Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Quelle | Nagler - Acht Tage in München (37) |
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Jahr | 1863 |
Der englische Garten ist ein beneidenswerther Park mit seinen Wiesen, Baumgruppen, Waldungen, schattigen Gängen, sonnigen Ruheplätzen, reizenden Partien, Straßen, Wegen, und Kanälen, Hütten, Tempeln und Wirthschaften. Er wurde 1793 dem Publikum geöffnet, erhielt aber erst später durch den Hofgarten - Intendanten Skell seine jetzige Anlage. Diejenigen, welche eine Wanderung durch diesen Garten unternehmen wollen, und des Weges unkundig sind, können sich eines niedlichen, bei G. Franz in der Perusagasse Nr. 4 erschienenen Tascheuplanes (Preis 20 kr.) bedienen. Der Garten ist l'/2 Stunde laug, und hat einen Flächeninhalt von 693 Tagwerk.
Aus dem k. Hofgarten gelangt man in die Königinstraße, und rechts au dieser erhebt sich auf einem Piedestale die Statue eines Jünglings, dessen Einladung zum Naturgenussie am Postamente steht. Sie beginnt mit dem Worte „harmlos", und daher nennt man diesen Jüngling häufig Harmlos. Er ist das Werk des älteren Schwanthaler.
Das erste Haus der Straße ist seit Jahren Palais des Prinzen Carl von Bayern. An seiner Stelle breitete sich der Garten der Theatiner aus, zu welchem auch der Wall gehörte, welcher an der Galleriestraße noch sichtbar ist. Das neue Palais wurde 18t 1 nach dem Plane des Architekten Karl von Fischer im Auftrage des Ministers Salabert erbaut, die Erweiterung gegen die Frühlingsstraße ließ aber der gegenwärtige Besitzer nach dem Plane des Baurathes F. Eichheim vornehmen. Links von diesem Palaste zieht sich am Westrande des englischen Gartens die Königinstraße mit einer Reihe von Villen hinab, und an diese schließt sich das Cafe Fritsch mit einem freundlichen Garten. Weiter unten erhebt sich das Gebäude der k. Central Veterinärschule, als solche seit 1810 bestehend. Der Bau datirt aber aus dem Jahre 1790, in welchem eine Thier- Arzneischule errichtet wurde.
Von da in den Garten hinein und über die Brücke gelangt man auf einem schattigen Wege nach, dem chinesischen Thurm, welcher in seiner Holzkonstruktiou den Porzellanthurm in Pecking gerade nicht zu Schanden macht. Auf diese Idee verfiel 1790 der Graf von Rumford, dessen Verdienste um die Anlage des Gartens übrigens die höchste Anerkennung verdienen.
Der Churfürst CarlTheodor verwirklichte in diesem Garten einen Liebtingsplan, und zierte ihn auch mit Gebäuden. Reben dem Thurme wurde das gegenwärtige Wirthsgebäude mit den Stallungen erbaut, und nicht ferne davon ist ein Garten-Salon errichtet, der heutige Rumfordsaal. Den Plan zu diesen Gebäuden, sowie zu einem Apollotempel fertigte der Ingenieur und
Hofkriegsrath Joh. Bapt. Lechner unter Einwirkung des Grafen Rumford. Im Jahre 1798 standen die Gebäude fertig da.
Vom chinesischen Thurme südwärts gelangt man nach dem Monoptcros, welchen König Ludwig I. nach dem Plane des L. v. Klenze auf einem künstlichen Berge erbauen ließ. Die Kosten beliefen sich auf 42,000fl., und als ein Werk des reinsten griechischen Styls ist er die erste Zierde der Anlage. König Ludwig setzte damit dem Begründer des englischen Gartens, dem Churfürsten Karl Theodor, und dessen Vollender, dem König Maximilian I., ein großartiges Monument.
