Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Quelle | Zauner - München in Kunst und Geschichte (178) |
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Jahr | 1914 |
Straße | Ludwigsstraße |
Ludwigsstraße, genannt nach König Ludwig I. (1786: bis 1868), der hier viele große Prachtbauten errichten ließ. Ueber den für die Städtebaukunst nachmals so bedeutungsvollen Ausbau dieser Straße schreibt E. W. Bredt in seinem „München“ (S. 97 u. f.): Der monumentale Sinn (Ludwigs I.)1), durch Ludwigs Vater, den guten König Maximilian I. vorbereitet und unterstützt, fand in der Ludwigsstraße überzeugenden Ausdruck. Die stilistischen Verschiedenheiten verschwinden völlig dem Blick. Durch die Einheit des künstlerischen Gedankens werden hier alle Bauten zu einem großen Zusammenwirken, zu einem Gesamtbild vereinigt. Und durch den Abschluß des Ganzen südlich (Feldherrnhalle) und nördlich (Siegestor) wurde die ungewöhnlich breit angelegte Straße zu einem großartigen Raum 1).
Die beiden Fora vor der Universität und im Odeonsplatz unterbrechen die schlichten Wandungen, während im Fehlen von Baumreihen zweifellos eine Unterstützung des großen Raumgedankens zu suchen ist. Solche Straßen zu schaffen war ein Neues für München. Mit der Erbauung des „Bazars“ (s. „Hofgarten“) 1822 wurde die Richtung der Ludwigsstraße bestimmt. Freilich große und durchgehende Straßenzüge, große Häuserkomplexe hatte König Max I. auch schon angelegt; aber der künstlerisch abschließende Gedanke fehlte damals noch; nur das Karlstorrondell wäre vielleicht als künstlerischer Vorläufer der Stadtbaukunst Ludwigs I. anzusehen. Etwas reichere Gliederung hätte gleichwohl die Ludwigsstraße in ihren Bauten erfahren können, ohne die Monumentalität des ganzen Bildes zu beeinträchtigen; doch ist zu erinnern, daß München bis dahin sehr arm war, daß sich Bayerns Hauptstadt erst durch Ludwigs I. Kunstschöpfungen bereichert hat .
Ein Moderner seiner Zeit und mehr als das, ein vorauseilender Führer war Ludwig I., indem er die Stadt wie ein Kunstwerk behandelt wissen wollte. Gewiß ist’s unschwer, die Schulung zu dieser künstlerischen Erfassung in den großen Schloßanlagen des 18. Jh. zu finden — deren Form der König allerdings als fremdländisch haßte und deren reiche dekorative Pracht seinem schlichten monumentalen Sinn widersprach; aber jene Schlösser dienten den Fürsten, nicht dem Volke; durch Ludwig I. wurden deren weitschauende Anlagen endlich auch humanitär gesinnten Fürsten und Zeiten Vorbild für städtische Pläne: Ludwig hat zuerst als Volksfreund und Künstler diese Aufgabe ergriffen, sein Vater war nur als Volksfreund auf die Anlage weiter und langer „gesunder“ Straßen gekommen.
Ludwig I. hatte insbesondere wohl in Rom Beispiele großartiger Straßen- und Platzanlagen studiert und gleichzeitig noch mehr allzu kleinliche Gestaltungsart, wie sie dem Deutschen liegt, als minderwertig erkannt; freilich zunächst darf der Betrachter der Bauten Ludwigs I. einiges vermissen oder tadeln: insbesondere sind viele Fassaden von einer Nüchternheit, die uns wie ein Vergessen künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten vorkommt; und auch manche der Räume des Königsbaues (der Residenz) sind bei aller Pracht der Malereien arm und kahl, weil hier der Sinn für wohnliche Eleganz vermißt wird. Beide Erscheinungen sind nicht zu leugnen, sind aber zu erklären — und dann historisch gerechtfertigt: man muß die Baugesetze und Bauverordnungen lesen, die unter König Max I. erlassen wurden, also zu der Zeit galten, da Ludwig als Kronprinz ihnen sich nicht ganz entziehen konnte; es war die Zeit der vorschriftsmäßigen „Biederkeit“; die war teils Protest gegen alles vorherige Barock und Rokoko, teils begründet in starken, weitwirkenden humanitären Anschauungen: der Erker war ungesund für den Nachbar, das hohe oder gebrochene Barock- oder Mansardendach feuergefährlich; die „Symmetrie“ dagegen galt als Grundlage einer reinlichen Hausanlage; das Auge durfte nicht verletzt werden durch Farbigkeit oder Malereien. Solchen Gesetzen gegenüber waren die Bauten Ludwigs sehr viel mehr entgegen, als wir ohne Kenntnis der Baugesetze auch nur ahnen. Der König (Ludwig) wurde geradezu als Bauherr, der prunkhafte, unnütze Bauten aufführen lasse, befehdet (s. Glyptothek, „des narrischen Kronprinzen Haus“) — nicht nur vom „Volke“, sondern auch von „Maßgeblichen“. Historisch gewürdigt war also Ludwig ein erster Lossager von Biedermeierei.
1) Für den „monumentalen Sinn“ Ludwigs I. spricht namentlich' sein Kabinettsschreiben an den Münchner Magistrat vom 26. Nov. 1828, worin er aus der Kabinettskasse zum Bau der Lndwlgkirche einen königlichen Beitrag verheißt, unter anderm auch unter der ausdrücklichen Bedingung: „wenn diese Pfarrkirche in der Ludwigsstraße auf die Seite des. Kriegsministeriums aufgeführt wird und zwar so, daß die Mitte derselben der Löwenstraße (jetzt „Schellingstraße“) gegenüber zu stehen käme [F 797].
) Beide genannte Bauten liegen 1 km weit voneinander entfernt und nur wenige Städte Deutschlands verfügen über eine 60 lange und breite Verkehrsstraße, an der fast nur öffentliche Gebäude stehen.