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mit goldenen Flügeln ausgestatteter Engel sah man im Zuge auch den leibhaftigen Gottseibeiuns mit Hörnern, Schwanz und Klauen, der durch allerlei Lazzi die Andächtigen im Gebet zu stören suchte, dafür aber auch dem Schrannenplatze von den Engeln angegriffen ward und schlüßlich durch den Rathbogen sich in's Thal hinab flüchtete u. s. w.
Der Zug nahm seinen Weg über den Schrannenplatz durch die Diener- und die Residenzstraße zum Schwabinger Thor hinab. Während nun daselbst der Klerus mit dem Sanctifficinum in Begleitung des Hofes und der Beamten aller Branchen sich in den Zwinger hinausbegab und in demselben die ganze Stadt umschritt, um schließlich bei demselben Thore wieder in die Stadt zurück zu kehren, harrten die Zünfte mit ihren Standarten am Thore und in der Schwabinger Gasse der Rückkehr, nicht ohne hie und da einen Abstecher nach einem benachbarten Wirthshause zu machen, Standarte, Fahne und Kerzenständer in voller Gemüthsruhe an das nächste beste Haus lehnend..
War der Zwinger, den Bürgermeistern zur Nutznießung überlassen, mit seinen freundlichen Gartenanlagen zu jeder Zeit ein gar leiblicher, heimlicher Aufenthalt, so prangte er am „großen Antlastage“im schönsten Blumenschmucke und man wird zugeben müssen, daß der feierliche Zug durch denselben weit poetischer war, als der heutige durch die dicht gedrängten Volksmassen im Inneren der Stadt. Es wargewissermassen eine jährliche erneuerte Umfriedung der Stadt.
Sobald der Zug durch das Thor zurückgekehrt war, setzte er sich mit dem zrückgebliebenen Theil sofort wieder in Verbindung auf den uns wohlbekannten Weg.
Wie große Mühe und Sorgfalt auf die Inscenirung der großen Fronleichnams-Prozession verwendet wurde, ersehen wir aus uns erhaltenenen gleichzeitigen Aufschreibungen. So bestimmte ine nezügliche Vorschrift vom Jahre 1580, daß die Person Gottes des Vaters lang, gerade, stark und wohlformiert sein müsse, „fast einer solchen Gestalt, wie der alte Doctor Six seeligen Andenkens ausgesehen.“ Er mußte einen stetigen Gang an sich nehmen, wenig umsehen und nicht sauer, noch lächerlich, sondern fein sittsam aussehen. In Ansehung der Person Christi mußte man vierzehn Tage zuvor auf den Straßen, in den Kirchen u. s w. Obacht haben, um Personen zu ersehen von gehöriger Mannslänge, nicht zu dicke, von guter gesunder Farbe, wohlgebildetem länglichem Angesicht, ohne unförmige Nasen, Schielen und Zahnlücken, von feinen Physiognmien, nicht langen grauen, sondern ziemlich kurzen kastanienbraunen oder doch etwas lichteren Bärten mit zwei Spitzen, auch sonst am Leibe nicht tadelhaftig, inbesonderheit aber sittsam und gottesfürchtig. Die Zahl der im Zuge erscheinenden Marien betrug nicht weniger als sechzehn. Die Schönste kam zuletzt, fuhr auf Gewölk und setzte den Fuß auf einen „Mondschein.“ Zum heil. Georg nahm man den schönsten und stärksten Mann der ganzen Stadt. Er hatte den die heil. Margaretha bedrohenden Lindwurm „stark und richtig zu durchbohren, daß die darin verborgene riesige Blutwurst das zuschauende Frauenzimmer selbst in den zweiten Häuserstöcken und alles Volk unter ungemeinen Hin- und Herflüchten und Gelächter mit dunklem Blute übergöße.“ Anderseits mußten die Hohenpriester Melchisedech, Aaron, Kaiphas ec. theils lange, dicke, graue Bärte, theils gar kurze Knebelbärtchen, zwei kleine Zipfel am Kinnbacken, dicke aufgeblasene Gesichter haben, auch sonst von Leib dick sein. Der Teufel spie Feuer und erhielt einen halben Gulden (86) und Schwefel, Brandwein und Baumwolle. Und Adam und Eva, scheinbar nackt, fehlten auch die Götter des Olymps nicht. Die Kosten aber bestritt, wie wir aus einer noch vorhandenen Rechnung ersehen, der Hof und sie beliefen sich im Jahre 1582 auf 797 Gulden (1366 M); UND IM jAHRE 1586 GAR AUF 1297 Gulden (2223 M), wobei dem „Hansen Schönswetter dem langen Mann von Tiettenhausen von wegen daß er im Antlaß den Goliad gemacht gehabt, fünf Gulden“ verabreicht wurden.
Zu anderen feierlichen Straßenaufzügen gab die besondere Verehrung des Landespatrons St. Benno Anlaß, die eine große Menge von Wallfahrern nach München führte, wie schon erwaähnt worden. Nicht minder war die Mariensäule auf dem Schrannenplatz das Ziel häufiger Pilgerzüge, welche unter Vortragen ungemein hoheer Fahnen vom Lande her zur Stadt kamen und in der Regel vom Klerus und den zahlreichen Bruderschaften unter Läuten aller Glocken an der