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34. Die ehemalige Gruftkirche, der letzte Rest der ersten Stadtmauer und der Wilprechtsturm in der Weinstraße.
Abb. 34: Die ehemalige Gruftkirche, der letzte (sichtbare) Überrest der ersten Stadtmauer und der Wilprechtsturm in der Weinstraße.
Die Landschafts- und Gruftstraße mit deren Verbindungsstraße bildeten vor 6—700 Jahren das Judenviertel. In der Gruftstraße, früher Judengasse, stand vom 12.-13. Jahrhundert die Synagoge und das Bad der Juden (gegen den nördlich vorbeifließenden Stadtbach gelegen).
Bei einer Judenverfolgung im Jahre 1285 wurde die Synagoge, in der sich Juden geflüchtet hatten, angezündet.
Nachdem sich die Zahl der Juden immer mehr verringerte und 1440 alle Juden ausgeschafft wurden, schenkte Herzog Albert III. die Synagoge seinem Leibarzt und vertrauten Ratgeber Dr. Johann Hartlieb. Dieser erbaute sich daraus ein Wohnhaus mit einer im Keller befindlichen Hauskapelle; da diese Kapelle wegen eines Bildes großen Zuspruch fand, ließ Dr. Hartlieb die ehemalige Synagoge bis auf den Grund abtragen, die Gruftkirche überwölben und über derselben eine neue gräßere Kirche bauen.63) Dies Kirche ist in unseren Bilde unschwer zu erkennen; bemerkenswert ist der große erkerähnliche Dachaudbau, der dem im Modell ersichtlichen Vorbild möglichst genau nachgebildet ist; auffallend ist seine Anordnung: er gehört zum Dach der Gruftkirche, während er auf dem Nachbargebäude links aufgebaut ist.
Links von der Gruftkirche, von der Gebäudeflucht zurücktretend, sehen wir den einzigen Überrest der ersten Stadtmauer, der im Jahre 1570 noch erhalten war; der Grund des Verschwindens der ersten Stadtmauer nach so verhältnismäßig kurzer Zeit war der Umstand, daß es, um die Baulust anzuregen, den Bürgern zur Zeit der Entstehung der zweiten Stadt gestattet wurde, zu ihren Neubauten das Abbruchmaterial der ersten Stadtmauer zu verwenden.
An diesem Teil der ersten Umwehrung weiß Dr. Karl Trautmann64) das Vorhandenseins eines sechsten Stadttores nach (auch in unserer Zeichnung ersichtlich); es war allerdings nicht von einem Turm überragt, sondern hatte mehr die Form eines bescheidenen Einlasses, der wahrscheinlich nur zum Verkehr der Juden diente; er mündete im Stadtinneren auf einen kleinen Platz, eine Hausbreite vom Wilprechtsturm in der Weinstraße entfernt.
Der Wilprechtsturm, den wir auf unserem Bilde am Ausgange der Weinstarße sehen, war einer der Tortürme des ältesten Mauerringes; er führte seinen Namen nach der unmittelbar nebenan begüterten Parrizierfamilie Wilprecht. Er wurde bereits im Jahre 1690 abgebrochen. Seinen früheren Standort bezeichnet die am vormaligen Amtsgebäude der Polizeidirektion angebrachte Gedenktafel.
63) Das gottselige München, S. 366-370.
64) München und seine Bauten, Seite 29 und Beschreibung zu Tafel 32; ferner Alt-München Seite 36.