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Münchener Stadtbuch

XLVIII. Die Beterin an der Mariensäule.

unter den fröhlichen Klängen der Musik; endlich nahte die fünfte Kompagnie des Schützenbataillons mit ihrem Hauptmanne Grafen von Khuen, an seiner Seite marschirte Oberlieutenant Martin. Er erblickte die Adelheid und seinen Mar, grüßte dieselben noch einmal und verschwand dann unter den fortschreitenden Reihen der Soldaten.

Da vermeinte Adelheid, ihr Herz müsse brechen; ein unendliches sehnsuchtsvolles Weh durchschauerte ihre Brust, sie konnte es nicht fassen, ihren Martin vielleicht zum letztenmal gesehen zu haben; — sie mußte ihn noch einmal sehen. Rasch war sie entschlossen; den Knaben führte sie zur Mariensäule und sprach: „Hier warte, lieber Mar, und geh' nicht von der Stelle bis ich wieber komme, ich muß schnell dem Vater noch etwas sagen." Mit diesen Worten eilte sie der Weinstraße zu und verschwand um das Lindwurmeck.

Vor dem Schwabingerthor machte das Bataillon einen kurzen Halt; hier erreichte Adelheid die Soldaten, sah einen Augenblick ihren Geliebten, aber im nächsten Momente war er wieder in raschem Marsche ihren Augen entschwunden. Sie wollte daher eilig wieder nach dem Schrannenplatze zurückkehren; aber unterwegs, iin Gedränge des Menschengewühles, welches die abziehende Artillerie schauen wollte und in Folge des steten Ausweichens vor den ihr entgegenströmenden Leuten, glitt sie am schlüpfrigen Boden, — es hatte Tags zuvor heftig geregnet, — aus. Sie siel und gerieth unglücklicherweise unter das Rad einer Kanone. Nach einem lauten
Schrei schwanden ihr die Sinne.

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