Die letzte Reise
Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern
Vorwort
Der
Tod ist ins Gerede gekommen. Allerorten beklagt man heute das anonyme Sterben in der Klinik, die Verdrängung des
Todes. Als Ursachen sind der Schwund des Religiösen, die Lockerung der Familienbande, die Auflösung gewachsener Lebenszusammenhänge, die Verstädterung und Einige -lung auf Kleinstgruppen oder Isolierte genannt worden. Doch behebt das Aufdecken der Gründe nicht unser Malaise, im Gegenteil. Nachdem die fortschrittsgläubige Moderne den
Tod zum Betriebsunfall erklärt und tabuisiert hatte, rückt er jetzt wieder zu einem zentralen Thema auf. Man begreift, daß sich das Leben aus dem
Tod definiert: ohne ihn ist es undenkbar. Mythen und Märchen vom vorübergehend suspendierten
Tod, der schließlich herbeigesehnt wird, haben das immer gewußt.
Welche Rolle der
Tod früher spielte, wie durch das Denken an ihn das Lebensgefühl gesteigert wurde, wie man ihn annahm, mit ihm umging, über ihn hinausdachte, sich ihm verschloß, mit ihm disputierte oder sich abfand, will diese Ausstellung zeigen. Sie bietet kein Patentrezept, möchte aber Reflexion und Diskussion anregen. Zugleich blättert sie ein kulturgeschichtliches Kapitel von ungeahnter Vielfalt der Lebensäußerungen und einer Farbigkeit auf, die unser fune-rales Schwarzweiß-Denken beschämt.
Der
Tod wurde, als Endpunkt der irdischen und Durchgang zur jenseitigen Existenz, in den Lebensplan einbezogen. Überall war er zugegen: als Memento mori, Prozession, Requiem, Kreuz, Epitaph, Denkmal,
Friedhof und Feier, um nur einige der augenfälligsten Formen zu nennen. Ständig war er in den Alltag eines jeden verwoben, in der Stadt wie auf dem Lande.
Und diesem Jedermann sucht die Ausstellung auf die Spur zu kommen. Sie tut es am Beispiel Münchens und seines oberbayerischen Umlands, was keine provinzielle Einengung, sondern Genauigkeit der Beobachtung bedeutet. Nur die Nahsicht vermag ein einigermaßen geschlossenes Bild zusammenzusetzen und die Einzelheiten der Mentalität, der Zeremonien, Sitten und Lebensäußerungen in den Zusammenhang zu stellen, aus dem sie verständlich werden.
Nichts verschwindet rascher und spurenloser als gesellschaftliche Praktiken. Fürstliche Leichenfeiern und Grablegen, fromme Patrizierstiftungen, viel Gemeißeltes und Gedrucktes hat sich erhalten und soll der Erhebung wie der Schaulust dienen. Schwieriger sind die unendlich vielfältigen Vorkehrungen, Bräuche und Zeichen der Pietät gewöhnlicher Sterblicher zu dokumentieren, mit denen man den
Tod als Teil des Alltags umgab. Das Durchforsten von Sammlungen, Kirchen, Heimatmuseen, das Achten auf Abgelegtes im eigenen und fremden Umkreis hat aber auch hier ungeahntes Material zutage gefördert, das Forschung und Museen vor reizvolle Aufgaben stellt, dem Publikum aber gleichsam ethnographisch eine trotz aller Nähe versunkene Welt ins Gedächtnis zurückruft.
Unser aufrichtigster Dank gilt Frau Sigrid Metken, die dies alles geleistet hat. Mit ihrer ganz eisern auf Nähe eingestellten Optik hat sie ein Bild vom
Tod angefertigt, das jene Tiefenschärfe und Klarheit besitzt, die wir bisher immer nur ehrfürchtig und auch neidvoll in Arbeiten und Ausstellungen der neueren französischen Ethnologie konstatiert haben.
