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Die letzte Reise

Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern

Titel Die letzte Reise
Untertitel Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern
Autor:in Metken Sigrid
Verlag Hugendubel Heinrich GmbH
Buchart Broschiert
Erscheinung 1998
Seiten 388
ISBN/B3Kat 3880342474
Kategorie Brauchtum 
Suchbegriff Tod Beerdigung Trauersitten Friedhof 
Regierungsbezirk Oberbayern
Zitierhinweis:

Vorwort
Der Tod ist ins Gerede gekommen. Allerorten beklagt man heute das anonyme Sterben in der Klinik, die Verdrängung des Todes. Als Ursachen sind der Schwund des Religiösen, die Lockerung der Familienbande, die Auflösung gewachsener Lebenszusammenhänge, die Verstädterung und Einige -lung auf Kleinstgruppen oder Isolierte genannt worden. Doch behebt das Aufdecken der Gründe nicht unser Malaise, im Gegenteil. Nachdem die fortschrittsgläubige Moderne den Tod zum Betriebsunfall erklärt und tabuisiert hatte, rückt er jetzt wieder zu einem zentralen Thema auf. Man begreift, daß sich das Leben aus dem Tod definiert: ohne ihn ist es undenkbar. Mythen und Märchen vom vorübergehend suspendierten Tod, der schließlich herbeigesehnt wird, haben das immer gewußt.
Welche Rolle der Tod früher spielte, wie durch das Denken an ihn das Lebensgefühl gesteigert wurde, wie man ihn annahm, mit ihm umging, über ihn hinausdachte, sich ihm verschloß, mit ihm disputierte oder sich abfand, will diese Ausstellung zeigen. Sie bietet kein Patentrezept, möchte aber Reflexion und Diskussion anregen. Zugleich blättert sie ein kulturgeschichtliches Kapitel von ungeahnter Vielfalt der Lebensäußerungen und einer Farbigkeit auf, die unser fune-rales Schwarzweiß-Denken beschämt.
Der Tod wurde, als Endpunkt der irdischen und Durchgang zur jenseitigen Existenz, in den Lebensplan einbezogen. Überall war er zugegen: als Memento mori, Prozession, Requiem, Kreuz, Epitaph, Denkmal, Friedhof und Feier, um nur einige der augenfälligsten Formen zu nennen. Ständig war er in den Alltag eines jeden verwoben, in der Stadt wie auf dem Lande.
Und diesem Jedermann sucht die Ausstellung auf die Spur zu kommen. Sie tut es am Beispiel Münchens und seines oberbayerischen Umlands, was keine provinzielle Einengung, sondern Genauigkeit der Beobachtung bedeutet. Nur die Nahsicht vermag ein einigermaßen geschlossenes Bild zusammenzusetzen und die Einzelheiten der Mentalität, der Zeremonien, Sitten und Lebensäußerungen in den Zusammenhang zu stellen, aus dem sie verständlich werden.
Nichts verschwindet rascher und spurenloser als gesellschaftliche Praktiken. Fürstliche Leichenfeiern und Grablegen, fromme Patrizierstiftungen, viel Gemeißeltes und Gedrucktes hat sich erhalten und soll der Erhebung wie der Schaulust dienen. Schwieriger sind die unendlich vielfältigen Vorkehrungen, Bräuche und Zeichen der Pietät gewöhnlicher Sterblicher zu dokumentieren, mit denen man den Tod als Teil des Alltags umgab. Das Durchforsten von Sammlungen, Kirchen, Heimatmuseen, das Achten auf Abgelegtes im eigenen und fremden Umkreis hat aber auch hier ungeahntes Material zutage gefördert, das Forschung und Museen vor reizvolle Aufgaben stellt, dem Publikum aber gleichsam ethnographisch eine trotz aller Nähe versunkene Welt ins Gedächtnis zurückruft.
Unser aufrichtigster Dank gilt Frau Sigrid Metken, die dies alles geleistet hat. Mit ihrer ganz eisern auf Nähe eingestellten Optik hat sie ein Bild vom Tod angefertigt, das jene Tiefenschärfe und Klarheit besitzt, die wir bisher immer nur ehrfürchtig und auch neidvoll in Arbeiten und Ausstellungen der neueren französischen Ethnologie konstatiert haben.
Christoph Stölzl
Münchner Stadtmuseum
Peter Steiner
Diözesanmuseum Freismg