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Vor hundert und etlichen Jahren, da der alte Frauenfreithof noch bestand, galt es dort als nicht geheuer, und jedermann vermied am Abend die Nähe des Gottesackers. Allerhand Spukgeschichten wurden davon erzählt: so sollte auch zu Zeiten ein Geist mit einer weißen Schlafhaube auf dem Kopf den Freithof unsicher machen.
In der Weinstraße gegenüber dem alten Polizeigebäude gab es damals einen Kramladen. Der Krämer, im Geschäft ein tüchtiger, rescher Kaufmann, sonst ein fideler Kumpan, ging jeden Abend nach Ladenschluß zum Bier, doch ebenso pünktlich, wenn die Bierglocke geläutet hatte, den nächsten Weg nach Haus, und der führte übern Frauenfreithof. Einmal saß er wieder mit anderen ehrsamen Bürgern beim Trunk, da ward von allem Möglichen geschwatzt, auch von Spuk und Gespenstern. „Das Gespenst mit der Schlafhaube läßt sich auch wieder auf dem Frauenfreithof sehen," behauptete einer. Der Krämer lachte dazu und meinte: „so ein Geist käme ihm grab recht, der sollte nur einmal hergehen, dem wollte er es schon zeigen!" Und in Erwartung dessen trank er sich einen ordentlichen Mut an.
Als es nun Zeit zum Heimgehen war, nahm der beherzte Krämer Hut, Stock und Laterne und trat feinen gewöhnlichen Weg übern Freithof an. Aber da er auf den Gottesacker kam, saß da ein langer weißer Mann mit einer Schlafhaube an einem Grabstein. Dem Krämer, als er das Gespenst ersah, rann es eiskalt den Rücken herab; dennoch ließ er sich die Schneid nicht abkaufen, sondern raffte allen Mut zusammen, lief auf den Geist zu und versetzte ihm eine solche Watschen, daß ihm die Schlafhaube vom Kopfe fiel. Darnach aber war er selbst dermaßen erschrocken, daß er das Hasenpanier ergriff und davonrannte — hast du nicht gesehen! Das Gespenst aber hinter ihm drein. Glücklich erreichte der Krämer sein Haus, sperrte auf und schlug dem Verfolger die Türe vor der Nase zu. Durch die konnte der Geist nicht hinein, weil sie nach altem frommen Brauch mit drei Kreuzen und den Namen der hl. drei Könige bezeichnet war. Was tut der Geist? An der Hauswand klimmt er hinauf, und wie der Krämer erschöpft und atemlos in seine Stube im Oberstock gelangt — o Graus — da schaut das Gespenst schon beim Fenster herein. In der Angst ergreift der Krämer ein Bild der hl. Muttergottes von Altötting, reißt es von der Wand und wirft es dem Geist entgegen, der alsbald verschwindet.
Der vor Angst halbtote Krämer verfiel darnach in tiefen Schlaf; und als er des anderen Morgens frisch und gesund erwachte — siehe: da hing das Madonnenbild wieder ruhig an seinem Nagel auf der Wand.
Es ist nie aufgekommen, ob die Geschichte sich wirklich so zugetragen hat. Ob sie vielleicht ein von des Krämers Freunden ausgeheckter Spaß war, oder ob er selbst, ein bißl angetrunken wie er war, das Ganze bloß geträumt hat? Kurz: von da an hieß, als das Ding ruchbar ward, der Krämer in der ganzen Stadt nur der „Schlafhaubenkramer"; und bis zum heutigen Tag ist der Name auf dem Haus verblieben. Der Geist mit der Schlafhaube hat sich aber nimmermehr sehen lassen; kann sein: er war durch die empfangene Watschen erlöst.