Nördlich vom chinesischen Thurm breitet sich ein See aus, welcher 1802 angelegt wurde. Das Monument am jenseitigen Ufer, welches der Bildhauer Bandel aus Stein fertigte, ist dem Hofgarten-Inteudanten F. v. Skell geweiht, nach dessen Plan der Garten die Vollendung erhielt.
Auf der oberen Seite des Gartens, in gerader Linie vom Palais des Prinzen Karl herab, fand auch Graf Rumford ein Monument, die Inschrift ehrt ihn aber mehr, als der zopfige Gedenkstein. Er wurde unter der Regierung des Königs Maximilian I. gesetzt.
In der Nähe des Sees befindet stch die Wirthschaft Klein-Hesselohe, und weiter unten führt die über den Kanal gehende Brücke nach den Anlagen von Biederstein. Das freundliche Schlößchen war der Landaufenthalt des Königs Maximilian I., und nach dessen Tode (1828) bewohnte es häufig die Königin Karoline. Der jetzige Besitzer ist Fürst Theodor von Taxis, welchem das Schloß als Hochzeitsgeschenk von der Herzogin Louise Max in Bayern zufiel. Bei Biederstein führt ein Kanal in nördlicher Richtung nach Garching, und geht dann im rechten Winkel nach Schleißheim hinauf. Auf diesem Kanäle fuhren frühere Churfürsteu in Prachtgondeln nach dem erwähnten Lustschloße.
Am Ende des englischen Gartens, 1½ Stunde von München entfernt, liegt auf einem angenehmen Platze das Försterhaus mit
Wirthschaft, der Aumeister genannt.
Wenden wir uns nach der Südostseite des Gartens, so kommen wir zu dem großartigen Etablissement des Herrn v. Maffei, zu dessen Maschinenfabrik. In der Hirschau erbaut, mit ausgedehnten Werkstätten, liefert sie alle Arten von Maschinen, besonders Locomotiven. Aus dieser Fabrik ging 1884 die Semmering Preis-Locomotive „Bavaria" hervor. Den 4. Mai 1861 wurde die 400ste Locomotive im Festzuge nach dem Münchener Bahnhof gebracht, von welchem aus sie unter dem Namen „Maffei" die Schienen befährt. Diese Maschinenfabrik gehört zu den großartigsten technischen Etablissements Deutschlands. Es ist auch eine Eisengießerei damit verbunden. Je nach Bedarf kann sie 1200 Arbeiter beschäftigen.
Weiter aufwärts liegt das sogenannte Milchhäuschen, und seitwärts von diesem am Rande des Gartens die freundliche Wirthschaft Tivoli. Nicht weit davon, am Kanäle im Garten ist die Naturheilanstalt zum „Dianenbad", über welches wir oben einen eigenen Artikel geliefert haben.
Wer vom Dianenbad an den Waldweg nach der Stadt verfolgt, gelangt nach dem Paradiesgarten, dessen Areal außerhalb des englischen Gartens liegt, aber unmittelbar an denselben stößt. Ursprünglich ein Gartenhaus am Damme nach dem Lehel, welches aus der Zeit des Churfürsten Karl Theodor stammte, wurde das gegenwärtige Wirthschaftsgebäude vor ungefähr 30 Jahren errichtet, und seit dieser Zeit hatte der Paradiesgarten zahlreichen Zuspruch.
Im Verfolge der Straße nach der Stadt gelangt man an dem Palais des Prinzen Karl von Bayern an, wer aber aus dem Hofgarten kommt, und den englischen Garten besuchen will, wird sich am Palais besinnen, ob er die Wanderung am Westrande durch die Königinstraße, oder üben die Brücke nach dem Paradiesgarten, dem ^.ianenbad, dem chinesischen Thurm und weiter hinab nach den beschriebenen Localitäten machen will. Vom chinesischen Thurm südwärts nach Tivoli führt auch der Weg über die Jsarbrücke nach Brunnthal und Bogenhausen. Wir handeln darüber im Abschnitt über die Excursionen in die nächste Umgebung der Stadt.