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Bautechnischer Führer durch München 1876

II. Epoche der Renaissance.

lenen Bekenntniss konnte Visardi an dem Plane des gleichzeitig gebauten sog. Bürger (congregations) saales in der Neuhausergasse nicht gelangen, da namentlich die Faijade durch die geschlossene und gerade Strassenlinie und ohne Zweifel auch lurch lie Veranlasser des Baues beeinflusst war. Denn die Jesuiten, welche die Bürgerschaft zur Herstellung dieses deutschen Oongregationshauses als Seitenstück zu der schon seit 1578 in einem Saal ihres Collegiums eingerichteten lateinischen Congregation bewogen hatten, hielten darauf, wenigstens in der Fa ;ade einen ihrem Geb ude verwandten Ton nachklingen zu lassen. Das Innere zeigt bei wenig constructive!]) Interesse einen bedeutenden Aufwand von geschickter Decoration, an welcher wohl auch andere Kr fte Visardi unterstützt haben m gen. Der Vorliebe für polygonale Anlagen, wie sie dem Barockstyl eigen, entsprach auch die 1727 angelegte und 1737 vollendete Hierony- mitenkirclie am Lechel, welche mit dem angebauten Kloster ein Asyl für die aus ihrem Kloster zu Walchensee auf Disciplinarwego ausgewiesenen M nche des h. Hieronymus wurde. Hier tritt freilich schon viel Stuccatur im Rococostyle auf, welche Churfürst Max Emanuel bei seiner Rückkehr in die Heimath (1714) so zu sagen in seinem franz sischen Gefolge hatte. Denn die Pavillons dies Nymphenburgergartens, welche 1716 (Pagodenburg) und 1718 (Badenburg) entstanden, tragen bereits liesen Charakter und nicht minder die Wunderlichkeit der Eremitage mit der Magdalenen- kapelle, welche der romantischen Verirrung künstlicher Ruinen huldigt, worin sonst der Zopfstyl gr sseres Behagen findet als das Rococo. Doch hat das unstreitbar sch nste Rococowerk nicht nur Münchens, sondern Süddeutschlands, die Amalienburg des Nymphenburgor Parkes, ihre Vollendung erst unter dem Nachfolger Max Emanuels, dem Churfürsten Carl Albert und nachmaligen Kaiser Carl VII. gefunden (1734), welcher dem innen genial lurchgeführten Pavillon auch nach seiner Gemahlin Amalie den Namen gab. Der enge Anschluss der Münchener Hofarchitektur an jene wie sie sich in der letzten Lebenszeit Ludwig XIV. in Versailles entwickelt hatte, war durch die politische Stellung Max Emanuels bedingt. Wie vordem sein enger Anschluss an Wien dazu beitrug, mehr dem dort einheimischen italienischen Barockstyl zu huldigen, den die Churfiirstin Adelheid zuerst direct nach München iinportirt hatte, so kam jetzt die künstlerische Parole von Versailles, in welchem Verh ltnisse die Thronbesteigung Ludwig XV. nichts nderte. Die Architektur selbst zwar hatte sich vom Schauplatze zurückgezogen, indem jetzt der Decorateur die erste Rolle spielte, w hrend der Baumeister lediglich die R ume und zwar in m glichster Sparsamkeit an eigentlich architektonischer Gliederung herzustellen hatte. Die Groteske, ursprünglich so genannt von den unterirdischen Kammern (Grotten) am Esquilin in Rom, den vom goldenen Haus des Nero stammenden Souterrains der Thermen les Titus, aus deren

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