Christoph Stölzl
Münchner Stadtmuseum
Peter Steiner
Diözesanmuseum Freismg
- Vorbemerkung
- Josef Maß, Sterben und Tod aus der Sicht eines katholischen Pfarrers
MEMENTO MORI
- Memento mori in Bildern
- Disput mit dem Tod
- Ars bene moriendi, Sterbepatrone und Bruderschaften
- Sterbepatrone
- Bruderschaften »zu Hilf und Trost der Sterbenden«
- Das Sterben lernen: Ars bene moriendi heute
- Sterbekreuze, Kerzen und Testamente
- Sigmund Benker, Einige bamsche Testamente
- Die gewonnenen Jahre
- Wilhelm Girstenbrey, Medizinische Wege und Irrwege im Kampf gegen den Tod
DIE LETZTE REISE
- Sigrid Melken, Zeremonien des Todes. Sterberiten und Trauergepränge in München und Oberbayern
- Ursula Weigl, Lieber Alois (Ein Brief von 1836)
- Ludwig Thoma, Das Sterben
- Lena Christ, Feierabend
- Sterben
- Seelnonnen
- Sterbesakramente
- Nottaufen
- Abschied
- Der einsame Tod
- Tod
- Der Augenblick danach
- Der Tod wird publik gemacht
- Aufbahrungen
- Heinz Gebhardt, Leichenporträts in treffender Ähnlichkeit
- Hermann Dannbeimer, Totenbrauchtum in vor- und frühgeschichtlicher Zeit
- Rudolf Albert Maier, Landfahrer-Gräber auf den »Galgenwiesen« bei Erding
- Georg Heckel, Das evangelische Begräbnis
- Pinchas Biberfeld, Gedanken eines Rabbiners über den jüdischen Tod
- Exkurs: Vom gewaltsamen Tod, Katastrophen und Kriegen
- Krieg und Bürgerkriege
- Seuchen
- Unfälle
- Ermordungen
- Michael Schattenhofer, Der Tod durch den Henker
- Hinrichtungen
- Selbstmorde
- Dachau
- Trauer
- Hans Schmid, Requiem, Trauermusik und Grabgesang
- Elisabeth Heller- Winter, Trauerkleidung
- Trauertrachten
- Trauermoden
- Bestattung
- Peter Pinnau, Die Majestät des Todes. Zu den Münchner Friedhofsanlagen Hans Grässels
- Aussegnung
- Leichenzug
- Am Grabe
- Der Totengräber
- Erich Scheibmayr, Totengräber
- Leichenschmaus
- Ulrike Zischka, Der Leichenschmaus
- Herr, gib ihnen die Ewige Ruhe
- Marianne Kendler, Katholische Leichenpredigten im Barock
- Rupert Berger, Vom geschichtlichen Werden der christlichen Sterbe- und Begräbnisliturgie
- Oliva Wiebel-Fanderl, Der Fegfeuer- und Armenseelenkult
- Zeichen in der Landschaft
- Hans Roth, Zeugnisse des Totengedenkens in der Landschaft
IN MEMORIAM
- Gräber in Kirchen, Epitaphien
- Peter Bernhard Steiner, Grabmäler in Münchner Kirchen
- Steffi Röttgen, Der Südliche Friedhof in München.
Vom Leichenacker zum Campo Santo
- Die jüdischen Friedhöfe Münchens
- Grabmäler
- Karner und Schädelkult
- Sigrid Melken, Seelkerker, Schädel und Totengebein
- Ulrike Zischka, Blechblumenschmuck und Perlkränze
- Trost
- Christlicher Trost
- Sterbebilder
- Sigrid Melken, Epitaphe aus Papier
- Unsterblichkeit in dieser Welt
- Peter Bernhard Steiner, Unsterblichkeit in dieser Welt
- Kondolieren
- Andacht am Grabe
- Totenandenken
- Totenmasken und Gedenkstücke
- Kriegermale und Trauertage
- Rolf Förster, Gefallenenbestattung und Kriegerdenkmal im Wandel der Jahrhunderte
- Anna Mary Howitt, Allerheiligen in München um 1850
- Josef Ruederer, Allerheiligen auf dem Südlichen Friedhof um 1900
- Bibliographie Register