer Erscheinung entspricht der Derbheit ihres Geschmacks - aber auch das war ein Teil ihrer Anziehungskraft. Die Nazis waren Meister der Orchestrierung der Macht, mit einem sicheren Gespür für ihr Publikum.
Die Ästhetik der Nazis und ihre Fähigkeit, den Mythos einer wiedergeborenen Nation, die alle »Unreinheiten« brutal ausmerzte, zu vermarkten, enthalten auch eine Warnung für die Gegenwart. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und darüber hinaus wird die faschistische Versuchung mit neuer Kraft wiederbelebt. Sie wird nicht ohne ein tieferes Verständnis der Gründe ihrer fatalen Anziehungskraft unter Kontrolle zu bringen sein.
In Ein Wochenende in München analysiert der Historiker Robert Wistrich auf überzeugende Weise, wie die Nazis Kunst, Massenkultur und Mythologie nutzten, um das Volk zu mobilisieren und zugleich ihr Regime zu rechtfertigen. Und Wistrich schreibt mit seinen Texten gegen die Suggestivkraft der Farbfotos an.
Robert S. Wistrich ist Professor für moderne europäische Geschichte an der Hebrew Uni-versity in Jerusalem. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen sind Who's Who in Nazi Germany (1982), Hitler's Apocalypse (1985), The Jews ofVienna in the Age of Franz Joseph (1989), das den Österreichischen Staatspreis für Geschichte gewann, und Antisemitism: The Langest Hatred (1991), das 1992 den Wingate-Preis erhielt. Wistrich ist der erste Inhaber des Jewish Chronicle Chair for Jewish Studies an der Universität von London, und er ist im Vorstand des Leo Baeck Institute und Mitherausgeber der East European Jewish Affairs.