Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Straße | Paul-Lagarde-Straße |
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Signatur | DE-1992-STRA-40-71 |
Archivalie | Straßenbenennung-Hausnummerierung |
Dokument | Straßenennamen nach Paul Lagarde und Julius Langbehn |
1. Paul Anton de Lagarde, eigentlich Bötticher, ist am 2.11.1827 in Berlin geboren und am 22.12.1891 in Göttingen gestorben. Hier war er seit 1864 Professor dr Orientalistik. Durch seine Textkritischen Arbeiten zum Alten Testament sowie durch seine politischen und kulturkritischen Schriften hat er sich einen Namen gemacht. Er trat für ein nationales Christentum ein, indem er heftige Kritik an dem Paulinischen Christentum nahm. Aus der Geschichte des deutschen Idealismus im Umkreis von Hegel und Schelling ist sein Name nicht wegzudenken. Wegen seiner kritschen Einstellung zum Judentum brachte ihn Alfred Rosenberg im Dritten Reich zu neuem Ansehen, wobei allerdings ein gründliches Mißverständnis der philosophischen Grundlagen Lagarde's zu einer heute wieder revidierten Fälschung seines Denkens geführt hat. Zu dieser Revision hat insbesondere der amerikanische Philosoph R.W Lougee mit grundsätzlichen Schriften beigetragen. Alles in allem besteht kein Grund, den Orintalisten und Kulturphilosophen aus dem geschichtlichen Bewußsein löschen, zumal ihm die falsche Interpretation seiner Gedanken durch die Nationalsozialisten nicht angelastet werden kann.
2. Julius Langbehn ist am 26.3.1851 in Haldersleben geboren und am 30.2.1907 in Rosenheim gestorben. Der Schriftsteller wird nach seinem 1890 anonym erschienen Werk "Rembrand als Erzieher" der Rembrand-Deutsche genannt. In diesem Buch rief Langbehn zur Erneuerung der deutschen Kunst im gegegnsatz zur Rationalisierung und Technisierung auf. Starke Einflüsse gingen von ihm auf die Zeitschrift "Der Kunstwart" und auf die Künstlergruppe in Worbswede aus. Auch er wurde von den nazis als Vorkämpfer für das "deutsche Wesen" in Ansprucj genommen. Heute weis man, daß auch dies nur opportunitische Propaganda war und der Bedeutung von Langbehn in seiner Einflußnahme auf den Jugendstil und dem Expressionismus liegt. Auch hier besteht kein zwingender Grund, den Straßennamen zu ändern.
3. Zu den sich mehrenden Anträgen der Bezirksausschüsse muß einmal festgestellt werden, daß die Ablehenungen meist ohne differenzierte Begründungen ausgesprochen werden. Es wird auch in Erinnerung gebracht, daß die sich mehrende Kritik an den Münchner Straßennamen eine grundsätzliche Frage aufwirft, nämlich die, ob die sog. Bewältigung der Vergangenheit einfach im AUslöschen von namen vor sich gehen soll oder besser nicht besser zu einer Revision des geschichtlichen Bewußtseins führen müßte. Sonst laufen wir Gefahr, daß auch Namen wie Engels oder Marx angegriffen werden etwa mit der Begründung, daß diese Männer die philosophischen Begründer von totalitären Machtstaaten seien. In Frankreich würde niemand auf den Gedanken kommen, eine Napoleonstraße umzubenennen, obwohl dieses Volk den Korsen schließlich abgesetztz und in die Verbannung geschickt hat. Die Kritik an der Geschichte kann nicht nur in der Negierung von Namen und Fakten bestehen. Sonst sollte man lieber dazu übergehen, Straßen nur noch nach Blumen, Tieren und geographischen Bezeichnungen zu benennen.
gez. Dr. Alfons Ott
Städt. Oberbibliotheksdirektor