Alte Bücher

 Seite 527


Münchener Stadtbuch

XLVIII. Die Beterin an der Mariensäule.

Der Krieg war endlich beendigt, Oberlieutenant Martin kehrte nach München zurück, und die Liebenden warteten nun mit süßer Hoffnung, daß Martin bald eine Hauptmannsstelle erhalten werde und sie dann das Ziel ihrer Wünsche, die Heiratserlaubniß, erreichen könnten.

Doch der Himmel hatte anders beschlossen. Der unersättliche Kaiser Napoleon wollte in seinem gigantischen Streben nach der Weltherrschaft die russische Monarchie zertrümmern und führte im Jahre 1812 unermeßliche Schaaren von Kriegern in die Eisfelder Rußlands. Bayern als Verbündeter des französischen Kaisers mußte sich mit einer Armee von 4ö,W0 Mann seiner blühendsten Jünglinge dem gewaltigen Heereszuge anschließen. Auch Oberlieutenant Martin war unter diesen Kriegern. Schmerzvoll war der Abschied desselben von Adelheid und dem kleinen Max; nur die Hoffnung tröstete sie, daß Martin auch aus diesem Kriege ungefährdet wiederkehren und dann der Erreichung ihrer heißen Wünsche kein Hinderniß mehr entgegen stehen werde. Martin empfahl seine Geliebte und feinen Mar dem Schutze Gottes und legte Ersterer besonders ans Herz, für das Wohl ihres Söhnchens alle mögliche Sorgfalt zu tragen.

Am nächsten Morgen war der Ausmarsch. Adelheid wollte durchaus ihren Martin noch einmal sehen, und drängte sich daher mit. ihrem Mar — er war jetzt sechs Jahre alt — unter die Menge der Menschen am Schrannenplatze, wo die Soldaten vorüberzogen. In Gebet und Thränen versunken kniete sie an der Säule der heiligen Jungfrau nieder.

Da zogen Mann an Mann die Bataillone vorüber

 Seite 527