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Ein Jahrhundert München

München im Jahre 1796

Für die architektonischen Zeichnungen ist eine eigene unentgeltliche Schule vorhanden, worin sich jeder Maurer-, Zimmer- oder andere Handwerksgesell für sein Fach aus­ bilden kann. Bürgerliche Vorbereitungs- und andere Schulen sind bei jeder Pfarre. Eine eigene Sonntagsschule ist zum unentgeltlichen Unterricht der Lehrjungen bestimmt. Auch jedes hier garnisonkerende Regiment hat seine Schule für Soldatenkinder, wo sie unentgeltlich Unterricht km Lesen, Schreiben, Rechnen, Nähen, Stricken usw. er­ halten. Für Taubstumme wurde erst neulich eine vortreffliche Anstalt gemacht.

Die weibliche Jugend hat zu ihrem Behufs außer einigen bürgerlichen Schulen und Privatpensionsanstalten auch die Nonnenklöster, unter denen sich besonders das Institut der Englischen Fräulein auszekchnct, worin einige Mädchen auf kurfürstliche und andere auf eigene Kosten erzogen werden. Auch in dem sogenannten püttrkch- kloster erhalten die Mädchen freien Schul- und Arbettsunterricht. Ferner hat jedes Waisenhaus seinen eigenen Lehrer.

In dem Militärlazarett wird die Chirurgie und Anatomie, kn dem Heilig-Geist- spital die Geburtshilfe unentgeltlich gelehrt. In der kurfürstlichen Veterinärschule werden 16 Schüler gegen eine Pension und ebensoviele unentgeltlich verpflegt.

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2n dem kurfürstlichen Hofthcater wird dreimal in der Woche repräsentiert. Es

Auch für das Vergnügen des Publikums ist hier sehr gut gesorgt.

werden abwechselnd Trauer-, Lust-, Sing- und Tanzspiele (Ballets) gegeben. Mehrere von dem dortigen Personal sind in kurfürstlichen Diensten. Die Karnevalszeit hin­ durch sind im Redoutenhause maskkrte Bälle, sogenannte Akademien und Vauxhalls gewöhnlich. Für die Liebhaber der Musik sind häufige Konzerte veranstaltet.

Eine sehr angenehme Schußstätte, welche der hiesigen Schühenkompagnie zugc- hört, befindet sich vor dem Karlstore.

Der Hofgarten, ein mit Linden- und Kastanienbäumen dicht und regelmäßig be­ setztes, mit vier Springbrunnen und einem Fischteiche versehenes und an zwei Seiten von einer bedeckten Halle eingeschlossenes großes Viereck, ist jedermann zum Lust­ wandeln offen. Auch der Englische Garten, ein öffentlicher Erholungsort von seltenem Umfange und reich an mannigfaltiger Schönheit, bietet jedem Freunde der Natur und Kunst die angenehmsten Promenaden an. An Kaffeehäusern, Billards, Wirtshäusern, Tanzplätzen usw. ist Überfluß in allen Straßen und vor allen Toren.

Die Zufuhr allerLebensmittel ist bei dem strengenVerbot des Vor- und Alleinverkaufs immer so hinreichend, daß die Preise in gewöhnlichen Zeiten allemal sehr erträglich sind. Die Isar führt auf Flößen Bauhölzer, Marmor und andere Steine, Kalk und Kohlen usw. zu. Die Ziegelsteine, womit alle Gebäude der Stadt aufgeführt sind, werden in mehreren um die Stadt liegenden Ziegelhütten aus der daselbst befind­ lichen Erde gebrannt. Es wäre zu wünschen, daß bei der so außerordentlichen Zunahme neuer Gebäude zur Ersparung des Holzes, der in dem Isarstrom häufig vorrätige

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