Alte Quellen

Feldherrnhalle

Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (75)
Jahr 1914
Straße Odeonsplatz

Feldherrnhalle, 1841-44 erbaut von Gärtner im Auftrag und auf Kosten König Ludwigs I., und zwar zu Ehren des bayerischen Heeres (gleich dem Siegestor am Nordende der Straße); daher Standort der Kolossalstatuen (3,50 m hoch) der beiden bis dahin berühmtesten bayerischen Feldherrn Tilly und Wrede, denen sie auch ihren Namen verdankt. Die Feldherrn (entworfen von Schwanthaler) sind auf des Königs Wunsch unbedeckten Hauptes und ganz in der Tracht ihrer Zeit: Graf Tilly (1559-1632), ein kleiner hagerer Mann mit breiter, runzeliger Stirn,' tiefliegenden Augen und einem mächtigen Schnurr- und Knebelbart; als Verteidiger des katholischen Herrscherhauses gegen Gustav Adolfs Schwedenheer bei Kain am Lech ruhmreich fallend, und als besonderer Verehrer der Batrnna Bavanae (er ließ sich begraben in Altötting, wo auch die Herzen der Bayemkönige verwahrt sind), wurde er von seinem Herrn, dem Kurfürsten Maximilian I., hoch geschätzt. Fürst Wrede (1767—1838), als bayerischer Feldmarschall hervorragend beteiligt an den ruhmreichen Kämpfen von 1814 gegen die Franzosen (bei Brienne — daher die „Briennerstraße“ —, bei Bar sur Aube — daher die „Barerstraße“ —, und bei Arcis sur Aube — daher die „Arcisstraße“) und wegen seiner Mitwirkung zum Sturze des Ministers Montgelas und zum Erlaß einer konstitutionellen Verfassung vom Kronprinzen Ludwig (spätem Ludwig I.) hoch geehrt.

Früher stand hier, beim alten Schwabinger Tor, ein vielfenstriger hoher Bau ohne architektonische Bedeutung, eine einfache Gastwirtschaft, die der Schwabinger Landbevölkerung als Einkehr diente und zum ,,Bauerngirgl“ genannt wurde (mit Abbruch dieses Baues wurde das Schankrecht auf ein Gasthaus weiter stadteinwärts übertragen, dem jetzigen modernen „Bauerngirgl“). Dieser Abschluß einer breiten Straße durch je einen Monumentalbau und die Erweiterung der Ludwigs-Straße zum „Forum“ ist eine Erbschaft Roms, wo sich der klassizistisch begeisterte Kronprinz besonders gerne aufhielt, und hat ihre geschichtliche Bedeutung als erste deutsche Anlage solcher Art.

Die Halle selbst hat ihr direktes Vorbild in der Loggia dei Lanzi in Florenz, die zeitweilig der ,,Guardia dei Lanzi11 (etwa unserer „Leibgarde der Hartschiere“) am glänzenden Medicäerhof zu dienen hatte; sie hat also mit Recht ihre Stelle dicht neben der Residenz unmittelbar vor dem Portal mit der Patrona Bavariae, das bis 1840 als Haupteingang diente, neben dem sich noch heute die „Hauptwache“ befindet; nur füllt sie sich des Sommers bei der „Wachtparade“ statt der Lanzieri mit den schmucken Mitgliedern der Militärmusik des „Leibregimentes“. Dies kriegerische Gepränge wird gehoben durch das Siegesdenkmal im Hintergrund, 1892 vom Prinzregenten Luitpold dem siegreichen Heer des Krieges 1870-71 geweiht (modelliert und gegossen von F. Milter) ein Krieger mit römischem Helm und mit Fahne beschützt die weibliche Gestalt des Friedens (Pax); zu Füßen der Gruppe der bayerische Löwe. Die Darstellung dieses Wappentieres fand 1906 auf dem Wangenabsatz der breiten Freitreppe ihre Wiederholung und Verstärkung in den 2 machtvoll aufgefaßten Marmorlöwen, dem letzten Werk Rümanns; ,,das heraldische Tier Bayerns ist wohl nie so treu wiedergegeben worden wie hier von diesem Münchener Akademieprofessor; allerdings wurden vor ihm wohl noch keinem aller Löwenbildner tatsächlich einige Löwen in einem Käfige einige Monate gehalten [Br 107]“.

