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Bautechnischer Führer durch München 1876

III. Die Neuzeit.

dass ihr l ngst vor der g nzlichen Ausnutzung der Anlage durch Geb ude der Verkehr vor der unbelebten Ludwigstrasse den Vorzug gab. Oberbaurath Bürklein und Baurath Zenetti hatten den Auftrag erhalten, den Plan herzustellen, welcher Ende 1852 die k nigliche Genehmigung erhielt, worauf unverzüglich mit dem Strassen- k rper begonnen wurde, der trotz enormer Niveau- und Canali- sirungsscliwierigkeiten 1859 vollendet stand. Mehre Jahre vor der Inangriffnahme der Strasse hatte sich jedoch der k nigliche Bauherr mit dem Gedanken getragen, welchen gemeinsamen Stylcharakter die Geb ude derselben haben sollten. Dass dabei nicht auf die Antike zurückgegangen werden sollte, stand fest, doch auch die reine Reproduction mittelalterlicher Formen erwies sich zun chst aus Zweckgründen unvortheilhaft, da es sich ja hier nicht um Burgen oder Kirchen handeln konnte. In Bezug auf die letzteren war das Bedürfniss durch die zahlreichen Cult- bauten Ludwig I. gedeckt worden. Da Vorhandenes nicht befriedigte, lag es nahe, auf Neues zu sinnen, und so vertiefte sich der K nig in < die Idee eines neuen zeitgem ssen Styles auf der Basis der mittelalterlichen. Schon im Frühjahre 1851 war eine ffentliche Ausschreibung ergangen, welche darauf abzielte, eine praktische Verwirklichung dieser Idee an einem besonderen Bauwerke zu veranlassen. Es wurden nemlich namhafte Preise ausgesetzt für entsprechende Entwürfe zu einer h heren Bildungs- und Unterrichtsanstalt in München. Dabei waren ausser den Zweckbedingungen folgende zum Theil dehnbare Normen gegeben. Es sollte zwar keine Stylgattung und kein zweckm ssig und sch n zu verwendendes Detail ausgeschlossen sein, doch sei die Berücksichtigung der Gothik in ihrer verticalen Tendenz wo m glich in organischer Verschmelzung mit den ruhigen Linien und breiteren Massenverh ltnissen der griechischen Architravarchitektur vorzugsweise erwünscht, wie auch für die ornamentale Gestaltung die Benutzung einheimischer Thier- und Pflanzenformen sich empfehle. Das Geb ude und dessen Bauart dürfe keinem der bekannten Geb ude ausschliessend angeh ren Construction und Formgebung solle vielmehr den wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften und der Bildung unserer Zeit entsprechen und somit die Cultur der Gegenwart repr sentiren; es dürfe das Geb ude demnach nicht frostigen, schwerf lligen, düstern und strengen Charakters sein, sondern solle vielmehr im leichten und heiteren Schwünge der Formen und Verh ltnisse der herrschenden Geschmacksrichtung entsprechen. Endlich sollten nur solche Formen gew hlt werden, die mit Hilfe des gew hlten oder gegebenen Materials und mit Berücksichtigung der anderweitigen klimatischen und rtlichen Bedingungen sich naturgem ss und organisch dafür verwenden lassen *).


*) Vgl. Allgemeine Zeitung 1852 Beil. Nu. IOT und 108.

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