Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Quelle | Reber - Bautechnischer Führer durch München (91) |
---|---|
Jahr | 1876 |
Straße | Frauenplatz |
Die Dom- und Pfarrkirche zu Unser Lieben Frau. (Ueber die Geschichte des Baues siehe die einleitende Baugeschichte Münchens S. 20-21, 82—35.) Eine der mächtigsten und grossräumigsten gothischen Hallenkirchen Deutschlands verdankt die Frauenkirche ohne Zweifel die Erhaltung ihrer ursprünglichen baulichen Gestalt ihren Verhältnissen, welche der Umgestaltung im Renaissance- oder Barockgeschmacke allzu grosse Schwierigkeiten bereitete, während man sie an der Peterskirche, hl. Geistkirche, Augustinerkirche u. s. w. leichter zu überwinden vermochte. So steht die Frauenkirche mitten unter den verballhornten übrigen Schöpfungen ihrer Zeit als ungetrübtes Beispiel des süddeutschen Backsteinhallenbaues da, zugleich als das bedeutendste Bauwerk, das München überhaupt aufzuweisen hat. Die Maße sind ungewöhnlich, 101 Meter lang und 38,5 Meter breit hat die Kirche bis zum First eine Höhe von 58 Meter Höhe. Als Hallenkirche erheischt sie Pfeiler die bis zum Gewölbeansatz des Mittelschiffes emporreichen; zweiundzwanzig an der Zahl sind sie in schlichter Einfachheit bei einem Durchmesser
von 2,10 Meter lediglich nach achteckigem Grundplane gebildet und besitzen zwar einen schlichten, nur mit einer Schmiege sich an den Pfeilerschaft anschliessenden Sockel aber keine Capitälbildung, indem vielmehr die Gewölberippen in einer Höhe von 34,5 M. meist ganz unvermittelt und nur zum geringeren Theile von Consolenbildungen gestützt, dem polygonen Schafte entspringen. In der Längsrichtung ist der Gurtbogen deutlich markirt, in der Querrichtung dagegen ist der Gurt nicht stärker betont als die übrigen Rippen dos Netzgewölbes, wodurch das Gewölbe nicht unwesentlich an einheitlicher Wirkung gewinnt. Die Gewölbe der Seitenschiffe werden den Pfeilern entsprechend anderseits von starken Strebepfeilern aufgenommen, welche nach innen gezogen zugleich die Scheidewände der Kapellen und zumeist auch die Altarwände bilden. Der Gewinn nach innen ist hiebei ausserordentlich, indem dadurch die Kirche an Weiträumigkeit wesentlich zunimmt und zugleich den Seitenaltären , Beichtstühlen, Denkmälern u. s. w. passender und vermehrter Raum geschaffen wird. Doch ist diese Anordnung auch nicht ohne Nachtheil und dieser ist an der Kahlheit des Aeussern, zu dessen Belebung und Brechung nichts abfiel, fühlbar genug. Während sonst die Bildung bei der gegenseitig rechtwinkligen Stellung der Pfeiler und Streben einfach, musste die Lösung des Wölbungsproblems im fünftheiligen Chorabschluss einige Schwierigkeiten bereiten. Denn der aus den Seitenschiffen erwachsende Umgang um den Chor ist als solcher nicht auch im Gewölbe durchgeführt, indem vielmehr das Mittelschiffgewölbe sich bis an die beiden mittleren Streben des Chorabschlusses fortsetzt, und zwar, weil, das letzte Pfeilerpaar etwas enger gestellt ist. in zwei Trapezen sich verjüngend. Der beiderseits übrigbleibende Gewölberaum aber stellt sich in je einem irregulären Viereck und in einem Dreieck dar, welchen besondere und gleichfalls unregelm ssige Netzformen geschaffen werden mussten.
