Alte Quellen

Kunstgewerbehaus, Bayerisches

Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (165)
Jahr 1914
Straße Pfandhausstraße 7

Kunstgewerbehaus, Bayerisches, Pfandhausstr. 7. Ein stattlicher Bau von Knab und Gedern von 1877, „welch letzterem hier der damals neu eingeführte deutsche Renaissancestil am glänzendsten gelang [P 291]“; bestimmt zur Ausstellung der Erzeugnisse des hochentwickelten „Münchner Kunstgewerbevereins“. Im gleichen Haus ein feines reizendes Weinrestaura nt, eingerichtet von Prof. Niemeyer 1906. Im 1. Stock Festsaal des Kunstgewerbevereins, noch ganz im Sinne der Renaissancekunst des letzten Jahrhunderts; mit etwas nachgedunkelten Wandbildern von J. A. Kaulbach [Br, Gs],

Das Kunstgewerbehaus ist Eigentum des „Münchner Kunstgewerbevereins“, dessen Entwicklungsgang im folgenden kurz skizziert sei: Trotz der in den Freiheitskämpfen 1813—15 erfochtenen politischen Unabhängigkeit von Frankreich blieb das deutsche Kunstgewerbe, soweit ein solches überhaupt dürftig genug existierte, abhängig von der Pariser Produktion. Ein Cornelius, Rauch, Schinkel und Semper haben zuerst wieder das Banner der künstlerischen Selbständigkeit aufgesteckt und uns — teils durch das Studium der Antike und Renaissance, teils durch Zurückgreifen auf unsere eigene alte Kunstübung — eine neue Kirnst verschafft. Die eigentliche Hebung des Kunstgewerbes begann aber hauptsächlich unter dem direkten Einfluß der Malerei, zunächst in den „Vervielfältigenden Künsten“ (hier besonders im Illustrationswesen), dann in der Glasmalerei (namentlich unter Ainmiller) und der Porzellanmalerei, die sich von Neureuther stark beeinflussen ließ; unter Stiglmayer hob sich die Bronzetechnik so sehr, daß damals die Münchner Erzgießerei als die berühmteste in Europa galt. Indes traten erst 1850 einige der Besten zusammen, wie Voit, Bürklin, Schwarzmann, Eug. Neureuther, v. Miller, Kieling unter den Künstlern, Glink, Weißhaupt, Edel, Dröhne unter den Handwerkern, und suchten die veredelnde Einwirkung der Kunst auf das Gewerbe durch die Gründung des „Münchner Kunstgewerbevereins“ zu organisieren und so der infolge des wachsenden Naturalismus einreißenden völligen Verwilderung zu steuern.

Ihm verdankte die „Kunstgewerbeschule“ zur Ausbildung der Gewerbe ihr Entstehen, die später von der Regierung übernommen wurde. Die Zeit von 1840—63 ist für die Münchner Kunst eine Periode voll reicher Ansätze, aber ohne viel Frucht, weil auf architektonischem Gebiet eine vollständige Prinzipienlosigkeit eingerissen war; kein Wunder, daß darunter das Kunstgewerbe nicht sonderlich vorwärts kam, wie dies die „Erste allgemeine deutsche Ausstellung“ von 1854 bald in kläglichster Weise offenbarte: man fühlte den Mangel eines festen, unserm Nationalcharakter besser (als z. B. der griechische Stil) entsprechenden Prinzipes. Endlich begann dann der Anfang jener glänzenden Erhebung der Nation 1870, die uns die deutsche Einheit brachte. Die künstlerische Produktion nahm alsbald einen kolossalen Aufschwung, der sich auf alle Gebiete verbreitete. Durch sein epochemachendes Werk über den Stil sowie durch seine herrlichen Bauten in Wien hatte gleichzeitig Semper eine ungeheure Anregung der Architektur und mit ihr dem Kunstgewerbe gegeben.

In München aber vollendete sein Gesinnungsgenosse Gottfried Neureuther das Polytechnikum (Technische Hochschule), jenen köstlichen Bau, der eine neue Aera der Münchner Architektur einleitete, an dem zum erstenmal unser Baugewerbe es unter seiner Leitung zu oft mustergültigen Leistungen gebracht hat.

Mit dem Jahr 1870 und dem sich rasch in alle Schichten sich verbreitenden Milliardensegen (auch zum Bau der Akademie der bildenden Künste flössen aus Bayerns Anteil 2 Millionen Gulden) beginnt daher eine ganz neue Epoche auch für München. Das mächtig erhöhte nationale Selbstgefühl sprach sich wie immer zuerst in der Baukunst aus und führte sofort — in München unter Gedons und Rudolf Seitz Vortritt — zu jener Wiederaufnahme der deutschen Renaissance, die sich von da an in ganz Deutschland merkwürdig rasch eingebürgert hat. Zugleich erwuchs damit auch den jüngern Talenten eine Fülle schöner Aufgaben, so einem Albert Schmidt, Lange, Hauberisser, v. Schmädel, Seidl.

Und die unter der Direktion von Millers vom „Münchner Kunstgewerbeverein“ zusammen mit der Künstlerschaft veranstaltete große „Nationale Ausstellung“ von 1876 hatte einen in Deutschland bis dahin unerhörten Erfolg. So also dauerte es lange, bis die Idee der Anknüpfung an heimische Ueberlieferungen, die noch heute für die Münchner Baukunst teilweise maßgebend scheint, auch von den Architekten erfaßt, und bis von da aus wieder weitergebaut werden konnte. Das ist das Werk der noch Lebenden, das in jüngster Zeit einen glänzenden Triumph feiern konnte in der „Bayerischen Gewerbeschau 1912“ [Fr. Precht „Der Münchner Kunstgewerbeverein“ in KH 1881].


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