Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Straße | Platz der Opfer des Nationalsozialismus |
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Signatur | DE-1992-STRA-40-65-16a |
Archivalie | Straßenbenennungen |
Dokument | Ehrung der Opfer des Nationalsozialismus |
Umbenennung des Königsplatzes in Platz der Opfer des Nationalsozialismus |
EILT SEHR!
Der Referent für den Wiederaufbau der Stadt München
30. Januar 1947
Berufsm. Stadtrat
Helmut Fischer
I. Herrn
Stadtrat Gottlieb Branz
München
Vollmarstraße 12.
Betrifft:
Ehrung der Opfer des Nationalsozialismus;
hier: Umbenennung des Königsplatzes in
"Platz der Opfer des Nationalsozialismus".
Sehr geehrter Herr Kollege!
Hater Bezugnahme auf unsere persönliche Rücksprache vom heutigen Tage übermittle ich Ihnen anbei Abdruck der Stellungnahme des Direktoriums A vom 13.1.1947 mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Ober die Vorgeschichte der Angelegenheit habe ich aus den Akten - die Dinge lagen sämtlich vor meiner Zelt - folgendes festgestellt:
Die Betreuungsstelle für politisch Verfolgte hat im Dezember 1943 und Januar 1946 schriftlich und mündlich den Antrag gestellt, eine Anzahl von Straßen und Plätzen nach Opfern der Naziherrschaft zu benennen, wobei paritätisch alle antinationalsozialistischen Parteien bedacht werden sollten. Dabei wurde in Vorschlag gebracht, die Brienner Straße in "Straße der Opfer des Faschismus" und den Königsplatz in "Platz der Opfer des Faschismus" umzubenennen. In längeren mündlichen Verhandlungen wurde der Vorstand der Betreuungsstelle darauf hingewiesen, daß bereits mit Stadtratsbeschluß vom 5.2.1946 für die Opfer der einheimischen Bevölkerung, die im Kampf gegen da Dritte Reich ihr Leben einbüßten, eine Ehrung durch Umbenennung des Hlndenburgplatees in "Platz der Freiheit'* vergenomaen wurde.
Vor der Beschlußfassung wurde der schriftliche Antrag mit den Unterlagen der Gutachterkonunisslon für Straßenbenennungen, bestehend aus den Herren Stadtschulrat Dr. Fingerie, Bibliotheksdirektor Dr. Held und Arohivdirektor Dr. Schaffer, zur gutachtlichen Stellungnahme vorgelegt« Die Gutachterkommission war einstimmig der.Ansicht, daß eingewurzelte Straßennamen, die auf die historische Entwicklung der Stadt zurüokgehen, nicht umbenannt werden sollten. Die Erfahrung hat bisher geneigt, daß in der Regel Umbenennungen von alten bebauten Straßen und Plätzen sehr schwer populär werden, wem es nicht sogar Widerstand in der breiten Öffentlichkeit herausfordert. kein Amtsvorgänger hat seinerzeit den Antragsteller Stadler auf diese Gesichtspunkte hingewiesen» Da eine Einigung bis zum "Tag der Opfer des Faschismus" offenbar nioht erreicht werden konnte und auch die Möglichkeit einer Beschlußfassung durch den Stadtrat bis zu diesem Tage (10.5.1946) nicht mehr gegeben war, (Herr Stadtrat Preis war zu dieser Zeit schon krank, ein Teil der Verhandlungen spielte sich daher aas Krankenbett ab) hat der Herr Oberbürgermeister in Anwendung des § 4 der Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung München im Tage der Büroverfügung vom 4.3.1946 die Umbenennung des Rondells beim Schiller-Denkmal an der Brienner Straße in "Platz der Opfer des Nationalsozialismus" verfügt. Ein Schreiben mit der Umbenennungsverfügung wurde dem Vorsitzenden der Betreuungsstelle für politisch Verfolgte, Stadler, am 10.3.1946 durch einen Beamten des Referats 12 übergeben. Herr Stadtler hat dann in der Angelegenheit nichts mehr hören lassen, sodaß angenommen werden konnte, daß die Angelegenheit damit erledigt wäre„
Ich habe, wie ich bereits erwähnte, die Angelegenheit auch mit dem Korreferenten für die Straßenumbenennungen, Herrn Stadtrat Br. von Miller, besprochen, der die seinerzeitige Entscheidung des Herrn Oberbürgermeister, der auch der Korreferent des Heferats 12, Herr Stadtrat Schwarzer, seinerzeit zustimmte, auch heute in vollem Umfange billigt und mir mitteilte, daß seine Fraktion geschlossen gegen die Umbenennung stimmen werde.
Schließlich ist zu bedenken, daß derartig lange Platznamen gewisse Gefahren der Abschleifung im Sprachgebrauch mit sich bringen und daß unter Umständen aus einem "Platz der Opfer des Nationalsozialismus " ein "Opferplatz" oder ein "Naziplatz" oder ein ähnlicher Platz im Volkamund entstehen kannte, was zweifellos ebenso nicht erwünscht wäre.
Ich bitte deshalb unter Bezugnahme auf die heutige Besprechung, die Angelegenheit bei der nächsten Fraktionssltzung zu klären. Es wäre meines Erachtens erwünscht, wenn in dieser Angelegenheit nicht eine Abstimmung des Hauses in aller Öffentlichkeit herbeigeführt werden müßte. Vielleicht haben Sie die Liebenswürdigkeit, mich am Montag abend fernmündlich über das Ergebnis der Fraktionssitzung in meiner Wohnung (Ruf-Nr. 31 101), zu verständigen, damit die Sache gegebenenfalls in der Stadtratssitzung vom Dienstag, den 4.2,1947, behandelt werden könnte.
II. W.V.m.E.o.a. 3.II.1947.
Mit besten Grüßen!
Ihr
Unterschrift
(Fischer)
Berufsm, Stadtrat