An die linke Chorseite sind ausgedehnte Sakristeir ume angelehnt, von vorneherein in diesem Umfange nöthig, weil schon 1495, mithin ein Jahr nach der Einweihung der Kirche als Pfarrkirche, der Herzog Albrecht IV. von Bayern im Einvernehmen mit der Curie die Collegiatstifte Schliersee und Ilmmünster an die Frauenkirche versetzte. Vor die Westseite aber wurden, wie es an der alten während des Neubaues niedergelegten Frauenkirche, und nicht minder bei S. Peter der Fall gewesen, zwei Thürme vorgelegt, so dass ihr gewölbtes Erdgeschoss noch besondere Kapellenräume bildete, während der Zwischenraum zwischen den Thürmen für Eingangshalle und Orgelchor in Anspruch genommen ward. Die Dimensionen der Kirche erforderten natürlich auch riesige Verhältnisse der Thürme (Höhe 99, untere Mauerdicke 3,30, Führung 9,60 Meter), anderseits aber auch schlichte und massige Behandlung mit geringer Betonung der Streben und ruhigen Wand
flächen. Sie erhoben sich in sechs durch Bogenfriese sicli abgrunzenden und leicht verjüngten Stockwerken rechtwinklig und nur mit sehr sp rlicher Fensterdurchbrechung, bis in der Firsth he des Mittelschiffes an die Stelle des quadratischen Planes ein achteckiger tritt, der jedoch erst nachdem die zwei Stockwerke der Uhr und des Glockenraumes mit den mächtigen Schalllöchern in wie von unten auf so auch jetzt stetig zunehmender Etagenhöhe hergestellt sind, in dem kräftigen Arkadenfries zum regelmässigen Octogon wird. Den ursprünglich beabsichtigten Helmabschluss haben aber die Thürme leider nicht erlangt. Die Vorliebe, welche die Renaissance für die Kuppeln entfaltete, machte sich hier schon in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts geltend und gab den Thürmen jene weltbekannten Kugelhauben, welche eine Art Wahrzeichen von München bilden, und so und siech mit der Physiognomie der Stadt verbunden scheinen, dass die Restauration dieselben nicht zu berühren wagte. L. Lange hat zwar wenigstens eine perspectivische Aussenansicht mit Spitzhelmen geschaffen*), doch ist zu bezweifeln, ob in der durchbrochenen Art, wie sie - später W. Berger an der Haidhauser-Kirche zur Anwendung brachte, das Problem richtig gelöst sei. Einen kostbaren Inhalt bergen die Thürme in den stattlichen Glocken, wovon die grösste, die sog. Salve-Glocke**), 1490 von Herzog Albrecht IV. gestiftet, bei einem unteren Durchmesser von 2,15 M. 125 Zentner wiegt.
Portale besitzt die Frauenkirche fünf, ein grosses zwischen den Thürmen, das jedoch selten im Gebrauche, und je zwei an jeder Langseite. Von den letzteren ist das stlich der Mündung des Mazarigässchens entsprechende in der üblichen Weise mit Figuren und Baldachinen in den Hohlkehlen der Umfassung reich geschmückt, die übrigen sind höchst einfach, alle aber noch durch die zopfigen Thüren entstellt. Die beiden Portale der Südseite sind abweichend von den Fensterwänden nach innen gelegt, wodurch sich über ihnen eine Art von Empore entwickelt.
Das Innere bietet ausser dem baukünstlerischen Interesse, welchem bereits oben Rechnung getragen worden, noch manches andere durch die alte wie neue Ausstattung. In erster Linie stehen hier die Fenster. Mit wenigen Ausnahmen enthalten nun alle, und es sind deren nicht weniger als siebzehn, die in der ganzen Höhe der Seitenschiffe bis zum Gewölbe sich erstrecken, wovon wieder die im Chor befindlichen auch von ungewöhnlicher Breite sind, alte Glasgemälde, freilich zumeist nur in ihrem unteren Drittheile, während das Uebrige erst bei der Restauration in Teppichmustern verglast worden ist. Den Kenner interessiren wohl am meisten die über die Mehrzahl der Fenster verstreuten Reste der Glasmalereien der alten Frauenkirche, welche grossentheils vor 1450 entstanden sein mögen. Leider sind sie zumeist rücksichtslos zersplittert und selbst bei der Restauration ohne weitere Bedachtnahme auf Composition und Darstellung an einander gestückt. Mehr künstlerische als archäologische Bedeutung hat dann das sog. Herzogenfenster in der Capelle des Herz-Jesu-Altars im Chor rechts vom Hochaltäre, wohl aus dem Jahre 1486 stammend, dessen Hauptbild Madonna von vielen Heiligen und den Donatoren, den Herzogen Ernst, Wil
helm, Albrecht III. und Albrecht IV. von ihren Kindern umgeben, darstellt. Es füllt jetzt nur die obere Hälfte eines Chorfensters und hat dadurch nicht gewonnen, dass unterhalb die Donatoren des benachbarten jüngeren Scharfzandt’schen Fensters angestückt sind und der Rest mit einem ziemlich rohen modernen Glasgemälde, in dessen Mitte S. Urbanus sich aufdrängt, ausgefüllt ist. Ansprechender, namentlich durch die mächtige Totalwirkung, ist das linksbenachbarte in der Tabernakelkapelle befindliche Scharfzandt’sche Glasgemälde mit drei Hauptdarstellungen (Verkündigung, Geburt und Anbetung Christi und Mari Reinigung). Die reiche gothische Umrahmung dieses das ganze Chorfenster ausfüllenden Glasmalereiwerkes gehörte zu den wichtigsten Vorbildern für die moderne Münchener Glasmalerei und Ainmüller’sche Schule.
