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München und seine Bauten

Privatbauten

Geschäfts- und Wohnhäuser Architekt

künstlerischen Gestaltung nehmen zu sollen. Sie lösten die Fassade im Erdgeschoß unter Zuhilfenahme dünner eiserner Stützen in Schaufenster auf und versuchten die Mauermasse der Obergeschosse zu gliedern, um ihnen durch Teilung das Schwere zu nehmen. Die in diesem Sinne ausgeführten Bauten haben trotz ihrer augenfälligen Vorzüge keine eigentliche Nachfolge gehabt. Dies hatte verschiedene Gründe: einmal ist es fraglos, daß Stein und Eisen nur dann gut harmonieren, wenn ihre Kombination das einheitliche Kon- struktions- und Gestaltungsprinzip für die ganze Fassade wird, nicht aber in einem Geschosse nur Eisen, in den anderen nur Stein verwendet wird. Dazu kam die Erkenntnis, daß die freien Eisenstützen bei Bränden nicht genügenden Widerstand entgegensetzen. Bor allem aber haben viele Geschäfte eingesehen, daß die Waren besser wirken, wenn die Schaufenster nicht zu groß sind, daß eiserne Ständer die Schaufensterfläche zu wenig unterbrechen, so daß die einzelnen Schaufenster in ihrer Wirkung sich gegenseitig beeinträchtigen. Gerade Geschäfte mit geschmacklich anspruchsvollerem Kundenkreis zogen es daher vor, das Ladengeschoß durch kräftige, gemauerte Pfeiler oder aus Naturgestein mit Rundbögen oder geraden Stützen zu gliedern. Die meisten der Laden- und Wohnhäuser, die in den letzten Jahren entstanden sind, wurden nach diesem Prinzip projektiert und ausgeführt. Diese Lösung knüpft an die alte Tradition früherer Ladenhäuser an. Der Wert dieses Typus liegt also nicht in seiner Neuartigkeit, sondern darin, daß er sich ausgezeichnet mit den alten Straßenbildern verschmilzt, ohne daß irgendwie die berechtigten Forderungen des Geschäftsmannes vernachlässigt werden. Die Formbehandlung im einzelnen zeigt mehr oder weniger freie Anklänge an historische Formen. Die Häuser geben im allgemeinen Zeugnis von einem geläuterten Geschmack, der alles gesucht Originelle vermeidet, dafür aber auf das Gesamtbild der Straße Rücksicht nimmt.

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