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München in guter alter Zeit

Drittes Kapitel - Im Graggenauer-Viertel.

Fläche und Badines (die Damen trugen damals Spazierstöckchen) verkünden seine Macht. Auf höchsten Befehl wechseln hier im Sommer die Orchester des Militärs in schönen Abendstunden; Zuckerwerk und andere Näscherein werden feilgeboten; das außen angebaute Kaffeehaus reicht Erfrischungen aller Art. “

Wir dürfen der Residenz nicht verlassen, ohne des von dem Kurfürsten Maximilian III. von 1750-1753 durch den älteren Couvillier mit einem Aufwande von mehr als einer halben Million auf der Stelle des Bades und der Orangerie seines Vaters erbauten neuen Opernhauses zu gedenken, das am 12.Oktober 1753 als am Namensfeste des Kurfürsten mit der italienischen Oper „ Catone“ eröffnet ward.

Da wo jetzt der Königsbau in der Residenzstraße hereintritt, stand bis in unser Jahrhundert allein das Kloster der Ridler Nonnen, auch „Von der Stiege“ genannt, weil sie nach Art der Theatiner eine Heilige Stiege erbaut hatten, auf der man von außen in die Kirche kommen und unterwegs viele Ablässe gewinnen konnte.

Von der Ecke der heutigen Perusagasse, welche früher nur ein enges Gäßchen war, bis zum Hause Nr. 14 an der Residenzstraße und rückwärts bis ungefähr Kieler Straße erstreckte sich bis zur allgemeinen Klosteraufhebung im Jahre 1803 das um 1248 gegründete Pütricht-Regelhaus. Die Nonnen übten Krankenpflege und standen Sterbenden bei, weshalb sie auch Seelschwestern genannt wurden. Das Haus war ein Geschenk der Edlen vom Pütrich im Jahre 1484. In ihrer Behausung, von der sich in den genannten Häusern Einzelne Theile erhalten haben, brachte Herzogin Kunigunde, Witwe Albrecht IV., den Rest ihres Lebens in frommen Betrachtungen zu.

Dem Pütrich-Regelhaus gegenüber, an der Stelle des heutigen Max-Josephplatzes und des k. Hof- und Nationaltheater lagen die 1803 abgebrochenen weitläufigen Baulichkeiten des Franziskaner-Klosters, von dem wir unten noch ausführlicher zu reden haben werden.

So wären wir denn der Ludwigsburg oder der alten Veste vom Volk die gemeinhin der alten Hof genannt, ganz nahe gekommen und damit in das Gebiet der ältesten von Heinrich dem Löwen gegründeten Stadt eingetreten.

Schon Ludwig der Strenge begann 1253 den Bau, von dem leider nichts mehr auf uns kam, als der südliche Flügel mit dem zierlichen Erker nächst dem Thorturm gegen die Burggasse, nachdem keine gegenüberliegende ursprünglich an die Stadtmauer stoßende Hofkapelle zum hl. Lorenz 1816 Uhr abgebrochen worden. Sie war schon vollendet, als die Herzogin Elisabeth, Schwester Ludwigs der Strengen und Mutter Conradins von Hohenstaufern, 1255 mit dem Grafen Mainhard in ihre zweite Ehe trat, und wurde nachmals von Ludwig dem Bayer erweitert. Jetzt hat sich von dem zierlichen Bau nichts weiter erhalten, als zwei schöne Votivreliefs Nationalmuseums.

Das erste zeigt den Kaiser mit seiner Gemahlin Margaretha von Holland kniend vor der Madonna mit dem Kinde, daß die Hand auf das von der Kaiserin dargereichte Kirchen-Modell legt, zum Zeichen der Entgegennahme der Stiftung. Die Kaiserin trägt den in ihrer Zeit üblichen goldverbrämten Kopfschleier, darüber ein Diadem, dann ein blaues Gewand und einen rothen mit Hermelin gefütterten Mantel; der Kaiser die Tunicella vom Goldstoff und die Stola, weil dem Kaiser bei der Krönung die zum Tragen dieser Cultusgewänder berechtigten Weihen erteilt wurden. Das zweite Relief stellt zwei Engel dar, welche den bayerischen Wappenschild mit der Spitze auf eine gekrönte Figur setzen, die wahrscheinlich den gebändigten Höllenfürsten bedeutet.

Der große Kaiser war in dem Erkerflügel geboren worden und führte später den westlichen Bau zwischen jenem und der Lorenzkapelle auf, in welchem sich jetzt die Lokalitäten der Central-Staatscassa befinden. An der überaus einfachen Außenseite dieses Mittelbaus hat sich wenig verändert und das geübte Auge entdeckt auch im Inneren desselben noch vereinzelte Spuren der alten Anlage. Von den großen Saal aber, die um 1450 mit Wandgemälden geschmückt worden, hat sich nur ein kleines Stück mit sieben Fürstenbildern erhalten. Und auch das wohl nur deshalb, weil es bis vor wenigen Jahren unter mehreren Lagen Tünche verborgen war.

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