Weiterhin fällt das Hauptdenkmal des Domes in’s Auge, das Epitaph des Kaisers Ludwig des Bayers. Dieses besteht aus zwei sehr verschiedenen Bestandtheilen, der 1438, mithin fast ein Jahrhundert nach des gebannten Kaisers Tod hergestellten Grabplatte aus rothem Untersberger Marmor und dem darüber gesetzten Mausoleum in Marmor und Bronze. Die Grabplatte von der Hand dos „Meisters Hans des Steinmeisseis“ geschaffen, stellt Ludwig den.Bayer im Kaiserornate von teppichhaltenden Engeln umschwebt und unterhalb die Herzoge Ernst und Albrecht III., Vater und Sohn sich vers hnlich die Hand reichend dar, wie es nach langer Fehde wegen Agnes Bernauer, der von Vater Ernst wegen Berückung seines Sohnes gemordeten Gemahlin Albrechts 1437 geschehen war. Leider ist die Reliefplatte lediglich durch die Ausschnitte des späteren Mausoleums und nur unvollständig*) zu sehen, noch mehr aber ist zu beklagen, dass die Ummantelung des älteren Denkmales die Zerstörung der Reliefs veranlasst hat, welche sich als Fries um das sarkophagartige Grabmal gezogen und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts selbst Italiener entzückt hatten. Das Mausoleum darüber besteht aus einem in schwarzem Marmor ausgeführten, durchbrochenen Schrein, welchen vier auf ein Knie gesunkene ritterliche Bannerträger zu bewachen scheinen. Diese wie die beiderseits stehenden Herzoge Albrecht V. und Wilhelm V. sind in Bronze gegossen und wurden nach dem Denkmal - Entwurf des Kunstintendanten des Churfürsten Maximilian I., des Niederländers Peter Candid (de Witte) von dem Weilheimer Hans Krumpper nebst allen übrigen Bronzezierden des Denkmals ausgeführt.
Zu den besseren Resten der Ausstattung aus der Entstehungszeit gehören dann noch die Chorstühle, d. h. deren reich ornamentirte Rückwände. Sonst ist das alte Geräthe der Frauenkirche insist, stammt von anderer Seite und wurde erst bei der Restauration dahin verbracht. Von den neuen Altarwerken ist der Hochaltar mit der schönen J. Knabl’schen Schnitzgruppe (Mari Himmelfahrt) und den Flügelgem lden von Schwind immerhin beachtenswerth. Nicht minder der noch unvollendete gräflich Arco’sche. Steinaltar im rechten Seitenschiff, der Altar der Bäckerzunft auf derselben Seite und der Bennoaltar auf der gegenüberliegenden, in dessen Kapelle auch noch die liturgischen Gewänder dieses Kirchenpatrons aufbewahrt werden. Sonst ist die Kanzel, von König Maximilian II. gestiftet, ein zierliches und zugleich stattliches Werk der Sickinger’- schen Werkstatt (1861), und ebenso der schöne Baldachin über dem erzbischöflichen Stuhl, links neben dem Hochaltar (nach Berger’s Zeichnung) von Werth, wie auch der Foltz’sche Credenztisch. Von neueren Bildwerken heben wir nur das grosse im Gewölbe hangende Crucifixbild Halbig's, wie die zwölf Apostelstatuen mit Baldachinen in rothem Marmor von Foltz hervor, die, ein Geschenk des Königs Ludwig II., an den Pfeilern angebracht sind. Objecte der Malerei und Bildnerei finden sich übrigens in dem ganzen Dome verstreut, und es ist in dieser Beziehung anzuerkennen, dass die Restauration in der Beseitigung des Nichtstylgemässen nicht allzu rigoros vorging. So hat z. B. das frühere Hochaltargemälde Peter Candid’s, „die Himmelfahrt Mari “, ein immerhin tüchtiges Werk, wenigstens eine Stelle über der Sakristeithüre gefunden.
*) E. Forster’s Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei. Leipzig T. O. Weigel 1850—1860. **) Sie hat den Namen von dem Wunsche des Stifters, wonach sie beim Salve Kegina gel utet werden sollte. Nach der Inschrift die der Regensburger Glockengiesser Hans Ernst auf ihr anbrachte, heisst sie Susanna.
*) Der Gypsabguss der Platte, bei der Versetzung des Monuments w hrend der Restauration abgenommen, ist indess allgemein verbreitet.