Hundert Jahre Buchkultur in München
Seit Jahrzehnten ist München die größte Verlagsstadt Deutschlands, ja Europas. Doch obwohl es eine Vielzahl von Schriften über das »klassische Schwabing« und das »leuchtende München« gibt, blieb die Geschichte der Buchstadt an der Isar bisher weitgehend unerforscht und unbekannt. Reinhard Wittmann schlägt jetzt erstmals dieses reizvolle Kapitel der Münchner Geistes-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte auf. Die frühen Druckerverleger der kurfürstlichen Residenz in Renaissance und Barock, die kecken Buchhändler der Aufklärungszeit, die Erfinder und Unternehmer im 19. Jahrhundert kommen nicht zu kurz.
Im Mittelpunkt der Darstellung jedoch stehen die letzten hundert Jahre des Verlagswesens und Sortimentshandels, des Buchdruckes und der Buchkunst in München -von der Prinzregentenzeit bis zur Gegenwart. Vom Verlag des »Simplicissimus« wird berichtet, von Schwabinger Buchhändlern und ihrem Publikum, von der Jagd der Polizei nach Unsittlichkeiten und der Zensur im Ersten Weltkrieg, von expressionistischen Flugblättern und völkischen Traktaten, von der Bücherverbrennung 1933, von Anpassung und Widerstand des Buchhandels im Dritten Reich, von Kriegszerstörung und Wiederaufbau, von BestsellerVerlagen und Privatpressen, von engagierten Buchhändlern und berühmten Antiquaren (und nicht zuletzt auch von der Firma Heinrich Hugendubel, die anno 1893 in die bayerische Hauptstadt kam). Erstmals wurden die staatlichen und städtischen Archive durchforstet, wurde aus Privatsammlungen und Firmenbeständen, aus Erinnerungen und Akten, Statistiken und Verlagschroniken eine Fülle unbekannten, oft überraschenden Materials zutage gefördert.
Einen besonderen Reiz des Bandes macht sein umfangreicher Abbildungsteil aus: Er enthält eine Vielzahl teils erstveröffentlichter Fotos von Büchern aus und Bücher-machem in München, von Buchumschlägen und Werbeplakaten, von Schaufenstern und Interieurs aus hundert Jahren, von kostbaren Einbänden und verfemten Flugschriften. So wird der Band nicht nur ein anregendes Bilderbuch für Bücherfreunde, sondern zu einer einzigartigen Fundgrube der Münchner Buch- und Kulturgeschichte.
Der Münchner Reinhard Wittmann (geboren 1945) ist Leiter der Literaturabteilung des Bayerischen Rundfunks, Honorarprofessor für Buchgeschichte an der Lud-wig-Maximilians-Universität und Autor zahlreicher Bücher, u.a. »Geschichte des deutschen Buchhandels« (1991).
- Vorwort
- Kapitel 1
München als Buchstadt von den Anfängen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
- Die Frühzeit
- Im Dienste der Gegenreformation
- Barocker Aufschwung und Erstarrung
- Aufklärung, Zensur und Mut vor dem Thron
- Im neuen Königreich
- Gründerjahre
- Neue Erfindungen und Buchkunst
- Kapitel 2
Die »goldenen Jahre« der Bücherstadt: Prinzregentenzeit und Erster Weltkrieg
- Bücherstadt München
- Buchfabriken und Luxusdrucke
- »Kunstwart« und »Jugend« -die Blütezeit der KunstVerlage
- Reichsgesetze und Kirchenväter — wissenschaftliche und konfessionelle Verlage
- »Simpl«, »Insel«, »Zwiebelfisch« -LiteraturVerlage um die Jahrhundertwende
- Einzelgänger und Expressionisten -KleinVerlage und ihr Programm
- Hofbuchhandlungen und Warenhäuser - die Sortimente der Prinzregentenzeit
- Goltz-Eck und Bücherstube — frischer Wind im Sortiment
- Inkunabeln und Luxusdrucke — die Glanzzeit des Münchner Antiquariats
- Unter der Fuchtel der Zensur
- Zwischen Hurrapatriotismus und Pazifismus - die Kriegsjahre
- Kapitel 3
Revolution und Inflation, Parolen und Krisen: Münchens Buehwesen während der Weimarer Republik
- Die »ungeheuerliche Wandlung«
- Faschingsfeste und Literaturpreis — die Stadt und ihre Schriftsteller
- Das Münchner Verlagswesen im statistischen Vergleich
- Untergangsprophetie und Weltraumeroberung — die WissenschaftsVerlage
- Volk ohne Raum und Kafkas Schloß â€” das Spektrum der LiteraturVerlage
- Tradition und Avantgarde - Buchkunst der Zwanzigerjahre
- München als Mekka der Schwarzen Kunst
- »Deutschlands Erneuerung« und Mein Kampf- völkische Verlage
- Die »Bücherkrise« und die Lage des Sortiments
- »Fluch dem Buch!« - Bankrotte und Beschlagnahmungen
- Kapitel 4
Fanatismus, Anpassung und Widerstand: Münchens Buchwesen in der NS-Zeit
- Die »Gleichschaltung« des Münchner Literaturlebens
- ParteiVerlage und regimetreue Unternehmen
- Schikanen und Berufsverbote
- Das Ende der jüdischen Buchkultur Münchens
- Die »Gleichschaltung« des Buchhandels
- Aktionen gegen »unerwünschtes Schrifttum«
- Stillegungen und Zerstörung -der Zweite Weltkrieg
- Kapitel 5
Vom Zusammenbruch zum Wirtschaftswunder: Münchens Buchwesen der Nachkriegszeit
- Die Ruinenstadt als kultureller Magnet
- Die Neuorganisation des Münchner Buchhandels
- Verlage unter amerikanischer Kontrolle
- »Desch is so permanent« - Nach-kriegsverleger zwischen Engagement und Kommerz
- Kapitel 6
Verteilung des Mangels, Absatzkrise und Wiederaufbau - der Sortimentshandel nach 1945
- Die Währungsreform als Schock und Chance
- Die Bücherstadt auf dem Weg ins Wirtschaftswunder
- Der Wiederaufstieg der Münchner VorkriegsVerlage
- Erfolgsgeschichten — Neugründungen und Zuzügler
- Medienmetropole und Buchkaufhäuser - ein Ausblick auf die Gegenwart
- Verlage, Titel, Sortimente - wer hat die meisten im ganzen Land?
- Großkonzerne und Kleinstfirmen -die aktuelle Münchner Verlagslandschaft
- Kulturmission oder Marketing — zur Situation des Münchner Sortiments
- Literaturverzeichnis
- Bildnachweis
- Personen- und Firmenregister