Die eigentliche Halle ist nach 3 Seiten hin offen, 20 m hoch, in 3 kühn aufsteigenden Rundbogen von gewaltiger Spannung gegen die Ludwigstraße geöffnet und mit einem kräftigen Rundbogengesims mit Balustrade gekrönt. Zum Unterschied von der Florentiner Loggia ist hier die Sockeldekoration einfacher, dafür aber die Bogenleibung und der Löwenfries reicher und außerdem die Balustrade mit Kriegstrophäen dekoriert; überdies war ursprünglich für das Innere noch Farbenschmuck vorgesehen. Der Unterbau ist 34 m breit, 17 m tief und 3 m hoch. Der Architekt hat sich also an das italienische Vorbild nicht unfrei gehalten und hat sogar statt in der gotischen Stilform im romanischen Rundbogenstil gearbeitet, in dem auch seine übrigen Bauten in der Ludwigstraßj gehalten sind. In der Feinheit des Details ist er freilich hinter seinem Vorbild zurückgeblieben. Auch ist in diesem Hallenbau, ästhetisch genommen, ebenso unvollkommen wie in seinem Gegenüber, dem Siegestor, die Funktion eines wirklichen Straßenabschlusses zum Ausdruck gebracht: es ist nicht möglich, eine kilometerlange Straße von der gewaltigen Breite der Ludwigstraße, in einer solchen Säulenhalle aufzufangen der Anlauf endigt in der Leere der 3 gewaltigen aufgerissenen Bogen und links und rechts rinnen ungebändigt — was gleichfalls beim Florenzerbau nicht der Fall ist — die beiden Straßenzüge der Residenzstraße und Theatinerstraße hindurch. Allerdings ist die Lanzi-Loggia von Anfang an grundsätzlich anders gedacht, nämlich als Ra um er Weiterung: sie tritt zurück ins Massiv der Häusergruppe, die den Platz vor der Signoria umgibt. Immerhin ist bewundernswert die große Baugesinnung, der große Mut, der dazu gehörte, diese ganz einfache und nur durch die gewaltige Dimension wirkende Architektur neben das höchst reiche, lebendig bewegte Bild der Theatinerkirche zu stellen und so die äußersten Gegensätze zusammentreten zu lassen: die romantische Reproduktion italienischer Gotik und das Frischquellende des Barock und Rokoko. Und man muß diesem Bauunternehmen aus dem Anfang der vierziger Jahre um so großem Respekt zollen, wenn man sich vergegenwärtigt, unter welch großen Opfern es erkauft wrerden mußte: der Platz war nicht frei; es mußten Häuser abgebrochen werden; ja, die ganze Fluchtlinie ist damals soweit zurückgerückt worden, daß die Fassade der Theatinerkirche vollkommen freigelegt war. Und dies ist ein wichtiges Merkmal zur Charakteristik des neuen Stiles vom Anfang des 19. Jahrh. überhaupt: das Vermeiden des „Malerischen“. Die neue Architekturisteine „Architektur der Linie und reinen Fläche“, der isolierten Wirkung, wobei der einzelne Gegenstand spricht und nicht ein „malerisches“ Konglomerat von Bauten, wobei man unter Umständen sogar die sachliche Deutlichkeit zu opfern bereit war, wenn man nur malerische Effekte durch Überschneidungen und Verschiebungen dabei gewonnen konnte. Aus dieser Absicht heraus wollen diese und überhaupt alle jene „Freilegungen“ des 19. Jahrhunderts beurteilt werden, so unsere Münchner Domfreiheit‘, und ganz besonders jene Freilegung des Kölner Domes. Das „Schöne“ war den Leuten von damals nur im „Reinen“ vorhanden: wo das Große rein und schön zur Ansicht kommt; die halbversteckten Fassaden des Barocks und Rokokos verwarfen sie als „unanständige Koketterie“.

Nebenbei: der Ausblick aus der Feldherrnhalle auf das breite Forum der Ludwigstraße wetteifert, namentlich wrenn der Platz im Sommer anläßlich der Parademusik“ sich füllt mit Hunderten von promenierenden Militärs und Studenten und Herren und Damen aus aller Herren Länder, an malerischem Reiz und köstlicher Buntheit mit der Piazzetta Venedigs; die Scharen zahmer Tauben, die in den Türmen der Theatinerkirche ihr Heim haben, und zutraulich das Futter aus Hand und Mund nehmen, vervollständigen das reizende Bild [HE],


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