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Bautechnischer Führer durch München 1876

II. Epoche der Renaissance.

Fresken Raphael und Giovanni da Udine die Decorations-Motive für die Loggien des Vaticans gesch pft hatten, erhielt jetzt ihren buchst blichen Sinn, indem der damaligen pseudo-arkadischen Idylle entsprechend die wirkliche Felsengrotto mit Muscholwerk und Linganen- gestrüpp die Motive lieferte, z. Th. in wirklicher Uebcrtragung, wio in der Magdalenonereinitage des Nymphenburger Parkes, z. Th. in stylisirter Verwendung zu Stuckverzierung der W nde und Decken. Wie bewunderungswürdig schnell sicli die Deutschen diese Docora- tionsweise des Rococo, den goüt rocailleux, aneigneten, hat Sachsen gezeigt, welches die gr ssten Rococomeister zu seinen Landsleuten z hlte. Auch München bcsass damals einen geschickten ..Rocailleur“ in der Person dos Franz H rdt, dessen Wohnhaus auf der n rdlichen Bastei an der Tannenstrasse *) neben dem Maigarten, einem der h chsten Punkte der Stadt, der Bastion selbst den Namen des Rockerlberges gab, eine Bezeichnung, welche der sp ter in Deutschland üblich gewordenen Bezeichnung dos ganzen Docorations- stylos auf’s engste verwandt ist. Denn dass die Bezeichnung „rocailleur“ weniger dem Muschelgrottenbauer als dem Groteskstucca- tor eignete, natürlich in der ver nderten Gestaltung, wie sie die Zoit Ludwig XV. der Groteske verliehen hat, glaube ich vormuthen zu dürfen, wie auch, dass die wohl erst in unserem Jahrhundert entstandene Spottbezeichnung Rococo aus jener franz sischen Ucber- setzung von „Grotoskenkünstlcr“ erwachsen ist. Carl Albert, seit 1720 Churfürst, 1742—1747 deutscher Kaiser, trat, sowohl in politischer Beziehung wie in Hinsicht auf Kunstrichtung in gleicher Abneigung gegen Oesterreich sich zu gleicher Abh ngigkeit von Frankreich bequemend, in die Fussgtapfen seines Vaters. Zur decorativen Prachtentfaltung gab zun chst die Wiederherstellung des 1729 ausgebrannten Resideuztheiles in München umf ngliche Gelegenheit. Von der unübertrefflichen Amalienburg im Nymphenburger Park, wozu noch ein grosser Theil der Gem cherausstattung in den beiden Lustschl ssern Nymphenburg und Schleiss- heiui gerechnet werden muss, wurde schon gesprochen. Jene Anlagen aber, bei welchen es mehr auf bauliche Entwicklung als auf Decorationslu.vus ankam, erscheinen unerfreulich und nüchtern, wie Kloster und Kirche der Salesianerinen, die 1732—1735 nach den Pl nen dos Joh. B. Gunczrainer erbaut, unter Karl Theodor aber dem adelichen Damenstift und jetzt theilweiso technischen Schulen überwiesen worden sind. Endlich aber war im Schoosse der Stadt selbst eine lebhaftere Bauth tigkeit erwacht, w hrend bisher die Bewohner Münchens hierin eine Unlust gezeigt hatten, die gogen die Patrizierh user der Reichsst dte übel abstacli. Voran ging der


*) An dessen Stelle erbaute später Graf von Königsfeld das noch erhaltene aber wenig bewohnte Schlösschen.

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