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Münchener Stadtbuch

XLV. Der Jungfernthurm und die eiserne Jungfrau.

bemerkte er, daß in dem Fußboden der ersten Etage ein Pflasterstuckchen etwas in die Höhe stand, so daß man darüber leicht stolpern und fallen konnte. Als man daher dieses repariren wollte, fand man darunter eine Fallthüre, die in einen tieferen Raum führte. Ein paar beherzte Maurer ließen sich in das unten besindliche Loch auf einem an einem Seil befestigten Querholze hinab, und fanden daselbst zwei nicht angeschlossene, jedoch fast ganz vermoderte Leichen mit vielen Lumpen. Diese Leichen und Lumpen wurden nun ohne weitere Untersuchung herausgeschafft und auf dem damals gleich daneben gelegenen Kirchhofe begraben.

Hier sind wir auf eine höchst auffallende Thatsache gestoßen. Es geht durch diese Nachricht zwar auf keine Weise auch nur im Entferntesten die Existenz einer, eisernen Jungfrau hervor; jedoch scheint es, daß dieser Thurm wirklich eine Zeitlang zur Kriminalrechtspflege gebraucht worden sei. War solches aber wirklich der Fall, so müßte eine derartige Verwendung zwischen dem Jahre 1666, in welchem ihn Obristzeugmeister Freiherr von Rouyer untersucht und ganz leer gefunden hatte, und dem Jahre 1724, in welchem er zur Aufbewahrung von Operndekorationen bestimmt wurde, geschehen sein.

Da während' der ganzen Regierung des Kurfürsten Karl Theodor in dem alten Opernhause am Salvatorplatze, und zwar dreimal in der Woche, Vorstellungen gegeben wurden, und der Jungfernthurm fortwährend als Dekorations-Magazin benützt wurde, so ist eine Benützung desselben zu Kriminalzwecken ganzlich unmöglich, und alle Sagen über schauerliche und geheimnißvolle

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