Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Titel | Fotografie und Revolution |
Untertitel | München 1918/19 |
Autor:in | Halfbrodt Rudolf, Herz Dirk |
Verlag | NiSHEN |
Buchart | Broschiert |
Erscheinung | 1988 |
Seiten | 326 |
ISBN/B3Kat | 3889400272 |
Kategorie | Geschichte |
Geschichtsverein | Seidlvilla |
Suchbegriff | Revolution 1918/19 Fotografie Räterepublik |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
Die relativ machtlose revolutionäre Öffentlichkeit auf der einen Seite und die dominierende revolutionsfeindliche Presse auf der anderen Seite - dieses Bild charakterisiert einmal mehr die deutsche Revolution, die wunderlichste aller Revolutionen".
VORWORT
Das Geschehen vom Sturz der Monarchie bis zur Niederwerfung der Räterepublik war mehrfach Gegenstand von Publikationen und Ausstellungen. Fotografien bildeten dabei das unverzichtbare Mittel der Veranschaulichung von Historie und gewannen den Charakter von Geschichtsdokumenten -freilich ohne daß ihr Quellenwert überprüft oder sie nach ihrer eigenen historischen Relevanz befragt wurden. Dies ist durchaus symptomatisch für den sorglosen Umgang mit zeitgeschichtlichen Fotografien. Bedenklich muß dieser Bildgebrauch angesichts der Tatsache erscheinen, daß Fotografien zunehmend auf die Konstitution von Geschichtsbildern einwirken und das kollektive Gedächtnis prägen - also nicht nur unser Verhältnis zur Gegenwart, sondern auch zur Vergangenheit bestimmen. Angesichts der heutigen Bilderfluten und ihrer nur flüchtigen Rezeption zeichnet sich die Tendenz ab, daß historische Fotografien zum Surrogat für die Einsicht in geschichtliche Zusammenhänge werden. Aus Sicht der mediengesättigten Gegenwart erscheinen die Jahre 1918/19 erst als eine frühe Phase der Expansion der Massenmedien, wenngleich aufmerksame Zeitgenossen bereits damals einen überhandnehmenden Einsatz von Fotografie und Film festzustellen glaubten und darin deutliche Anzeichen kultureller Fehlentwicklungen sahen. So bemerkte Ricarda Huch 1919 anläßlich einer Betrachtung von Fotografien der Ermordungsstelle von Kurt Eisner: »Besonders widerlich an unserer Zeit und als ein deutliches Zeichen der Entartung unserer Zivilisation erscheint es mir, daß nichts geschehen kann, ohne daß sofort photographiert und kinema-tographiert würde. Es ist der äußerste Grad schamlosen Bewußtmachens: Die Menschheit lebt vor dem Spiegel...« (Ricarda Huch, 1964, S. 135). Gegenüber derartigen kulturkritischen Vorbehalten insistierten die zeitgenössischen Illustrierten auf dem aufklärerischen Potential der Fotografie und ihrer erkenntnisträchtigten Weltsicht. Im Herbst 1919 hieß es inder>BerlinerIllustrirtenZeitung< (Nr. 50): »Man soll nicht von der gedankenlosen Bildergier< unseres Zeitalters reden. Sie bezeichnet eine Wandlung der Denkungsart, weg von der abstrakten Spekulation, hin zur >Naturwissenschaft-lichkeitx einer konkreten Betrachtung. Die Illustrationsphotographie ist das zeitgeschichtliche Mikroskop des Weltbürgers. Der Photograph wandert für Euch um die Welt, um sie Euch nahe zu bringen. Er steht am Kraterrand des Vulkanausbruches, saust im Boot durch die Stromschnellen des Niagara, klettert auf dem Turmspitzkopf des Wolkenkratzers, fliegt im Flugzeug über den Himalaya, läßt sich im Schützengraben verschütten, steht im Schußwechsel zwischen Spartakus und Regierungstruppen. Und all dies nur, damit ihr überall dabei sein könnt, wo Ihr nicht dabei wart, damit Ihr alle Perspektiven und Erscheinungsformen dieser Welt, von außen und von innen, sehen lernt. Und indem Ihr seht, werdet Ihr wissend.«