Ober- und Niederbayern

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Hans Reidelbach - König Ludwig I. von Bayern und seine Kunstschöpfungen - Das Siegestor

Galt die Feldherrnhalle der Verherrlichung der verdientesten bayerischen Heerführer, so wurde das nördliche Ende der Ludwigsstraße mit einem Denkmal abgeschlossen, das dem Ruhme des bayerischen Heeres gewidmet sein sollte. Schon in einem Briefe d. d. Monte di Lago 12. Juni 1826 sprach König Ludwig Wagner gegenüber den Plan aus, „nach Jahren ein Stadtthor aus Quadern wie eine römische Triumphpforte auszuführen; ein anderes im Styl der Propyläen; beschlossen habe ich noch nicht durch wen."

Das Siegesthor wurde nach dem Pläne Gärtners 1844 begonnen und nach dessen 1847 erfolgtem Tode von Ed. Metzger fortgesetzt und 1850 vollendet. Ihm liegt das schönste der römischen Triumphthore, der Konstantinsbogen, zu grunde. Es bildet einen Würfel von 24 m. Breite, 11,9 m. Tiefe und 20,7 m. Höhe, dessen beide Hauptfassaden durch vier auf Postamenten vorspringende korinthische Säulen in drei Räume geteilt werden, welche ihrerseits durch drei Portale, ein größeres mittleres und zwei kleinere seitliche durchbrochen sind. Über dem mit Zahnschnitt und Konsolen gegliederten Kranzgesims, das, über die Säulen vorspringend, d. h. sich verkröpfend, das Postament für Viktorien bildet, erhebt sich als halbgeschoßartiger Aufsatz die sogenannte Attika, die über einem kleinen Bandgesims das Fußgestell für die mit einem Löwengespann einherziehende Bavaria trägt. Im Vergleich mit dem schweren und gedrückten römischen Vorbilde zeigt das Siegesthor einen viel leichteren, schlankeren Aufbau, den es dem hochentwickelten Schönheitssinne des Königs zu verdanken hat. „Eben erhalte ich ein Schreiben von Seiner Majestät dem König bezüglich des Triumphbogens,“ schreibt Gärtner an Wagner (29. März 1842), „worin er sagt, daß der Sockel höher werden soll. Bei Deinem Hiersein wurde er bereits um mehrere Schuhe erhöht, doch wenn Seine Majestät wollen, kann er noch zehn Schuhe höher werden . . . Doch ich will sehen, ob durch Verlängerung der Säulen der Sache nicht noch Vorschub geleistet werden kann.“ Der Sockel ist um 0,58 m.. die Säulen um 1,45 m- ? die mittleren Portalöffnungen um 0,8/ m. höher und um 0,29 m. schmäler als am Konstantinsbogen. Ferner gewinnt das Siegesthor noch dadurch an freiem, leichtem Schwung und stattlichem Eindruck, daß die Bogenwölbungen der Portale nicht, wie am römischen Monumente, nur im halben Zirkelbogen aufsitzen, sondern beträchtlich überhöht und mit reichen Kassetten geschmückt wurden. Endlich ist das Münchener Thor dem römischen auch an Adel und Schönheit der bildlichen Ausstattung überlegen. Während nämlich dieses zum Teil mit den Bruchstücken von dem zerstörten Trajansbogen ausgestattet, zum Teil aus höchst rohen Bildwerken zusammengefügt wurde und alle Spuren einer gesunkenen und verderbten Kunstrichtung in seiner Überladung mit Skulpturen zeigt, sehen wir das Siegesthor in würdiger, geschmackvoller Einfachheit, die auch die Wirkung architektonischer Flächen zur Geltung kommen läßt, mit Reliefs und Statuen aus einem Guß geschmückt.

Den gesamten plastischen Schmuck ließ der König in kleineren Modellen durch Wagner in Rom herstellen. „Sie kennen meinen Wunsch,“ schrieb er am 15. August 1841 aus Bad Brückenau an Wagner, „daß von Ihrer Meisterhand ich Bildhauerarbeiten der Siegespforte wünsche, aber rechtzeitig müssen sie vollendet sein. Da ganz antik die Siegespforte und alles an ihr gehalten werden soll, auch von keinem Kampfe zwischen Römern und Altdeutschen sich handelt, so scheint mir am geeignetsten, daß die Trachten der Darstellungen in den Bassirelievi so als wenn Römer wider Römer stritten (was in römischer Geschichte öfters vorkommt) dargestellt werden sollen; so scheint mir gleichfalls am geeignetsten, daß auf den sechs die unterschiedlichen Kämpfe, z. B. Fußvolk wider Fußvolk, au feinem anderen Reiterey wider Reiterey, auf einem dritten Fußvolk wider Reiterey, auf einem vierten Belagerung, ein Mauerbrecher in Bewegung gegen die Stadtmauer etc. dargestellt werde.“ Wagner entwirft, dem Wunsche des Königs gemäß, sechs Reliefskizzen, die sich durch leidenschaftliche Bewegung und feuriges Leben auszeichnen. Der König lobt die Entwürfe: „Zu diesem römischen Siegesthor eignen sie sich sehr gut. Keineswegs sind zu wenig Figuren, wie Sie zu besorgen scheinen, daß gefunden werden möchte, eher, deuchte mir, sind es zu viele“ Diesem Winke kam Wagner nach, indem er bei der Modellierung weniger Figuren darstellte, wie er denn an den hier in Abbildung gebrachten, auf der Südfront des Thores befindlichen Reliefs einige unwesentliche Nebenfiguren wegließ. Für die in den Medaillons darzustellenden Provinzen gibt König Ludwig durch Gärtner Gruppierung und Embleme an. „Zu bemerken ist,“ fügt Gärtner im Auftrage des Königs bei, „daß die Embleme, wenn auch gleiches bezeichnend, sich nicht gleichen resp. wiederholen dürfen.“ Nachdem Wagner alle Modelle bis auf die Viktorienreliefs über den Archivolten der Thore, die von Schaller modelliert wurden, abgeliefert hatte, wurden dieselben von verschiedenen Künstlern in großen Maßstab übertragen und in Marmor aus geführt.

Die Bavaria mit ihrem Löwengespann ist leider insoferne etwas ungünstig ausgefallen, als bei ihrer Erstellung nicht auf den für sie bestimmten hohens Aufstellungsplatz die nötigen Rücksichten genommen und die Löwen zu niedrig und schwerfällig gebildet wurden. Der König wollte die Bavaria als dem siegreichen Heere zur Bewillkommnung entgegenfahrend aufgefaßt haben, weshalb er sie mit dem Antlitz nach auswärts aufstellen ließ. Die eigentliche Weihe empfing das Siegesthor im Jahre 1871, als das bayerische Heer sieg- und ruhmgekrönt seinen feierlichen Einzug durch dasselbe hielt und als köstlichsten Siegespreis den Kranz der deutschen Einheit auf ihm niederlegte.

Dieses mit einem Kostenaufwand von 414,118 fl. vom König aus Privatmitteln errichtete Prachtthor machte derselbe durch Schankungsurkunde vom 1. November 1852 der Haupt- und Residenzstadt München zum Geschenke.

Quelle: Hans Reidelbach - Das Siegesthor in München